Neue Bema-Leistung: Adhäsivbrücke

Im Maschinenraum des Gesundheitswesens

Am 18. Februar hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Zahnersatz-Richtlinie geändert und die prothetische Regelversorgung mit Adhäsivbrücken an den Stand zahnmedizinischer Entwicklung angepasst. Was sich im „Maschinenraum des deutschen Gesundheitswesens“ abspielte – und abspielen musste –, damit die geänderte Zahnersatz-Richtlinie am 4. Mai in Kraft treten konnte, haben wir hier skizziert.

Der G-BA ändert die Zahnersatz-Richtlinie

Auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht, als handle es sich bei dieser Entscheidung des G-BA um eine unter vielen, kommt dem Beschluss über die Änderung der Zahnersatz-Richtlinie doch eine besondere Bedeutung zu: Im Kern ging es nicht um die prothetische Versorgung mit Adhäsivbrücken allein, sondern um die Frage, anhand welcher Kriterien und in welchem Verfahren der G-BA die Regelversorgung mit Zahnersatz an den aktuellen Stand zahnmedizinischer Erkenntnisse anpasst.

Im Endergebnis stand damit das gesamte Normwerk im Fokus der Beratungen, das die Ansprüche und die Versorgung von Versicherten mit Zahnersatzleistungen regelt.

Die langsam mahlenden Mühlen des Rechts

Diese Fragen betreffen zu gleichen Teilen Zahnärzte wie Versicherte, die jedoch im Alltag nur wenige Berührungspunkte mit dem Procedere haben. Die Hintergründe dieses Beschlusses sind daher prädestiniert, einen Einblick in den ’Maschinenraum’ des deutschen Gesundheitswesens zu geben, in dem alle maßgeblichen Entscheidungen über die Ausgestaltung der Gesundheitsleistungen getroffen werden.

Vorweg ist zu konstatieren: Die rechtlichen Vorgaben, an denen sich das (zahn)ärztliche Leistungsrecht und damit auch die Entscheidungen des G-BA orientieren müssen, sind komplex und auch für „Insider“ mitunter nur schwer zu durchdringen. Dazu mahlen die Mühlen hier zeitweilen überaus langsam: Zehn Jahre Beratung über die Anpassung ärztlicher Früherkennungsuntersuchungen, elf Jahre bis zur Entscheidung über die ambulante Ernährungsberatung, seit über zwölf Jahren Beratungen über die Positronenemissionstomografie ...

Diese Vorgänge können nicht unbedingt als Beleg für die Effizienz der Beratungsprozesse in der gemeinsamen Selbstverwaltung Pate stehen. Auch die Beratungen über die aktuellen Anpassungen der Festzuschuss-Richtlinie haben eine längere Vorgeschichte. Doch um es gleich vorwegzunehmen: Im Gegensatz zu anderen Themen hat der G-BA in diesem Fall, trotz einer komplexen und zeitweilig kontroversen Gemengelage, überaus stringent beraten und ein mehr als tragfähiges Ergebnis erzielt.

Vom Auftrag zur Rechtsgrundlage

Im Zentrum der Anpassung der Regelversorgung stehen mehrere Aufträge des Gesetzgebers an den G-BA. Zum einen hat er in Richtlinien Regelungen über die Versorgung mit Zahnersatz zu treffen. Zum anderen bestimmt er die Befunde, für die den Versicherten Festzuschüsse gewährt werden und ordnet ihnen prothetische Regelversorgungen zu. Die Bestimmung der Befunde erfolgt dabei auf der Grundlage einer international anerkannten Klassifikation des Lückengebisses. Dem jeweiligen Befund wird dann eine zahnprothetische Regelversorgung zugewiesen. Diese hat sich an zahnmedizinisch notwendigen zahnärztlichen und zahntechnischen Leistungen zu orientieren, die zu einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen bei einem Befund nach dem allgemein anerkannten Stand der zahnmedizinischen Erkenntnisse gehören. Bei der Zuordnung der Regelversorgung zum Befund muss der G-BA insbesondere die Funktionsdauer, die Stabilität und die Gegenbezahnung berücksichtigen.

Diesen Regelungsaufträgen ist der G-BA 2004 mit Verabschiedung der Zahnersatz- und der Festzuschuss-Richtlinie nachgekommen. Damit hat er die Rechtsgrundlagen für eine wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit Zahnersatz geschaffen.

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Und dann tauchen immer mehr Fragen auf

Das Leistungsrecht der Gesetzlichen Krankenversicherung ist kein statisches System. Vielmehr haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen jeweils dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Dem G-BA kommt damit die wichtige Aufgabe zu, seine Entscheidungen regelmäßig zu überprüfen, ob sie noch mit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse übereinstimmen. Für die Versorgung mit Zahnersatz hat der Gesetzgeber hierzu eine besondere Überprüfungsvorgabe gemacht: Nach § 56 Absatz 2 Satz 11 SGB V soll der G-BA Inhalt und Umfang der Regelversorgungen in geeigneten Zeitabständen zu überprüfen und an die zahnmedizinische Entwicklung anpassen. Dieser Aufgabe hat er sich ab 2010 angenommen. Doch so schlank und einleuchtend diese gesetzliche Vorgabe auf den ersten Blick erscheint, desto mehr Fragen tauchen auf, je näher man sich mit ihr befasst. Welche Zeitabstände sind als geeignet anzusehen? Was heißt ’zahnmedizinischen Entwicklung’? Wodurch werden Inhalt und Umfang der Regelversorgung bestimmt? Und wie soll die Überprüfung wissenschaftlich fundiert durchgeführt werden?

