Editorial

Politik braucht auch Kompetenz

Von einer Partei, der bis kurz vor der Wahl ein Stimmenpotenzial „10 % plus x“ zugetraut wurde, darf man ein Wahlprogramm erwarten, das dem nach wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Kraft wichtigsten Bereich in Deutschland, dem Gesundheitswesen, ein wenig mehr Aufmerksamkeit widmet. Zugegeben, die Situation in der sich die Partei mit ihrem Personal befand und noch befindet, lässt vielleicht gar nicht erst die Möglichkeit aufkommen, sich tiefer mit der gesundheitspolitischen Materie zu befassen. Aber letztlich gilt auch für die AfD der simple Umstand: Was sagt das Wahlprogramm zum Thema Gesundheit aus, was will die Partei hier erreichen, was sind ihre Ziele? Wenn Sie eine ehrliche Antwort von mir hören möchten, fällt diese kurz aus: Ich weiß es nicht! Mit anderen Worten: Die Partei ist noch nicht in der Gesundheitspolitik angekommen. Eine Einarbeitung in das große Thema hat bis auf einige politische Versatzstücke nicht stattgefunden. Und die finden auf den vier Seiten im Wahlprogramm 2017 unter der Überschrift „Unser Gesundheitssystem ist in Gefahr“ reichlich statt. 

Eine – zugegeben subjektive – Auswahl aus zwölf genannten Punkten: „Ärztliche Versorgung auf dem Land sicherstellen“, „dem Pflegenotstand entgegenwirken“, „das deutsch-türkische Sozialversicherungsabkommen kündigen“, „die ambulante Versorgung durch ein Hausarztsystem optimieren“ – Argumente oder gar Zahlen und Fakten Fehlanzeige. Aber immerhin geht es unter 12.10 um „Alternative Medizin als Ergänzung traditioneller Medizin“. Liegt ja auch nahe, könnte man sagen. Doch auf dieses Spielfeld möchte ich mich nicht begeben, sondern die Gegenfrage stellen: Was hätten die Kritiker gesagt, wenn die Partei bei der einen oder anderen Wahlprüfsteinfrage „ausgerutscht“ wäre oder gar keine Antwort gehabt hätte? Dann hätte man uns mit hoher Wahrscheinlichkeit der Vorführung einer „jungen“ Partei geziehen. Meine Meinung: Jede Partei braucht Zeit, um im parlamentarischen System anzukommen. Man kann nicht auf allen Politikfeldern schon weit vor dem Start der parlamentarischen Arbeit gleich kompetent sein. 

Eines ist jedoch klar: Wird die AfD am 24.9. in der Bundestagswahl demokratisch legitimiert, wird die KZBV selbstverständlich auch mit ihr in die gesundheitspolitische Diskussion einsteigen und dann zu beurteilen haben, ob ein sachorientierter, konstruktiver Dialog möglich ist und ob das Ziel, die zahnärztliche Versorgung in Deutschland stetig zu verbessern, mitgetragen wird. Dabei wird auch zu hinterfragen sein, ob die AfD die berechtigten Interessen des Berufsstands nach auskömmlichen Rahmenbedingungen, Erhalt und Stärkung der Freiberuflichkeit, Recht auf Selbstverwaltung, zur freien Arztwahl und Therapiefreiheit nachhaltig unterstützt oder infrage stellt. Dazu bedarf es kompetenter Gesprächspartner im gesundheitspolitischen und speziell auch im zahnmedizinischen Versorgungsbereich aufseiten der AfD, die man aus meiner Sicht bislang jedenfalls auf Bundesebene nicht ausmachen konnte.

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