Repetitorium: Kopf-Hals-Tumore

Entscheidend ist die frühe Diagnose

Bei nicht schmerzhaften Veränderungen der Schleimhaut im Mund oder im Rachen, aber auch bei schmerzhaften Schwellungen und anhaltenden Ulzerationen oder bei einem Fremdkörpergefühl im Hals, bei Heiserkeit oder Schluckstörungen muss ein Tumor als Ursache erwogen werden – hier ist auch der Zahnarzt gefordert. Die Behandlung mit Radiatio führt posttherapeutisch häufig zu pathologischen Veränderungen der normalen oralen Flora.

Zu den Kopf-Hals-Tumoren zählt eine ganze Reihe verschiedener Tumore wie die Karzinome der Mundhöhle, die Karzinome des Kehlkopfes sowie die Tumore der Speicheldrüsen. Auch auf andere Kopf-Hals-Tumore sollte der Zahnarzt ein Auge haben, beispielsweise auf Tumore im Bereich der Nase, der Nasennebenhöhlen und des äußeren Halses wie etwa ein Schilddrüsenkarzinom.

Epidemiologie

Konkrete Zahlen zur Inzidenz und zur Prävalenz der Kopf-Hals-Tumore fehlen bislang. Weltweit gelten sie als die sechsthäufigsten Malignome. In Deutschland liegt die Häufigkeit Schätzungen zufolge bei jährlich 50 Fällen pro 100.000 Einwohner. In aller Regel handelt es sich dabei um Plattenepithelkarzinome. Eher selten liegt – wie etwa bei den Speicheldrüsenkarzinomen – ein Adenokarzinom vor.

Frauen sind insgesamt deutlich seltener betroffen als Männer, bei denen diese Tumore hinsichtlich der Häufigkeit sogar an fünfter Stelle aller Krebserkrankungen stehen. Ein Anstieg der Inzidenz von Kopf-Hals-Tumoren wird vor allem bei älteren Menschen und bei jungen Frauen gesehen.

Mundhöhlenkarzinom

: Von besonderem Interesse für den Zahnarzt sind die Tumore in Mundhöhle und Rachen, die etwa fünf Prozent der malignen Tumore ausmachen. Die Malignome können an der Innenwange, am retromolaren Dreieck, am Alveolarfortsatz, am harten Gaumen und an der Vorderfläche des weichen Gaumens entstehen, an der vorderen Zunge, am Mundboden, am Vestibulum und am nicht keratinisierten Lippenrot.

Nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts (RKI) erkranken jährlich hierzulande rund 9.900 Männer und 3.900 Frauen. Das mittlere Erkrankungsalter beträgt beim Mann 61, bei der Frau 65 Jahre. Dabei sind die Erkrankungs- und Sterberaten seit der Jahrtausendwende bei Männern rückläufig, während bei Frauen weiterhin ein leichter Anstieg zu verzeichnen ist.

Aus den USA wird hingegen eine generell zunehmende Inzidenz beim Mund-Rachen-Krebs (Oropharyngealkarzinom) gemeldet bei zugleich jedoch vergleichsweise guter Prognose. Die Daten stammen aus einem großen amerikanischen Krebsregister und zeigen einen Anstieg der Häufigkeit von Mund-Rachen-Krebs von 1975 bis 2012 um fast 63 Prozent. Besonders stark war der Anstieg bei Männern, Weißen und jüngeren Personen. Gleichzeitig besserte sich die 5-Jahres-Überlebensrate bei Männern wie Frauen und vor allem bei Patienten jenseits des 30. Lebensjahres. 

