Die Entwicklung des Zahnarztberufs (6)

Die Frauenfrage

Sollen Frauen als Zahnärzte praktizieren? Ist das nicht standesschädigend? Lange wurden die Fragen der Eignung und der Zugehörigkeit zur zahnärztlichen Profession abhängig vom Geschlecht beantwortet. Wie der steigende Anteil der Zahnärztinnen über die Jahrhunderte sukzessive das Berufsbild des Zahnarztes verändert hat.

Die Zulassung von Studentinnen zu den deutschen Universitäten und die zunehmende Akzeptanz weiblicher Vertreter in den akademischen Heilberufen gelten als zentrale bildungspolitische Neuerungen des ausgehenden 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts [Bleker, 1998]. Der Zahnarztberuf konnte von dieser Entwicklung nicht unberührt bleiben. Die Diskussion um die Eignung von Frauen für medizinische Studiengänge lässt sich hierbei bis zu den Anfängen des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen.

Während der Historiker Luden in seinem „Handbuch der Staatsweisheit oder der Politik“ weibliche Ärzte forderte, damit die männlich besetzte Heilkunde ergänzt und „vervollkommnet“ werde, kam der Mediziner Stoll 1811 im „Jahrbuch der Staatsarzneikunde“ zum gegenteiligen Ergebnis: „Welch ein unermeßliches Feld, von bestimmten Kenntnissen, die nur der seltene Geist des Menschen mit Männerstärke zu erfassen vermag! Und dem schwächern Weibe soll dies gelingen? Halbheit taugt nirgend“ [Groß, 1994].

Das Weib ist zu schwach

Tatsächlich war gerade das Berufsbild des Zahnarztes – nicht zuletzt bedingt durch die handwerkliche Ausrichtung der Tätigkeit – traditionell männlich besetzt. Obgleich bereits im 18. und im 19. Jahrhundert vereinzelt Frauen als Zahnbehandlerinnen tätig waren, nahmen sie auf die Entwicklung der zahnärztlichen Profession in Deutschland keinen nennenswerten Einfluss. Sie hatten zum Teil Befähigungsnachweise im Ausland erworben, die in Einzelfällen von deutschen Behörden anerkannt wurden. So erschien etwa 1817 in der „Königlich privilegierten Berlinischen Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen“ das Inserat einer gewissen Josephine Serre, die als „approbierte Zahnärztin von der Universität zu Krakau“ auf-trat, „mit dem Rechte der freien Praxis im ganzen Russischen Reiche, und vom Ober-Collegio medico et sanitatis zu Berlin [Proskauer, 1927]“. Die organisierte Zahnärzteschaft empfand die Ausübung der Zahnheilkunde durch Frauen als standesschädigend.

So beklagte sich der Zahnarzt Kranner 1860 in den Mitteilungen des „Central-Vereins deutscher Zahnärzte“ – der Vorgängerorganisation der heutigen DGZMK: „In Folge des leichten Erlangens einer zahnärztlichen Concession befinden sich denn noch bei uns einige Damen als Vertreterinnen des zahnärztlichen Berufes. Diese eine Thatsache ist, glaube ich, hinreichend, um einen Beweis zu geben, wie wenig Werth man unserm Fache beilegte; denn, wenn ich auch von diesen Damen, in der nach ihren Begriffen richtigen Ausführung ihres Berufes, alle Gerechtigkeit widerfahren lassen will, so stellt man doch jetzt nach Verlauf einer ziemlichen Reihe von Jahren, an uns Anforderungen, welchen schwerlich eine Dame entsprechen kann [Kranner, 1860].“

