Abseits der Praxis

Morgens Zahnarzt, abends Herausgeber

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Golfen nach Feierabend? Nur wenn er Cart gegen Trabi tauschen kann! Sein erstes Auto hat es ihm angetan, und seitdem gilt für Zahnarzt Dr. Rolf Mahlke: Die Freizeit gehört den Ost-Oldtimern. Seine Leidenschaft ist so groß, dass er jetzt sogar sein eigenes Magazin verlegt.

Sonnenschein, Kornfelder, eine perfekt asphaltierte und spiegelglatte Landstraße. Glänzende Felgen, viel Chrom, weiß lackierte Kotflügel. Dazu – passend abgestimmt auf blauem Grund – ein weißer Schriftzug: „79oktan“. Und etwas kleiner: „Illustrierte für Straßenverkehr, Motorsport und Kraftfahrzeugtechnik“.

Das ist das erste Titelcover des neu gegründeten Ost-Oldtimer-Magazins 79oktan, Herausgeber: Dr. Rolf Mahlke. Der Zahnarzt hat keine grafische Ausbildung, geschweige denn gelernt, wie man eine Zeitschrift in Eigenregie herausbringt. Was er aber hat, ist Leidenschaft. Und daher weiß er intuitiv, wie er seine Titelgeschichte über den Lada 1300 SL am besten auf dem Cover verkauft: mit Sonne, Kornfeldern (siehe oben) und einem Lebensgefühl, das den Betrachter sofort die pure Freiheit spüren lässt – unterwegs mit dem Lada 1300 SL.

Mahlke ist seit drei Monaten Chef von 79oktan. Das Heft ist die erste Ausgabe, die er in den Händen hält. Es war ein Kraftakt, bis aus seiner Idee vor zwei Jahren das Magazin wurde. Seitdem verläuft jedes Wochenende recht ähnlich: Freitags um 16 Uhr verlässt der Zahnarzt seine Patienten, setzt sich ins Auto und fährt los. Letztes Wochenende ging es nach Leipzig zum Oldtimer-Treffen. Den ganzen Samstag verbrachten Mahlke und sein Team in der Sachsen-Arena, um alte Kontakte zu pflegen, neue zu knüpfen – und um spannende Geschichten für die kommende Ausgabe zu finden. Auch am Sonntag gönnte sich Mahlke keine Ruhe – stand doch ein lang geplantes Shooting mit „Willy“ auf dem Programm. Also ging es von Leipzig direkt nach Riesa auf das Gelände einer ehemaligen Kaserne. Dort traf er sich mit drei Oldtimer-Liebhabern, die mit dem Wartburg 311 Camping – genannt „Willy“ – im Sommer die Route 66 durch die USA befahren wollen. „Eine tolle Geschichte, die unbedingt ins nächste Heft muss“, findet Mahlke. Dafür brettert er sonntags gern stundenlang über die Autobahn.

„Meine Aktivitäten werden meist mit einem schmunzelnden Kopfschütteln bedacht. Alles unter einen Hut zu bekommen ist in der Tat nicht einfach“, sagt Mahlke, „und ich habe gelernt, dass journalistische Arbeit mindestens so fordernd ist, wie die zahnärztliche Arbeit!“ Vor über 25 Jahren hat sich der Zahnarzt gemeinsam mit seiner Frau im niedersächsischen Wittingen in eigener Praxis niedergelassen – mittlerweile ist auch Sohn Christoph Teilhaber der Gemeinschaftspraxis.

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###more### ###title### „Der Weg ist das Ziel und der Spaß enorm“ ###title### ###more###

„Der Weg ist das Ziel und der Spaß enorm“

Ähnlich familiär geht es in der Redaktion von 79oktan zu. Sie besteht aus zwölf festen Teammitgliedern. Alle schreiben, fotografieren und recherchieren. Ohne Geld dafür zu bekommen. Denn hinter Mahlke steht kein zahlungskräftiger Verlag, und den Druck gibt es nicht gratis. Doch warum investiert jemand nicht nur Zeit, sondern auch noch viel Geld, um eine Zeitschrift herauszubringen? „Der Weg ist das Ziel und der Spaß enorm“, erklärt Mahlke. „Denn das, was für mich an der Oldtimerei immer schon spannend war, potenziert sich jetzt noch einmal: interessante Menschen in einem sympathischen Umfeld kennenlernen, Geschichte erleben, unser schönes Land aus einem anderen – noch intensiveren – Blickwinkel entdecken.“

Heft 1 ist gerade publiziert – unter anderem mit einem ausführlichen Artikel zum Wartburg 355 Coupé, tollen Bildern von verschiedenen Oldtimer-Treffen und einem Hintergrundbericht aus einer Werkstatt, die handgefertigte Holzkarosserien herstellt. Die Geschichten kommen quasi von selbst ins Haus, sagt Mahlke: „Alle Mitwirkenden der 79oktan bewegen sich seit Jahren in der Szene und wenn man empathisch-interessiert auf die Menschen zugeht, öffnen sich viele Türen.“