Kehlkopfkarzinom

: Vergleichsweise häufig ist mit einer Neuerkrankungsrate von 3.300 bei Männern und 600 Fällen bei Frauen pro Jahr der Kehlkopfkrebs. Er ist mit 30 bis 40 Prozent das häufigste Kopf-Hals-Karzinom. Männer sind auch bei diesem Tumor sehr viel häufiger betroffen als Frauen, bei denen die Inzidenz allerdings zunimmt, was auf das veränderte Rauchverhalten zurückzuführen sein dürfte. Kehlkopfkarzinome lassen sich entsprechend ihrer Lage zu den Stimmlippen unterteilen in supraglottische, glottische und subglottische Karzinome. Dabei entstehen 60 bis 70 Prozent der Tumore im Stimmbandbereich und 30 bis 40 Prozent im supraglottischen Bereich, während die rein subglottischen Tumore vergleichsweise selten sind. Vor allem die glottischen Karzinome führen meist schon im Frühstadium zu Heiserkeit, was die Chancen der Früherkennung erhöht. Die Prognose früh erkannter Kehlkopfkarzinome ist sehr gut. Hat der Tumor die Organgrenzen jedoch bereits verlassen oder ist schon metastasiert, sind die Chancen einer vollständigen Heilung zwangsläufig schlechter.

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Risikofaktoren

Zu den bedeutsamsten Risikofaktoren für die Entwicklung von Tumoren im Kopf-Hals-Bereich gehören das Rauchen sowie ein hoher Konsum von vor allem hochprozentigem Alkohol. Das gilt sowohl für Tumore der Mundhöhle wie für den Kehlkopfkrebs, wobei der Kehlkopfkrebs eher mit dem Tabakkonsum und Tumore in der Mundhöhle und im Rachen eher mit einem hohen Alkoholkonsum sowie der Kombination von Rauchen und Alkohol assoziiert sind.

Neben dem Konsum von Tabak oder Alkohol kann laut Angaben in den Leitlinien zum Mundhöhlenkarzinom auch eine einseitige Ernährung, etwa ein übermäßiger Konsum von Fleisch oder gebratenem Essen, die Gefahr einer Karzinomentstehung in der Mundhöhle erhöhen. Umgekehrt konnte gezeigt werden, dass bei einer ausgewogenen mediterranen Ernährung das Risiko für eine Karzinomentwicklung in der Mundhöhle, adjustiert nach Nikotinkonsum und BMI, mehr als halbiert wird, heißt es weiter. Die protektiven Schlüsselelemente der mediterranen Ernährung sind demnach Zitrusfrüchte, Gemüse und insbesondere frische Tomaten, Olivenöl und Fischöle. Eine Erhöhung der Aufnahme vielfach ungesättigter Fettsäuren reduziert laut Leitlinie ebenfalls das Risiko eines Mundhöhlenkarzinoms.

Zu den weiteren Risikofaktoren gehören nach Angaben der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) virale Infektionen und insbesondere Infektionen mit humanen Papillomviren (HPV). Dabei ist zurzeit vor allem bei jüngeren Menschen eine zunehmende HPV-bedingte Rachenkrebs-Inzidenz zu verzeichnen. Als Grund hierfür nennt die DKG die weltweit zunehmende Infektionsrate mit dem humanen Papillomvirus Typ 16 (HPV 16).

Bei einzelnen Krebsarten kommen zudem spezielle Risikofaktoren zum Tragen wie etwa eine schlechte Mundhygiene und scharfe Zahnkanten (wie überstehende Restaurationen) beim Mundhöhlenkarzinom, eine Strahlenexposition beim Schilddrüsen- und Speicheldrüsenkrebs sowie eine Epstein-Barr-Virus-Infektion bei entsprechender genetischer Disposition bei Nasen-Rachen-Krebs.

Mit einem erhöhten Risiko behaftet ist außerdem der berufliche Umgang mit bestimmten Schadstoffen wie Asbest, chrom- und nickelhaltigen Farben und Lacken sowie mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen. Eine wesentlich geringere Rolle spielen dagegen die UV- und die radioaktive Strahlung sowie ein eingeschränktes Immunsystem zum Beispiel nach einer Organ- oder Knochenmarktransplantation und chronische Verletzungen der Schleimhaut.