###more### ###title### Der Aufstieg ins zweite Glied ###title### ###more###

Der Aufstieg ins zweite Glied

Die 1869 für den Bereich des Norddeutschen Bundes eingeführte Kurierfreiheit verschärfte das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen den männlichen Zahnärzten und den wenigen weiblichen Zahnbehandlern zusätzlich. Mit der allgemeinen Freigabe der Heilkunde für Laienbehandler stand konsequenterweise auch allen Frauen die Möglichkeit offen, ohne Approbation als Behandlerin tätig zu werden. Die Kurierfreiheit bot also den Frauen einerseits Chancen zur beruflichen Betätigung, indem sie allen an der Heilkunde interessierten Personen eine Tätigkeit als Behandler ohne Befähigungsnachweis erlaubte; andererseits wurden so die Ungleichheiten zwischen der weiblichen und der männlichen Ausbildung besonders sichtbar: Der Frau blieb weiterhin das Recht auf ein Studium der Zahnheilkunde und damit auf eine zahnärztliche Approbation versagt, so dass sie ausschließlich im zweiten Glied – nämlich als Laienbehandlerin – tätig war. Dieser Umstand spielte der Zahnärzteschaft wiederum das Argument in die Hand, dass es sich bei der weiblichen Konkurrenz um Dilettantinnen handele, was das Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen Zahnbehandlern negativ beeinflusste [Groß,1998].

Der Umweg über eine Ausbildung im Ausland

Vor diesem Hintergrund entschlossen sich einzelne ambitionierte Frauen zu einer zahnärztlichen Ausbildung im Ausland, wo Frauen zum Teil bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Studium der Zahnheilkunde zugelassen waren. Die erste offizielle Zulassung in Deutschland als Zahnärztin erhielt die Berlinerin Henriette Hirschfeld. Hirschfeld war 1867 auf Anregung des amerikanischen Zahnarztes Abbott nach Philadelphia gereist, um dort Zahnheilkunde zu studieren. 1869 promovierte Hirschfeld in Philadelphia zum Doktor der Zahnheilkunde und ließ sich noch im selben Jahr – mit Genehmigung der Behörden – in Berlin als Zahnärztin nieder. Dass sie bei vielen männlichen Kollegen auf Ablehnung stieß, ist ihren eigenen Berichten zu entnehmen: „I don’t think many of my professional brethren like it much that the females have crept into their privileges, but I can’t help the poor fellows, they will have to get used to it [Denton 1959].“ Hirschfeld unterhielt enge Kontakte zu Wilhelm Adolf Lette, dem Gründer des „Vereins zur Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts“.

Bezeichnenderweise wurde sie in ihren Aktivitäten vom „Lette-Verein“ finanziell unterstützt: „She had friends in the higher walks of life in Germany, notably among these was President Lette, whose aid assisted her materially in her early struggles.“ [Denton, 1959]. Ihrem Beispiel folgend absolvierten im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts einige weitere deutsche Frauen eine (kostenintensive) zahnärztliche Ausbildung in ausländischen Staaten – vor allem in den USA. Die Reaktionen innerhalb der deutschen Zahnärzteschaft blieben zwiespältig.

###more### ###title### Patientenbriefe der Ermutigung ###title### ###more###

Patientenbriefe der Ermutigung

In der zahnärztlichen Fachpresse finden sich in dieser Zeit zur „Frauenfrage“ positive, aber auch viele ablehnende und diskreditierende Kommentare. Bei den Patienten fielen die ersten Erfahrungen mit den im Ausland approbierten Zahnärztinnen offensichtlich ermutigend aus. Hirschfeld etwa fand auf Anhieb ein befriedigendes Einkommen. Eigenen Angaben zufolge erreichte sie eine spezielle Zielgruppe: „Fast die Hälfte meiner Patienten gehört unserer Aristokratie an, und zwei der Königlichen Prinzessinnen sind darunter [...] Die Zeitungen haben meine Geschichte über den Kontinent verbreitet, und aus allen Teilen des Landes erhalte ich Briefe des Dankes und der Ermutigung [...]

