Integration von Flüchtlingen

Praxis mit Patenschaft

Helfen heißt tun - wie das im Berufsstand umgesetzt werden kann, zeigt der Leipziger Zahnarzt Udo J. Wybories, der seinerzeit selbst aus der DDR geflüchtet ist. In seiner Praxis lernen momentan der syrische Zahnarzt Mousa Hasan und der Afghane Habibullah Ahmadi den Alltag einer deutschen Zahnarztpraxis kennen. Wir haben mit allen dreien über Integration, Sprachbarrieren und ihre Berufswünsche gesprochen.

Der deutsche Zahnarzt: "Auch ich habe mal bei null angefangen".

Herr Wybories, wie haben Sie und der syrische Zahnarzt Mousa Hasan zueinander gefunden?Die Leipziger Volkszeitung hatte im Frühjahr 2014 einen Aufruf gemacht, Patenschaften für Flüchtlinge zu übernehmen. Ich habe mich beim Flüchtlingsrat in Leipzig gemeldet und eine Patenschaft für einen Flüchtling übernommen. Im Rahmen der Betreuung habe ich Mousa Hasan kennengelernt. In einem Leipziger Flüchtlingsheim habe ich später improvisierte Deutschkurse gegeben, an denen Mousa auch teilgenommen hat. Es ergab sich, dass er in meine Praxis gekommen ist, um zu sehen, wie es in einer deutschen Zahnarztpraxis zugeht.

Seit wann bieten Sie Flüchtlingen die Chance an, in Ihrer Praxis zu hospitieren?Seitdem ich die Patenschaft für Flüchtlinge übernommen habe, schlage ich – bei Interesse – eine Hospitation vor.

Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit Ihrem syrischen Kollegen gemacht?Nur gute! Mousa hat eine sehr gute Ausbildung in Kiew gehabt, wo er auch seinen Abschluss gemacht hat. Danach hat er zwei Jahre in einer eigenen Praxis in Syrien gearbeitet, bis die Bomben seine Praxis zerstörten.

Seit wann hospitiert Herr Hasan in Ihrer Praxis?Seit Dezember 2014 hospitiert er bei mir. Seit dem 1. März hat er einen Arbeitsvertrag von mir bekommen und arbeitet nun stundenweise als Zahnarzt. Ende Mai möchten wir uns noch einmal beraten, wie es weitergehen soll.

Wie schätzen Sie die fachliche Qualität Ihres syrischen Kollegen ein?Sein Studium in der Ukraine war – meines Erachten – sehr gut. Es steht dem Zahnmedizinstudium in Deutschland in nichts nach. Er ist fachlich sehr kompetent.

Wie stehen Herrn Hasans Chancen, als anerkannter Zahnarzt in Deutschland Fuß zu fassen?Seine Chancen in Deutschland als Zahnarzt zu arbeiten, schätze ich als sehr gut ein. Er ist ein engagierter junger Zahnarzt. Mousa möchte noch ein Studium der Oralchirurgie mit Schwerpunkt Implantologie machen. Dafür hat er sich deutschlandweit beworben.

Wenn er einen Studienplatz bekommt, wird er Leipzig verlassen. Sollte das nicht der Fall sein, möchte er als niedergelassener Zahnarzt arbeiten.

Inwieweit schlüpfen Sie in die Rolle eines Mentors/Begleiters für Ihren syrischen Kollegen?Indem ich ihm erkläre, wie die zahnmedizinische Betreuung in Deutschland funktioniert. Angefangen bei der Patientendokumentation bis hin zum Abrechnungswesen. Aber auch in privaten Fragen stehe ich ihm zur Seite, wie zum Beispiel bei bürokratischen Angelegenheiten.

Was motiviert Sie sich für die Integration von Flüchtlingen zu engagieren?Meine eigene Geschichte: Mein Vater war Kriegsflüchtling. Ich selbst bin aus der ehemaligen DDR unter sehr gefährlichen Umständen in den Westen geflüchtet. Genau wie Mousa habe auch ich bei null angefangen. Für mich war auch alles fremd, ich kannte niemanden, wurde aber sehr nett in Freiburg aufgenommen. Mir wurde damals auch die Chance gegeben, zu hospitieren.

In Ihrer Praxis werden nun mehrere Sprachen gesprochen. Welche sind das und was ist Ihrer Meinung nach der größte Vorteil daran?Ich spreche deutsch, spanisch und englisch. Mousa Hasan spricht kurdisch, arabisch und russisch und der Hospitant Habibullah Ahmade spricht afghanisch. Der größte Vorteil ist, dass wir keine Sprachbarrieren haben. Syrische Flüchtlinge werden von meinem Kollegen Mousa behandelt und Habibullah dolmetscht vom Afghanischen ins Deutsche.

Wie sieht die Begleitung nach Herrn Hasans Zeit in Ihrer Praxis aus? Welche Pläne gibt es?Irgendwann wird er sich so gut integriert haben, dass er meine Hilfe nicht mehr benötigt. Es wird jedoch neue Flüchtlinge geben, die meine Hilfe brauchen können und die werde ich dann gern wieder unterstützen.