Diese Fragen zu beantworten, hat Zeit gekostet, weil die Akteure im Bundesausschuss zu Beginn überaus unterschiedliche Antworten darauf hatten und bis zur Klärung viel diskutiert wurde. Dennoch haben sich alle Beteiligten letztendlich auf ein gemeinsames Verständnis geeinigt. Zur wissenschaftlichen Fundierung der Überprüfung wurden im Anschluss Fragen konsentiert, mit deren Beantwortung am 19. April 2012 die Deutsche Gesellschaft für Prothetische Zahn- medizin und Biomaterialien e. V. (DGPro) beauftragt wurde.

Dabei standen Fragestellungen zu möglichen gleichwertigen oder geeigneteren Alternativen zur Regelversorgung zu den Befunden 1.1, 1.2, 2.1 bis 2.5, 1.3 und 2.7 sowie Fragen zur Herstellung von Modellen, insbesondere Sägemodellen, Einzelstumpfmodellen und Modellen nach Überabformung nach den Nummern 005–1, 005–2 und 005–3 BEL-II im Rahmen der zahntechnischen Arbeitsvorbereitung (Befunde 1.1, 1.2, 2.1 bis 2.5, 4.8, 6.3, 6.6, 6.7, 6.9, 6.10, 7.1, 7.2, 7.3) im Mittelpunkt.

Der Abschlussbericht der DGPro zeigte zunächst, dass eine Anpassung der Zahnersatz-Richtlinie hinsichtlich der Aufnahme der vollkeramischen Adhäsivbrücke mit einem Pfeiler zum Ersatz zentraler und lateraler Schneidezähne mit der wissenschaftlichen Evidenz hinterlegt werden könnte, die für Entscheidungen des G-BA notwendig ist. Im Nachgang wurden jedoch Studien veröffentlicht, die eindeutige Hinweise enthielten, dass Adhäsivbrücken mit Metallgerüst mit einem Pfeiler zum Ersatz zentraler oder lateraler Schneidezähne unter dem Gesichtspunkt der Haltbarkeit eine gleichwertige beziehungsweise unter dem Gesichtspunkt der geringeren Invasivität und geringeren Kariesrate eine geeignete Alternative zur metallischen Voll- oder Teilkrone als Brückenanker darstellen.

Für Adhäsivbrücken aus hochfester Keramik lagen damit zu dem Zeitpunkt nicht die notwendigen Langzeiterfahrungen vor, die der G-BA für seine Entscheidungen benötigt. Damit fehlte es an der notwendigen Erkenntnislage, diese vollkeramische Versorgungsform unter Einbeziehung der per Gesetz zwingend zu berücksichtigenden Kriterien, wie der Funktionsdauer und der Stabilität, als Regelversorgung festzulegen.

Im Endergebnis hat der G-BA daher beschlossen, dass zum Ersatz eines Schneidezahns bei ausreichendem oralen Schmelzangebot an einem oder beiden Pfeilerzähnen eine einspannige Adhäsivbrücke mit Metallgerüst mit einem oder zwei Flügeln angezeigt sein kann. Bei einflügeligen Adhäsivbrücken zum Ersatz eines Schneidezahns sollte der an das Brückenglied angrenzende Zahn, der nicht Träger des Flügels ist, nicht überkronungsbedürftig und nicht mit einer erneuerungsbedürftigen Krone versorgt sein. Bei Versicherten die das 14., aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet haben, können außerdem zum Ersatz von zwei nebeneinander fehlenden Schneidezähnen – bei ausreichendem oralem Schmelzangebot der Pfeilerzähne – eine einspannige Adhäsivbrücke mit Metallgerüst mit zwei Flügeln oder zwei einspannige Adhäsivbrücken mit Metallgerüst mit je einem Flügel angezeigt sein.

Zur Umsetzung dieser Entscheidung hat der Bewertungsausschuss die notwendigen Anpassungen des Bewertungsmaßstabs zahnärztlicher Leistungen bereits auf den Weg gebracht. Im letzten Schritt muss der G-BA nun noch die Festzuschuss-Richtlinie in den Befunden 2.1 und 2.2 um die neuen Bema-Positionen ergänzen und die Festzuschusshöhen adjustieren.

Fazit und Ausblick

Die Beratungen im G-BA zur Überprüfung von Inhalt und Umfang der Regelversorgung haben gezeigt, dass auch komplexe Verfahren sachorientiert durchgeführt werden können. Der Bundesausschuss ist dazu seiner Verpflichtung nachgekommen, die Regelversorgung auf dem aktuellen Stand zahnmedizinischer Erkenntnisse zu halten. Es ist als überaus positiv zu bewerten, dass der Gemeinsame Bundesausschuss einvernehmlich ein Verfahren zur Anpassung der Regelversorgung entwickelt hat, welches auch bei zukünftigen Überprüfungsverfahren zum Einsatz kommen kann.

RA Christian NobmanLeiter der Abteilung „Koordination Gemeinsamer Bundesausschuss“ der KZBV

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