Die Mütter freuen sich, daß ich mich besonders der Kinder annehme, und sie vertrauen mir ihre Kleinen gern an“ [Hertelendy-Michel, 1965]. Dass sich die Patienten auch aus anderen gesellschaftlichen Gruppen rekrutierten, zeigte das Beispiel der Dänin Hedwig Strömgren, die um 1900 in Hamburg als Zahnärztin tätig war. Sie führte aus: „Als ich in Deutschland zu praktizieren begann, war es noch nicht üblich, daß eine sogenannte ‚feine‘ Dame einen Beruf ausübte und Geld verdiente. Es gab viele, die sich darüber wunderten, daß ich als Zahnärztin tätig war. Dennoch hatte ich erstaunlich schnell eine sehr gute Praxis, und zwar gehörten die meisten meiner Patienten der Universität oder der Marine an“ [Strömgen, 1959].

Die Zulassung als Gasthörerin

Eine merkliche gesellschaftliche Aufwertung erfuhr die Gruppe der Zahnbehandlerinnen jedoch erst mit der Zulassung von Frauen zu den deutschen Universitäten [Groß, 1994]. 1894 nahmen die ersten deutschen Hochschulen Frauen im Fach Zahnheilkunde auf; allerdings waren jene zunächst lediglich als Gasthörerinnen zugelassen. Voraussetzung war zudem die Erlaubnis des Dozenten. Zahnärztlicherseits nahm man die neue Entwicklung zunächst gelassen auf. Das änderte sich schlagartig, als die studierwilligen Frauen ausgerechnet von deutschen Ärzten Schützenhilfe erhielten: 1898 konstatierte nämlich ein Referent auf dem Deutschen Ärztetag in Wiesbaden, Frauen eigneten sich zu keinem Studium so wenig wie zum medizinischen.

Der Regierungsvertreter Kirchner spann diesen Gedanken weiter und kam zu dem Ergebnis, „daß, wenn Frauen zum Studium der Medizin nicht zugelassen werden, es damit nicht ausgeschlossen sei, daß ihnen das Studium der Pharmazie und Zahnheilkunde freigegeben werde; zumal diese als Spezialfach der Medizin von den Ärzten noch nicht allgemein anerkannt wird und in der Versammlung behauptet wurde, die ‚Zahntechnik‘ könne die Frau sich weit eher aneignen“. Die deutsche Zahnärzteschaft ärgerte sich über den Vorstoß der Ärzteschaft und wies die Stellungnahme Kirchners empört zurück: „Der Vereinsbund Deutscher Zahnärzte, der die Zahnärzte allein für berechtigt hält, in dieser Frage zu entscheiden, hält die vom Ärztetag in Wiesbaden empfohlene Zulassung der Frauen zum Studium der Zahnheilkunde zur Zeit für unzweckmäßig, weil dadurch die in vollem Gange befindlichen Reformbestrebungen im zahnärztlichen Stande empfindlich gestört werden könnten. Die Resolution ist in der Tagespresse zu veröffentlichen [Seefeldt, 1937].“

###more### ###title### Endlich ordentlich immatrikuliert ###title### ###more###

Endlich ordentlich immatrikuliert

Desungeachtet verfügte ein Bundesratsbeschluss 1899 die Übernahme der registrierten Hospitantinnen in den Status von ordentlich Immatrikulierten bei gleichzeitiger Anerkennung der bis dahin absolvierten Studienleistungen. Im gleichen Jahr wurde in der deutschen Prüfungsordnung für Ärzte, Zahnärzte und Apotheker verbindlich festgelegt, dass Frauen der Zugang zu den drei genannten Berufen zu gewähren sei. Als erster Staat begann Baden 1900 mit der Ausbildung von Zahnärztinnen. Frauen, die ein anerkanntes Reifezeugnis nachweisen konnten, waren fortan in Freiburg und Karlsruhe regulär zum Studium zugelassen.

In den nachfolgenden Jahren wurden an den übrigen deutschen Hochschulen ähnliche Bestimmungen in Kraft gesetzt; als letzte folgten die preußischen Universitäten im Jahr 1908. Zur Vermeidung von Härten wurden übergangsweise auch diejenigen Frauen zum Studium zugelassen, die bereits zuvor als Hospitantinnen registriert worden waren, aber eigentlich nicht die notwendige schulische Vorbildung – seit 1909 war das Studium der Zahnheilkunde an den Nachweis des Abitur gebunden – mitbrachten [Groß, 1994].

