303 Schädel untersucht

Warum die Römer weniger unter Parodontitis litten

Kurt Alt
Zahnmedizin
Eine Studie des King´s College London an 303 Schädeln zeigt, dass die Römer viel weniger Parodontopathien hatten als die modernen Briten heute. Woran das liegt, erklärt Paläo-Odontologe Prof. Dr. Kurt Alt.

Die von dieser  Arbeitsgruppe vorgelegten Ergebnisse sind für Insider keine wissenschaftliche Überraschung. Seit einigen Jahren steht das menschliche Microbiom zunehmend im Fokus globaler Forschung. Hierfür stehen unter anderem zwei große Projekte: in den USA ein Projekt des National Institutes of Health Human Microbiome Project (HMP) und in Europa das Projekt Metagenomics of the Human Intestinal Tract (MetaHIT).

Prinzipiell geht es dabei um die Funktionen und Dysfunktionen des menschlichen Microbiomes, die zahlreiche neue Erkenntnisse über die Gesundheit und Krankheit generieren. Die Autoren des oben genannten Beitrags über die Römer orientieren sich nicht bewusst an den genannten Studienprogrammen und nehmen darauf auch nicht direkt Bezug. Die von ihnen publizierten Ergebnisse sind allerdings durchaus in den Kontext der Microbiomforschung zu stellen.

Ich erforsche seit einigen Jahren mit zahlreichen Kollegen aus dem Bereich der (Dental)Anthropologie und Molekularen Anthropologie (aDNA) das orale Microbiom des Menschen. Im Rahmen dieser Forschung erschien 2013 die erste Publikation über die Bedeutung von Zahnstein für die Rekonstruktion unserer Vergangenheit [Adler et al., 2013]. Seither folgten zahlreiche weitere Arbeiten zum Thema [Warinner et al. 2014, 2015; Weyrich et al. 2015].

Die Zusammensetzung der Bakterien in der Mundhöhle hat sich während der Kulturgeschichte mehrfach verändert

In den Arbeiten über Zahnstein in fossilen, prähistorischen und historischen Bevölkerungen wird demonstriert, dass sich die Zusammensetzung der Bakterien in der Mundhöhle während der Kulturgeschichte mehrfach verändert hat. Dabei standen zwei essentielle Ereignisse im Vordergrund.

1. Zum einen der Übergang vom Jäger-Sammler-Dasein zur bäuerlichen Lebensweise, der die Umstellung der Ernährung zu einer kohlenhydratreichen Kost markiert und dazu führt, dass sich das relativ ausgeglichene Mikrobiom der Mundhöhle, was die Zusammensetzung der Bakterien angeht, hin zu stärker pathogenen Keimen in der Mundhöhle verändert. Und dafür sind in erster Linie zu nennen: Streptococcus mutans, Porphyromonas gingivalis, Tannerella- und Treponema-Bakterien, die unter anderem für Karies und Parodontitiden verantwortlich sind.

2. Die zweite essenzielle Umstellung der Ernährung erfolgt zu Beginn der industriellen Revolution: Industriezucker, gekochte Nahrung, Konserven und andere mehr).

Daher kann man abschließen festhalten, dass sich der schlechte orale Gesundheitszustand in der britischen Bevölkerung im Vergleich zu den Römern auf diesen Wandel in der Ernährungsweise zurückführen lässt. Was für die Briten gilt, kann man jedoch global beobachten, mit Ausnahme vielleicht der wenigen Menschen, die noch unberührt von der Zivilisation leben.

Was den Zusammenhang mit dem Rauchen angeht ist es meines Erachtens derzeit noch zu früh, die Einwirkungen des Rauchens auf das Microbiom abschließend zu beurteilen. Derzeit befindet sich eine erste Studie dazu kurz vor dem Abschluss.

Prof. Dr. Kurt W. AltZentrum Natur- und Kulturgeschichte des MenschenDanube Private University, Krems, Österreich

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