Der besondere Fall mit CME

Massives zervikales Lipom mit Adhärenz am Nervus accessorius

Peer W. Kämmerer
,
Bernhard Frerich
Eine Patientin kam mit einer lange bestehenden, sie ästhetisch beeinflussenden Halsschwellung in die Klinik. Nach eingehender präoperativer Diagnostik konnte unter Schonung der nahe gelegenen Nachbarstrukturen ein großes Lipom entfernt werden.

Eine 50-jährige Frau ohne Allgemeinerkrankungen und ohne Begleitmedikation stellte sich auf Anraten ihres Hausarztes mit einer seit Jahrzehnten bestehenden Schwellung der rechten Halsseite vor (Abbildung 1). Sie gab an, keinerlei Beschwerden zu haben, Sensibilität und Motorik seien unbeeinträchtigt. Damit die Schwellung nicht auffiel, hatte sie sich allerdings angewöhnt, die Haare so zu frisieren, dass sie den rechts-posterioren Hals verdecken. In der sonografischen Untersuchung zeigte sich eine weitgehend solide, homogene und umkapselte Tumorformation ohne Infiltration in das umgebende Weichgewebe (Abbildung 2). Zur weiteren bildgebenden Diagnostik wurde ein externes MRT veranlasst, das einen massiven, nicht Kontrastmittel aufnehmenden Tumor darstellte, der die tiefe Halsmuskulatur zum Teil verdrängte und zum Teil umschied (Abbildung 3).

Bei Verdacht auf Vorliegen eines Lipoms erfolgte nach ausführlicher Aufklärung der Patientin über die Möglichkeit der Schädigung sensibler Strukturen (zum Beispiel des Nervus accessorius) die Entfernung des Tumors in Intubationsnarkose. Nach einem Schnitt im Bereich einer Halsfalte wurden die Läsion und der Nervus accessorius dargestellt (Abbildung 4) sowie der Tumor unter sorgfältiger Schonung des Nervens und der umgebenden Strukturen in toto entfernt (Abbildungen 5 und 6). 

Die histopathologische Begutachtung ergab ein 81 g schweres, 8 cm x 6,5 cm x 4 cm großes Fett-Bindegewebsresektat, das von einer zarten Bindegewebskapsel umgeben war. Das Fett bestand aus univakuolären Adipozyten mit kleinen randständigen Zellkernen ohne zelluläre Atypien, vereinbar mit einem Lipom. Malignität konnte ausgeschlossen werden. Die Patientin wurde nach einer kurzen stationären Überwachungsphase in die ambulante Nachsorge entlassen, wobei sie keinerlei Beeinträchtigungen beklagte.

Diskussion

Lipome sind langsam wachsende, umkapselte benigne mesenchymale Tumore, die aus Fettgewebe bestehen und ubiquitär im Körper vorkommen können. Die genaue Ätiologie ist unbekannt, wobei unter anderem Traumata mit Rupturen der fibrösen Septen und mit ungehinderter Proliferation des Fettgewebes diskutiert werden [Signorini und Campiglio, 1998]. Gewöhnlicherweise entstehen Lipome im Bereich der Extremitäten oder des Körperstamms [El-Monem et al., 2006]. Ein Vorkommen im Bereich des Halses – wie im beschriebenen Fall – ist seltener. So wird berichtet, dass lediglich 13 bis 15 Prozent aller Lipome hier zu finden sind [Verma et al., 2010; Basmaci und Hasturk, 2012]; zervikal ist vor allem ein subkutanes Vorliegen zu sehen. Des Weiteren ist die hier gezeigte Größe des Tumors ungewöhnlich. Während es sich nämlich in den meisten Fällen um relativ kleine (80 Prozent der Lipome sind unter 5 cm [Basmaci et al., 2012]), solitäre Läsionen handelt, sind nur wenige Fälle von diesem oder einem noch größeren Ausmaß (bis über 20 cm mit einem Gewicht von mehreren kg) in der Literatur beschrieben [Verma et al., 2010; Basmaci et al., 2012; Singh et al., 2014]. 

Klinisch liegt häufig eine asymptomatische, langsam wachsende und schmerzlose Raumforderung vor, wobei aufgrund des Größenwachstums auch durchaus Symptome auftreten können. Das Alter der betroffenen Patienten, die im Normalfall medizinische Hilfe aufgrund der ästhetischen Beeinträchtigung suchen, beträgt im Durchschnitt 50 bis 60 Jahre. Während solitäre Lipome häufiger bei Frauen anzutreffen sind, treten multiple Läsionen bevorzugt bei jungen Männern auf [Yakubu et al., 2008]. Auch eine Assoziation mit hereditären Erkrankungen wie dem Morbus Madelung oder dem Gardner-Syndrom ist möglich.

Neben der physischen Inspektion sind sonografische und radiologische Untersuchungen (CT/MRT) nötig, um die Natur des Tumors zusammen mit den umgebenden Strukturen darzustellen und um den chirurgischen Eingriff zu planen. In Fällen von verdächtigen Befunden (selten kommt es insbesondere bei länger bestehenden retroperitonealen Lipomen zur Entwicklung eines malignen Liposarkoms [Mnif et al., 2009]) kann vor der Entfernung des Tumors eine Feinnadelbiopsie sinnvoll sein. Aufgrund der Wachstumstendenz mit potenziellen ästhetischen und funktionellen Auswirkungen sowie der möglichen Entartung ist die Entfernung der Lipome im Sinne einer Enukleation indiziert. Nichtsdestotrotz kann eine solche Entfernung aufgrund der ausgeprägten Adhärenz der Tumore an die umgebenden Strukturen [Basmaci et al., 2012] – im vorgestellten Fall an den Nervus accessorius – schwierig sein. Insbesondere bei intramuskulär liegenden Lipomen wurde in der Literatur auch von notwendigen partiellen Muskelresektionen berichtet [Tsumuraya et al., 2014]. Nach einer vollständigen Enukleation – wie im präsentierten Fall – kommt es nur äußerst selten zu Rezidiven [Basmaci et al., 2012]. 

PD Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, MA, FEBOFS
Prof. Dr. Dr. Bernhard Frerich

Poliklinik und Klinik für MKG-Chirurgie der Universitätsmedizin Rostock<
Schillingstr. 35, 18057 Rostock
peer.kaemmerer@med.uni-rostock.de

Peer W. Kämmerer

Prof. Dr. Dr. Bernhard Frerich

Klinik und Poliklinik
für Mund-, Kiefer- und
plastische Gesichtschirurgie,
Universitätsmedizin Rostock
Schillingallee 35,
18057 Rostock

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