###more### ###title### Noch ist die Hegemonie des Zahnarztes intakt ###title### ###more###

Noch ist die Hegemonie des Zahnarztes intakt

1904 beantragte erstmals eine Zahnärztin die Aufnahme in den Central-Verein deutscher Zahnärzte. Das Gesuch führte nach einigen Diskussionen zu einem Vereinsbeschluss, der sich für die Gleichberechtigung von Zahnärztinnen und Zahnärzten aussprach. In praxi blieb das Selbstbild der deutschen Zahnärzte jedoch weitgehend männlich bestimmt. Beiträge von Zahnärztinnen in Fachjournalen sucht man in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts nahezu vergebens. Allenfalls kurze statistische Mitteilungen und einzelne Inserate lassen die Existenz weiblicher Zahnärzte erkennen. Anzeigen über den Verkauf sogenannter „Damen-Praxen“ sind ebenso Ausnahmen wie Kontaktanzeigen, in denen Zahnärzte „Fachgenossinnen“ kennenzulernen wünschen [Groß, 1994]. 1912 erschien in der „Deutschen zahnärztlichen Wochenschrift“ ein kritischer Artikel zur Ausstellung über „Die Frau in Haus und Beruf“.

Der Verfasser Junck würdigte hierin zunächst das „bekannte Organisationstalent“ der für die Darbietung verantwortlichen Zahnärztinnen, tadelte jedoch sogleich das Fehlen sichtbarer Leistungsnachweise im Bereich Zahnmedizin: „Etwas beschämt zog ich von dannen, immer wieder mich fragend, ob denn die deutsche Kollegin so tatenlos gewesen, so ohne Ehrgeiz und jede Energie ist, um ihrem Berufe nicht die gebührende Anerkennung zu verschaffen? Hat die deutsche Zahnärztin in den 12 Jahren ihres Bestehens so erfolglos sich betätigt, dass sie keine fortschrittlichen Leistungen aufzuweisen hat?“

Junck schließt mit dem Hinweis, nicht Schadenfreude oder Konkurrenzdenken gegenüber den Kolleginnen sei Anlass des Artikels, sondern die Besorgnis über die geringe Sichtbarkeit der fachlichen Erfolge. Der Beitrag Juncks blieb nicht unwidersprochen: Im Namen der Berliner Zahnärztinnen verwies Helene Freudenheim-Bloch im selben Organ auf die beschränkenden Vorgaben des Ausstellungsprogramms: „Wenn der Verfasser jenes Artikels diesen Satz der Programmschrift beachtet hätte, hätte er wohl seine Vorwürfe, die dadurch in nichts zusammenfallen, unterlassen“ [DZW, 1912].

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Bedingt anerkannt

Die geschilderten Auseinandersetzungen zeugen einerseits von einem ungebrochenen Misstrauen gegenüber den Kolleginnen, belegen darüber hinaus aber auch den zunehmenden Stellenwert der Frauenfrage im zahnärztlichen Beruf. Äußeres Zeichen dieser Entwicklung war eine langsame, aber doch merkliche Zunahme der Anzahl weiblicher Zahnärzte: Befand sich 1900/01 unter insgesamt 1.583 im Reichsgebiet registrierten Zahnärzten nur eine einzige Zahnärztin (0,06 Prozent), so waren 1927 340 der insgesamt 8.565 Zahnärzte weiblichen Geschlechts (4,07 Prozent). Dabei gelang es den Frauen, vornehmlich in Teilgebieten der Zahnmedizin Fuß zu fassen, so etwa in den Bereichen Kinderzahnheilkunde und Kieferorthopädie. Gerade an den aufkommenden Schulzahnkliniken waren die weiblichen Fachkräfte stark vertreten [Groß, 1994].