Welche Ratschläge geben Sie Herrn Hasan für seine Arbeit als Zahnarzt in Deutschland mit auf den Weg?Wichtig ist, dass er seine Kompetenzen in Verwaltungsangelegenheiten ausbaut. Spätestens wenn er sich mit einer eigenen Praxis niederlässt, sollte er sich einen guten Überblick erarbeitet haben.

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Der syrische Kollege: "Zahnmedizinisch neu war für mich nichts"

Herr Hasan, Ihre beiden Praxen in Syrien wurden im Bombenhagel zerstört. Sie flüchteten nach Deutschland. Mittlerweile hospitieren Sie in der Zahnarztpraxis von Udo J. Wybories. Welche Unterschiede zwischen der zahnärztlichen Tätigkeit in Syrien und der in Deutschland haben Sie festgestellt?In Syrien gibt es keinen Versicherungsschutz für Patienten. Für sämtliche Leistungen müssen Patienten selbst aufkommen. Auch eine Patientendokumentationspflicht gibt es in meinem Heimatland nicht: Patienten kommen in die Praxis, werden zahnmedizinisch versorgt und zahlen anschließend die Behandlungskosten. Ein weiterer Unterschied ist, dass es in einer syrischen Zahnarztpraxis meist nur einen Zahnarzt, einen Behandlungsstuhl und eine Zahnmedizinische Fachangestellte gibt.

Haben Sie eine zahnmedizinische Spezialisierung? Wenn ja, in welcher Disziplin?Nein, bisher nicht. Ich möchte in Deutschland gern eine Weiterbildung zum Oralchirurgen machen. Als Disziplin interessiert mich besonders die Implantologie.

Sie haben bereits eine Approbation und arbeiten stundenweise in der Praxis von Herrn Wybories. Was sind Ihre konkreten Tätigkeiten?Ich behandle vor allem syrische Flüchtlinge, weil viele von ihnen Patienten in der Praxis von Herrn Wybories sind. Aber auch deutsche Patienten versorge ich. So kann ich mein Deutsch verbessern. Wurzelbehandlungen gehören zu meinen Lieblingstätigkeiten in der Zahnmedizin.

Wie schwer war die Sprachprüfung für Sie?Die Sprachprüfungen habe ich bereits gemeistert. Ein Grund dafür ist, dass ich täglich in der Praxis von Herrn Wybories hospitiert habe, um viel deutsch zu sprechen. Ich habe ein Jahr in der Zahnarztpraxis hospitiert und deshalb die Approbation erhalten.

Welche Behandlungsformen sind neu für Sie?Neu war für mich nichts.

Wie geht es nach der Zeit in der Praxis hier für Sie weiter? Was haben Sie sich vorgenommen?Mit einem Studium der Oralchirurgie könnte ich meine beruflichen Pläne verwirklichen.

Bis Sie in Deutschland als anerkannter Zahnarzt arbeiten können wird sicherlich noch einige Zeit vergehen. Welche Vorstellung haben Sie, wie Sie das am liebsten tun würden – niedergelassen oder als angestellter Zahnarzt?Nach dem Studium würde ich mich sehr gern als Implantologe niederlassen

Können Sie sich vorstellen, zurück in Ihre Heimat zu gehen, um Ihre Praxen wieder aufzubauen?Nein, weil eine Niederlassung in Deutschland bereits mit finanziellen Belastungen verbunden ist. Das möchte ich in Syrien nicht ein weiteres Mal. Außerdem wäre ich dann auch schon zu alt.

###more### ###title### Der afghanische Patenflüchtling: "Leider kan ich kein ZFA werden." ###title### ###more###

Der afghanische Patenflüchtling: "Leider kan ich kein ZFA werden."

Herr Ahmadi, Sie möchten Zahnmedizinischer Fachangestellter (ZFA) werden. Warum?Durch meine Hospitation in der Zahnarztpraxis – seit Oktober 2015 – habe ich Gefallen am Beruf des Zahnarzthelfers gefunden. Leider habe ich keinen Schulabschluss in Afghanistan machen können. Deshalb wird diese Ausbildung für mich nicht möglich sein. Aber trotzdem lerne ich hier viele Dinge und mir wird vom gesamten Praxisteam geholfen. Und das Beste ist: Meine Deutschkenntnisse verbessern sich zunehmend durch diesen Kontakt.

Wie haben Sie und Herr Wybories zueinander gefunden?Wir haben uns über das Patenschaftsprojekt des Flüchtlingsrates in Leipzig kennengelernt.

In der Praxis von Herrn Wybories sind Sie als Dolmetscher eine große Hilfe. Welche Aufgaben haben Sie außerdem?Bisher war das meine Hauptaufgabe, weil viele Patienten aus Afghanistan in die Zahnarztpraxis kommen. Seit dem 6. April habe ich eine Aufenthaltserstattung sowie eine Arbeitserlaubnis für 2016. Ab dem 1. Mai werde ich offiziell als Hilfskraft bei Herrn Wybories angestellt. 

Welche Unterschiede, welche Gemeinsamkeiten sind Ihnen zwischen dem afghanischen und dem deutschen Praxisgeschehen aufgefallen?In Afghanistan habe ich noch nie eine Zahnarztpraxis besucht. Ich habe zum Glück gesunde Zähne.

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