###more### ###title### Symptome ###title### ###more###

Symptome

Die Symptome der Kopf-Hals-Tumore sind direkt abhängig von der Lokalisation. Zum Beispiel zeigen sich bösartige Veränderungen in der Mundhöhle häufig über nicht schmerzhafte Verfärbungen der Schleimhaut. Verdächtig im Hinblick auf ein Plattenepithelkarzinom ist laut Leitlinie jegliche Veränderung der Mundschleimhaut mit Gewebeüberschuss und/oder Gewebedefekt sowie eine Verhärtung der Schleimhaut. Typisch ist ein zentrales Ulkus mit peripherem Randwall und weißlichen (leukoplakischen) Auflagerungen infolge einer Verhornung (Keratinisierung), die jedoch auch vollständig fehlen kann.

Im Frühstadium fallen vor allem eine knötchenförmige Epithelverdickung oder ein flacher Oberflächendefekt auf. Bei fortschreitendem Tumor zeigt sich eine flächige Ausbreitung oder auch ein zapfenförmiges Wachstum in die Tiefe. Bereits initial kann – entsprechend den Angaben in der Leitlinie – eine Zahnlockerung oder auch eine Lymphknotenschwellung am Hals vorliegen, die mit entzündlichen Erkrankungen, etwa einer Parodontitis oder einer Lymphadenitis, verwechselt werden kann. Ein weiter fortschreitendes Tumorwachstum führt schließlich zu funktionellen Beeinträchtigungen, wie einer Mundöffnungsbehinderung und Schwierigkeiten beim Schlucken, Kauen oder Sprechen, sowie zu Ernährungsstörungen und eventuell sogar zum Einbruch in den Kieferknochen mit Fraktur oder zum Durchbruch zur äußeren Haut. Zugleich entwickeln sich starke, auch in die gesamte Kopf- und Nackenregion ausstrahlende Schmerzen.

Bei Zungen- oder Rachentumoren klagen die Patienten oft zunächst über Schluckbeschwerden. Schmerzhafte Schwellungen können dagegen auf Tumore der Speicheldrüsen hinweisen. Fällt dagegen im Gespräch mit dem Patienten eine Heiserkeit auf oder ein chronischer Räusperzwang, so ist unter anderem an einen Kehlkopfkrebs zu denken. Dieser kann sich zudem mit einem chronischen Husten bemerkbar machen, mit einem stetigen Kratzen und/oder einem Fremdkörpergefühl im Hals, mit Schluckstörungen und mit anhaltenden Halsschmerzen.

###more### ###title### Behandlung ###title### ###more###

Behandlung

Die Behandlung der Kopf-Hals-Tumore erfolgt abhängig von der Lokalisation und vom Tumorstadium und basiert in aller Regel auf den drei Säulen der Onkologie: Operation, Chemo- und Strahlentherapie.

Die chirurgische Tumorentfernung kann dabei limitiert sein, wenn Kopf-Hals-Tumore so lokalisiert sind, dass deren Entfernung funktionelle Beeinträchtigungen zum Beispiel hinsichtlich der Augen, der Nase oder der Ohren erwarten lässt, oder wenn erhebliche kosmetische Folgen drohen, die möglicherweise auch mittels der plastischen Chirurgie und/oder Orthesentechnik nicht adäquat zu versorgen sind.

Eine Radiotherapie ist üblicherweise indiziert, wenn mit der Operation nicht das gesamte Tumorgewebe entfernt werden konnte, wenn die Sicherheitsränder sehr knapp waren oder wenn der Tumor bereits in Lymphknoten oder andere Organe metastasiert ist. Zudem kann eine neoadjuvante Strahlentherapie sinnvoll sein, beispielsweise um die Operabilität des Tumors zu verbessern. Nicht selten erfolgt bei Kopf-Hals-Tumoren auch eine kombinierte Radio-Chemotherapie.