Gleichzeitig erschienen jedoch in der Fachpresse immer wieder Artikel, in denen Frauen von der zahnärztlichen Tätigkeit abgeraten wurde. Insbesondere vor den mangelnden Verdienstmöglichkeiten wurde gewarnt. Andererseits wurde konzediert, dass sich gewisse „Teilgebiete [...] für weibliche Hände“ besonders eigneten, wie etwa die Kinderbehandlung und ästhetisch motivierte Arbeiten: Am „unerläßlichen Farbensinn und Schönheitsgefühl wird es der Frau meist nicht fehlen“. Die „sanftere Handhabung des Instrumentes, ein vielleicht sichtbareres Mitgefühl und milderer Zuspruch den kindlichen Patienten“ gegenüber rechtfertige den Einsatz von Zahnärztinnen in Schulzahnkliniken.

Die Stoßrichtung dieser Ausführungen war klar: Indem man die Qualifikation der Frau für Teilgebiete der Zahnheilkunde betonte, wurden implizit Zweifel an der Gesamtqualifikation der Fachvertreterinnen aufrechterhalten [Groß, 1994]. Bemerkenswerterweise erschien 1920 in der Zahnärztlichen Rundschau ein Artikel eines Zahnarztes über „Die zahnärztliche Schwester“. Der Verfasser – Leiter einer Schulzahnklinik – schlug hierin die Einstellung weiblicher Hilfskräfte vor. Angesichts der Tatsache, dass bereits 20 Jahre zuvor das Frauenstudium eingeführt wurde, muss die Argumentation des Autors überraschen: „Dem weiblichen Geschlecht [...] wäre ein neuer Wirkungskreis erschlossen, der sozial durchaus ‚auf der Höhe‘ stände. Und wie mancher jungen Offizierswitwe zum Beispiel [...], wie mancher Waise aus ‚besserem Hause‘ wäre mit einem solchen Berufe geholfen [ZR, 1920].“

Im Übrigen betonte auch der badische Kultusminister 1914, dass das Studium der Frauen in der Regel mit einer Enttäuschung ende, insbesondere, wenn jene Studentinnen nur über begrenzte Vermögenswerte verfügten. Tatsächlich nahm die Zahl der Studentinnen der Zahnheilkunde in den Kriegsjahren entgegen allen Warnungen deutlich zu. Nach Kriegsende wurde jedoch die Zulassung von Studentinnen vorübergehend eingeschränkt. Die Gründe hierfür waren in der Überfüllung der Hörsäle durch Kriegsheimkehrer, aber auch in der wirtschaftlichen Notsituation zu sehen [Groß, 1994].

Insgesamt stieg der Anteil der Zahnärztinnen in den folgenden Jahrzehnten nur sehr langsam an; dies galt für die Zeitphase der Weimarer Republik und das „Dritte Reich“ ebenso wie für die junge Bundesrepublik Deutschland. So lag der Prozentsatz der Frauen innerhalb der bundesdeutschen Zahnärzteschaft noch im Jahr 1956 bei lediglich 13,3 – das Berufsbild des Zahnarztes blieb dementsprechend klar männlich dominiert. Auch gut drei Jahrzehnte später – im Jahr 1988 – waren immer noch mehr als drei Viertel aller bundesdeutschen Zahnärzte männlichen Geschlechts (75,4 Prozent). Auch wissenschaftliche Karrieren standen Frauen weiterhin nur in Ausnahmefällen offen: Noch 1988 betrug der Anteil der männlichen Lehrstuhlinhaber in der Zahnheilkunde 92,7 Prozent. Allein im Fach Kieferorthopädie waren zu diesem Zeitpunkt Frauen in einem höheren Maß in Leitungsfunktionen nachweisbar [Groß/Schäfer, 2011].