Seit seiner Jugend interessiert sich der Zahnarzt für alles rund um die menschliche Mobilität. „Wenn man, wie ich, in den 60er Jahren aufgewachsen ist, kommt man mit den Jahren am Thema Oldtimer entweder nicht mehr vorbei, oder man geht Neigungen nach, die ganz anders sind. Wie Golf“, lacht Mahlke. Ist man in der DDR aufgewachsen, liege es zudem nahe, sich mit Ost-Oldtimern zu beschäftigen, erklärt er weiter. „Und wenn man dieses Hobby doch etwas ernsthafter betreibt, dann fällt auf, dass es bisher keine dazu passende Fachzeitschrift gab. Das wollte ich ändern!“

„Ost-Oldtimerei gibt es nur in homöopathischen Dosen“

Denn die Unterschiede zwischen ost- und westdeutschen Oldtimern sind nicht nur hinsichtlich der Fahrzeuge groß: „Über Mercedes, Porsche etc. sowie die diesbezügliche Szene gibt es unendlich viele Publikationen und Periodika. Die Ost-Oldtimerei wird in den etablierten Zeitschriften jedoch nicht, oder nur in homöopathischen Dosen beachtet“, sagt Mahlke. „Da es aber auch auf diesem Gebiet eine große Zahl an Fans und Liebhabern gibt, wollen wir mit 79oktan diesen Menschen eine mediale Plattform geben, die diese Leidenschaft ernst nimmt.“

Doch worin genau liegt die Faszination für ostdeutsche Oldtimer? Die Antwort ist einfach: „Mit extrem begrenzten Mitteln wurden technische Lösungen realisiert, die jeden Respekt verdienen!“ Oldtimer-Liebhaber zu sein ist demnach mehr, als bloß „Garagen-Gold“ zu sammeln und bei Sonnenschein entlang der Kornfelder zu fahren. Vielmehr bedeutet es: Schrauben, tüfteln und ständig reparieren. Auch Mahlke verbringt viel Zeit in der Werkstatt.

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###more### ###title### Funktionierende Autos lassen sein Herz schlagen ###title### ###more###

Funktionierende Autos lassen sein Herz schlagen

Deswegen lassen auch die funktionierenden Autos sein Herz höher schlagen, witzelt er. „Nein, ehrlich: Wenn ein Defekt beseitigt ist und man die Werkstatt verlassen kann, macht die Fahrt besonders viel Freude.“

Bei einer Tour im vergangenen Jahr von Sachsen über Thüringen bis ins Zillertal in Tirol saß Mahlke eine Woche lang am Steuer und durfte mit einem Oldtimer ganze 1.500 Kilometer abspulen. „Ein absolutes Highlight“, sagt Mahlke, „vor allem weil wir in Österreich ohne Reparatur ankamen.“ Sein weißer Lada, der auch auf dem ersten Titelcover von 79oktan zu sehen ist, wird dagegen nur ab und zu gefahren.

Kein Wunder, handelt es sich dabei wirklich um eine ganz besondere Rarität: Der 1300 SL kann eher als Neuwagen bezeichnet werden. Gerade mal auf 7.000 Kilometer hat er es in den 28 Jahren seit der Erstzulassung geschafft. Fast hätte Mahlke auch deshalb den Termin für die Erstinspektion verpasst. „Ich hab den Termin um 2.000 Kilometer überschritten“, erzählt der 56-Jährige, „macht aber nix. Laut Garantie-Heft war die immer noch kostenlos!“ Der Werkstatt- Besuch ist nun als Titelgeschichte in der ersten Ausgabe von 79oktan nachzulesen.

Das Magazin soll jetzt vierteljährlich erscheinen – wenn das Heft für 6,90 Euro (im Abo für 5 Euro, siehe Kasten) auch gekauft wird – sonst hat die Publikation keine Zukunft. Derzeit liegt die Auflage bei 5.000 Exemplaren – das Ziel sind 15.000. „Wir benötigen eine stabile Zahl an Abonnenten“, sagt Mahlke, „und versuchen diese auf Oldtimer-Treffen und ähnlichen Veranstaltungen zu überzeugen, unserem Projekt eine Chance zu geben.“ Zeitgleich werden die neuen Hefte vorproduziert. Die Ausgabe 1/2017 ist bereits fertig, für das nächste Heft muss Mahlke selbst noch drei Artikel schreiben. Die Zeit ist knapp. „Montags bis freitags bin ich in der Praxis eingespannt, am Wochenende – eigentlich in jeder freien Minute – arbeite ich für das Magazin“, sagt er.

Mit einem Fazit nach seinen ersten drei Monaten tut er sich schwer: „Wir haben die großen Klippen des Vertriebs gerade umschifft, dennoch ist weiterhin verdammt viel zu tun: Artikel schreiben, alles koordinieren, den ganzen Hühnerhaufen zusammenhalten“, bilanziert Mahlke, „und trotzdem ist es einfach nur super! Ich freue mich über jedes Heft, das ich in den Händen halten darf.“ Und wenn er sich noch etwas wünschen dürfte, vielleicht noch einen Oldtimer für seine Sammlung? Mahlke lacht: „Ich habe meiner Frau einigermaßen glaubhaft versprochen, dass der Wagen vom letzten Jahr die Sammlung abrundet.“

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