Zunehmend kommen laut DKG außerdem Wirkstoffe des noch relativ neuen Konzepts der sogenannten zielgerichteten Therapie (targeted therapy) zum Einsatz. Behandelt wird dabei mit Antikörpern oder anderen Wirkstoffen, die sich konkret gegen die zugrunde liegenden molekularen Veränderungen richten, sowie mit Substanzen, die korrigierend in die Signalgebung eingreifen. Ein Beispiel hierfür ist der Wirkstoff Cetuximab, der sich gezielt gegen die bei Kopf-Hals-Tumoren oft über-exprimierten Rezeptoren des epidermalen Wachstumsfaktors (EGFR) richtet. Wird EGFR durch Cetuximab blockiert, kann EGF seine wachstumsfördernden Wirkungen nicht mehr entfalten, das Tumorwachstum wird damit gestoppt respektive verlangsamt.

Inzwischen liegen auch erste Beobachtungen vor, wonach sich die Therapieerfolge durch eine Immuntherapie wahrscheinlich werden verbessern lassen. Klinische Konzepte hierzu sind bereits entwickelt und Studien initiiert worden.

Besonderheiten der Therapie gibt es beim Kehlkopfkrebs. Ist von dem Tumor lediglich das Stimmband betroffen, kann eine laserchirurgische Stimmbandentfernung zur Heilung führen. Auch lassen sich unter Umständen ausgedehntere Kehlkopf-Tumore laserchirurgisch abtragen. Ist dies nicht möglich, so kann häufig durch Entfernen von Teilen des Kehlkopfes von außen ein Erhalt des Larynx realisiert werden. Ist der Tumor jedoch bereits in das Kehlkopfskelett eingewachsen oder hat die Organgrenzen schon überschritten, ist eine vollständige Entfernung des Kehlkopfes erforderlich. Durch spezielle Verfahren, beispielsweise durch die Implantation eines Ventils zwischen der Luftröhre und der Speiseröhre, können die Beeinträchtigungen beim Sprechen oftmals reduziert werden. In Einzelfällen kann, so Informationen der Hals-Nasen-Ohrenklinik des Universitätsklinikums Heidelberg, auch ein Schleimhautschlauch aus Schlundschleimhaut gebildet werden, über den das Sprechen wieder möglich wird. Alternativ gibt es die Möglichkeit, die Ruktussprache zu erlernen, bei der jeweils kürzere Sätze mit zuvor „verschluckter“ Luft gesprochen werden. Nur in seltenen Fällen ist nach Angaben der Klinik heutzutage noch die Versorgung mit einer elektronischen Sprechhilfe erforderlich.

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Prognose

Die Prognose von Kopf-Hals-Tumoren ist wie bei allen Tumoren abhängig vom Krankheitsstadium zum Zeitpunkt der Diagnosestellung, darüber hinaus auch von der Lokalisation des Tumors. Die 5-Jahres-Überlebensraten sind laut RKI bei Krebserkrankungen der Lippe und der Speicheldrüsen deutlich günstiger als beispielsweise bei bösartigen Tumoren des Rachens.

Generell haben sich vor allem beim Mundhöhlenkrebs die Überlebensaussichten in den vergangenen zwei Jahrzehnten verbessert, obwohl die Diagnosestellung häufig erst im fortgeschrittenen oder im metastasierten Tumorstadium erfolgte.

Um eine Früherkennung der Tumore zu gewährleisten, ist insbesondere auf eine Leukoplakie zu achten, die eindeutig als Präkanzerose zu bewerten ist. Die Leukoplakie muss engmaschig, gegebenenfalls durch wiederholte histologische oder zytologische Untersuchungen auf ihre Dignität kontrolliert werden, heißt es in den Leitlinien. Bei dysplastischen Läsionen wird die komplette Entfernung empfohlen. Grundsätzlich gilt zudem, dass jede länger als zwei Wochen bestehende Schleimhautveränderung tumorverdächtig ist und abgeklärt werden muss.

Christine VetterMerkenicher Str. 224, 50735 Köln E-mail:

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