###more### ###title### Die Wiedervereinigung verändert den Frauenanteil ###title### ###more###

Die Wiedervereinigung verändert den Frauenanteil

Sehr viel höher lag der Frauenanteil traditionell unter den Zahnärzten in der DDR – ein Faktum, das sich im Zuge der Wiedervereinigung dann auch auf das gesamtdeutsche Berufsbild auswirken sollte: Waren etwa noch 1988 in der Bundesrepublik lediglich 12.687 Zahnärztinnen registriert, so verdoppelte sich ihre Zahl unter Einbezug der Zahnärzte der ehemaligen DDR bis 1992 auf 23.676 – was nunmehr einem Anteil von 33,1 Prozent an der Gesamtzahl der deutschen Zahnärzte entsprach [Groß/Schäfer, 2011].

Aber auch bei den Studienanfängern zeigte sich nach 1990 eine deutliche Trendwende: 1992 betrug der Frauenanteil unter den Studienanfängern im vereinigten Deutschland bereits 47,8 Prozent, und innerhalb von zehn Jahren nahm ihre Quote sukzessive bis auf 62,6 Prozent (2002) zu. Mit der entsprechenden Zeitverzögerung von fünf bis zehn Jahren stieg auch der Anteil der Absolventinnen deutlich an: 1992 lag der Frauenanteil im Fach Zahnmedizin unter den Examinierten bei 32,5 Prozent, zehn Jahre später betrug er bereits 54,5 Prozent.

Auch der Anteil der Frauen an den zahnärztlich Promovierten nahm seit der Wiedervereinigung kontinuierlich zu: Betrug die Quote 1992 lediglich 26,4 Prozent, so waren 2002 bereits 45,6 Prozent aller zahnärztlich Promovierten weiblich. 2004 promovierten dann mit 50,2 Prozent erstmals mehr Zahnärztinnen (n = 509) als Zahnärzte (n = 504) [Groß/Schäfer, 2011]. Allerdings dominierten (und dominieren) die männlichen Kollegen weiterhin unter den zahnärztlichen Habilitanden und den Professoren wie auch in hohen berufs- und wissenschaftspolitischen Ämtern – ein Sachverhalt, für den verschiedenste Erklärungsansätze geltend gemacht werden [Dohlus, 2007, Groß/Schäfer, 2009, Groß/Schäfer, 2011].

###more### ###title### Die Frauen sind in der Mehrheit ###title### ###more###

Die Frauen sind in der Mehrheit

Der skizzierte Trend hin zu einem höheren Frauenanteil unter den Zahnärzten ist im Übrigen bis heute ungebrochen: Von 15.020 im Wintersemester 2014/15 an deutschen Universitäten für das Fach Zahnheilkunde eingeschriebenen Studierenden waren 9.546 bzw. 63,6 Prozent weiblichen Geschlechts [Statistisches Bundesamt 2015], und auch unter den in Deutschland registrierten Zahnärzten steigt der Anteil der Frauen sukzessive an. 2014 waren bereits 43,7 Prozent aller insgesamt 91.333 registrierten Zahnbehandler weiblich [Informationssystem, 2015], und in wenigen Jahren werden die Frauen unter den Zahnbehandlern die Mehrheit stellen.

Für die Zahnärzte an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war eine solche Entwicklung geradezu undenkbar. Noch 1895 hatte ein Zahnarzt namens Lewinsky im „Zahnärztlichen Vereinsblatt“, dem offiziellen Presseorgan des „Vereinsbundes Deutscher Zahnärzte“, festgestellt: „Vor einiger Zeit ging durch die Tageszeitungen eine kurze Notiz, es solle beabsichtigt werden, den Frauen die ‚Zulassung zum zahnärztlichen Staatsexamen‘ zu gewähren. Die meisten Kollegen werden diese Mitteilung wohl mit einem leichten Lächeln oder mit einem ironischen Ausruf wie: ‚Na, das kann ja schön werden‘ u. dgl. gelesen und darüber nicht weiter nachgedacht haben“ [Lewinsky, 1895]. Besagte Sichtweise gehört fraglos zu den größten Fehleinschät zungen in der Geschichte der zahnärztlichen Berufsgruppe.

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Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. phil. Dominik Groß

Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin

Medizinische Fakultät und

Universitätsklinik der RWTH Aachen

dgross@ukaachen.de

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