Volker Looman

Ein Haus, ein Sohn, ein Baum

Ein Mann sollte – so will es die Tradition – im Leben drei Dinge tun: ein Haus bauen, einen Sohn zeugen und einen Baum pflanzen. Ich weiß nicht, ob das Haus zum Glück nötig ist, doch wer glaubt, eine Villa bauen zu müssen, dem sei gesagt, dass es um mehr als nur um das Eigenheim geht. Gefragt ist die Kunst, in einem Arbeitsleben, das ungefähr 40 Jahre dauert, mit Geld so geschickt umzugehen, dass Leben, Vorsorge und Wohnen im richtigen Maß zueinander stehen. Das ist zwar ein alter Hut, doch wenn ich sehe, wie junge Akademiker, auch Zahnärzte, mit Geld umgehen, habe ich meine Zweifel, ob sie wirklich verstanden haben, worum es geht.

Bitte legen Sie ein Blatt quer auf den Tisch, nehmen Sie einen Bleistift und zeichnen Sie eine lange Gerade auf das Papier. Das ist Ihr persönliches Arbeitsleben. Teilen Sie diese Gerade mithilfe von sechs Marken in fünf Abschnitte. Links steht der 27. Geburtstag, rechts das 67. Lebensjahr.

Dazwischen liegen fünf Phasen mit einer Spanne von jeweils acht Jahren. Nun tragen Sie in jeden Abschnitt das monatliche Nettoeinkommen ein. Mir ist klar, dass das nicht leicht ist, doch ich bitte Sie, es trotzdem zu tun, weil ich Ihnen ein Problem bewusst machen will.

Wenn Sie gar keine Vorstellung haben, wie viel Sie verdienen (könnten), dann schlage ich vor, dass Sie als fleißiger Medicus mit 3.000 Euro beginnen und nach der ersten Phase monatlich 5.000 Euro nach Hause  bringen. Einverstanden? Dann wollen wir mal sehen, was ab dem 35. Lebensjahr passieren wird, wenn Sie zuvor einen Sohn und eine Tochter oder Drillinge gezeugt haben.

Ich gehe davon aus, dass Ihre liebe Frau – wenn Sie eine Frau sind, natürlich Ihr werter Mann – im zweiten Abschnitt ihren beziehungsweise seinen Wunsch nach einem Haus anmelden wird. Ihre zwei oder drei Kinder werden sich in Ihrer fünften Phase mit dem Wunsch nach einer standesgemäßen Ausbildung bemerkbar machen. Folglich stehen Sie ab dem zweiten Abschnitt vor zwei Herkulesaufgaben. Das ist auf der einen Seite die Finanzierung des Eigenheims, und das ist auf der anderen Seite der Aufbau des freien Vermögens, weil Sie mit der Rente aus dem Versorgungswerk wahrscheinlich nicht über die Runden kommen werden.

Sind die Folgen schon erkennbar? Sie „müssen“ nicht nur ein Haus errichten, sondern weiteres Vermögen aufbauen. Ich halte das zweite Projekt sogar für wichtiger. Das Eigenheim ist eine Geschichte auf Zeit. Es ist eine feine Sache, solange die Kinder in diesem Haus leben. Wenn der Nachwuchs aber flügge geworden ist, wird das Haus an Bedeutung verlieren. Dann rückt das freie Vermögen in den Mittelpunkt, weil die Zusatzrente entscheiden wird, wie Sie Ihren Ruhestand genießen können – oder eben auch nicht, weil kein oder wenig Geld vorhanden ist.

Wenn die Zahlen stimmen, die Sie sich aufgeschrieben haben, werden ab der zweiten Phase insgesamt 32 Jahre monatliche Nettogehälter von 5.000 Euro zur Verfügung stehen. Werden davon für den Konsum jeweils 50 Prozent abgezogen, bleibt für Haus und Rente eine Zahlungsreihe von 384 mal 2.500 Euro übrig. Damit haben Sie in meinen Augen zwei Möglichkeiten. Das eine Modell ist die dauerhafte Aufteilung der Monatsraten. 80 Prozent jeder Rate werden in das Eigenheim gesteckt, 20 Prozent jeder Rate fließen in die Altervorsorge. Das andere Modell ist die Aufteilung der 32 Jahre in zwei Zeitblöcke. Zuerst wird das Haus bezahlt, danach wird das freie Vermögen aufgebaut.

Die erste Lösung führt zu zwei Zahlungsreihen: 384 Raten à 2.000 Euro fürs Haus und 384 Raten à 500 Euro für die Altersvorsorge. Mit dem ersten Zahlungsstrom lassen sich etwa 493.000 Euro tilgen, wenn der Kredit dauerhaft drei Prozent kostet. Hinzu kommt das Geld, das in der ersten Phase angespart worden ist. Wenn in dieser Zeit etwa 100.000 Euro zusammengekommen sind, kann das Haus aber keine 593.000 Euro kosten. Sie müssen für die Nebenkosten mindestens zehn Prozent abziehen, so dass das Ende der Fahnenstange bei 539.000 Euro erreicht ist.

Die 384 Raten von jeweils 500 Euro gehen in den Topf für die Altersvorsorge. Hier winken bei „risikoarmen“ Anlagen wie Anleihen und Kapitalversicherungen vielleicht 2,5 Prozent, bei „risikoreichen“ Anlagen wie Aktien vielleicht fünf Prozent. Diese führen zu Endguthaben von 294.000 und 472.000 Euro. Im zweiten Modell beträgt der Kredit ebenfalls 493.000 Euro. Er wird aber durch die „volle“ Rate von 2.500 Euro nach 22,75 Jahren getilgt sein. Die Endvermögen der folgenden Sparverträge mit Laufzeiten von jeweils 9,25 Jahren liegen bei 312.000 und 352.000 Euro.

Daraus ergibt sich die für Sie (bittere?) Konsequenz, nicht die Kirche, sondern das Eigenheim im Dorf stehen lassen zu müssen. Wenn mehr Kredit aufgenommen wird, weil das Haus teurer ist, bringen Sie sich um Kopf und Kragen. Die Gestaltung der Finanzierung hängt von Ihrem persönlichen Nervenkostüm ab. Falls Sie wirklich Aktien lieben, sollten Sie mit der Anlage sofort beginnen, weil die Renditen über den Kreditkosten liegen und zu einem Mehrwert von 120.000 Euro führen. Wenn aber die Sicherheit im Vordergrund steht, sollten Sie das zweite Modell bevorzugen. Tilgen Sie zuerst die Hausschulden und legen Sie den Aufbau der Zusatzrente in die Schlussphase des Berufslebens, weil die Sollzinsen des Kredits höher als die Habenzinsen der Geldanlagen sind.

Kolumnen entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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