Klinische Forschung

Plasma goes Zahnmedizin

Lukasz Jablonowski
Erstmals haben präklinische Langzeituntersuchungen gezeigt, dass kaltes Plasma gut verträglich ist und keinerlei potenzielle Gefahren für karzinogene Veränderungen im oralen Raum feststellbar sind. Dr. Lukasz Jablonowski, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universitätsmedizin Greifswald, gibt einen Einblick, welche Chancen kaltes Plasma therapeutisch für die Zahnmedizin bietet und wo noch Fragezeichen stehen.

Den Begriff „Plasma“ assoziieren Mediziner häufig zunächst mit dem naheliegenden Blutplasma. Dabei sind physikalische Plasmen – auch als vierter Aggregatzustand bezeichnet – nicht erst seit der Plasma-TV-Technologie, sondern seit vielen Jahrzehnten Bestandteile zahlreicher industrieller Anwendungen. Das Forschungsgebiet der Plasmamedizin wiederum untersucht eine mögliche Nutzung dieser neuen Sprunginnovation für medizinische Anwendungen [Metelmann et al., 2016].

Im vergangenen Jahrzehnt haben zahlreiche Wissenschaftler weltweit die potenziellen Eigenschaften von Plasma in Laboruntersuchungen gezeigt. Die Anwendungsmöglichkeiten der Plasma-Technologie im Bereich der Zahnmedizin sind sehr vielfältig. Neben vielen Vorteilen sind insbesondere die antibakteriellen Fähigkeiten gegenüber Biofilmen und die Möglichkeit, Oberflächen zu modifizieren und Heilungsvorgänge zu fördern, vielversprechend [Jablonowski et al., 2013]. Diese Fähigkeiten des Plasmas helfen bei der Behandlung multiresistenter Erreger, bei der Heilung chronischer Wunden bis hin zur Abtötung von Krebszellen und machen Plasma damit zu einer vielversprechenden Option für bisher ungelöste zahnärztliche Probleme, beispielsweise für die Therapie der Periimplantitis (Abbildung 1).

Die damit verbundenen Herausforderungen bei der Entwicklung erster Plasmaquellen (Abbildung 2) zur Erzeugung kalter (Körpertemperatur) Plasmen unter Atmosphärendruck erfordern einen interdisziplinären Austausch von Plasmaphysikern für die Quellenentwicklung, Biologen für die zelluläre Charakterisierung der Effekte und entsprechenden Medizinern für die klinische Anwendung und Untersuchung entsprechender Medizingeräte für die unterschiedlichen Bereiche in der Medizin, der Veterinärmedizin und der Zahnmedizin.

Ein solcher Moment bot sich am 13./14. September 2017 in Rostock beim 5. Workshop Plasmamedizin zum Thema „Therapeutischer Einsatz von physikalischen Plasmen – Neue Erkenntnisse aus Physik, Medizin und Biologie“. Die vom Anwenderkreis Atmosphärendruckplasma (ak-adp) in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Zentrum für Plasmamedizin (NZPM) veranstaltete Vortragsreihe dient als nationales Treffen der deutschsprachigen Plasma-Community alternierend zur alle zwei Jahre stattfindenden internationalen Konferenz für Plasmamedizin (ICPM).

Neben zahlreichen Fachvorträgen aus den Bereichen Dermatologie, Plasmabeschichtungen, Plasma-behandelte Flüssigkeiten und weiteren beeindruckenden Fallbeispielen widmete sich ein Teil auch der Anwendung kalter Plasmen in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Wissenschaftler aus Greifswald, darunter Mitarbeiter des Leibniz-Instituts für Plasmaforschung und Technologie (INP) und des Zentrums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universitätsmedizin Greifswald (UMG), präsentierten ihre Ergebnisse.

Trotz der zahlreichen positiven Möglichkeiten, die die Plasma-Technologie bietet, sollten potenzielle Risiken und mögliche unerwünschte Nebenwirkungen auf dem Weg zu einer medizinischen Anwendung auch im zahnärztlichen Bereich zuvor ausgeschlossen werden. Bisherige präklinische Kurzzeitversuche haben gezeigt, dass Plasmabehandlungen der Mundschleimhaut gut verträglich sind. Entsprechende Langzeituntersuchungen, insbesondere zur Abklärung möglicher Nebenwirkungen oder Risiken (etwa eines karzinogenen Effekts) fehlten bisher.

Nebenwirkungsrisiko und Schlussfolgerung

Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten, mehrjährigen wissenschaftlichen Vorprojekts „Untersuchung des Nebenwirkungsrisikos bei dentalen Anwendungen von Atmosphärendruckplasma (PlasmaDent)“ (FKZ: 13N12961) von Wissenschaftlern aus der Universitätsmedizin Greifswald (Prof. Dr. Frank Dombrowski, Dr. Lukasz Jablonowski, Prof. Dr. Thomas Kocher), dem Universitätsklinikum des Saarlandes (Prof. Dr. Stefan Rupf), den Leibniz-Instituten Greifswald (Prof. Dr. Thomas von Woedtke) und Leipzig (Prof. Dr. Thomas Arnold, Dr. Axel Schindler), dem Fraunhofer-Institut Leipzig (Dr. Andreas Schubert) und der Universität Regensburg (Dr. Katja Evert, Prof. Dr. Matthias Evert) wurde diese Fragestellung beleuchtet. Die Arbeitsgruppe untersuchte die Wirkung von zwei unterschiedlichen Labor-Plasmaquellen (kINPen09 und PS-WMW), die bereits in Laborstudien umfangreich für mögliche zahnärztliche Einsatzzwecke untersucht wurden [Weltmann et al., 2009; Rupf et al., 2010], im lebenden Organismus (der Maus). Um kleinste Effekte im Untersuchungszeitraum (zwölf Monate) erkennen zu können, wurden zusätzlich chronisch geschwächte Lebewesen monatlich mit Plasma behandelt.

Aus dieser umfangreichen Studie lässt sich schlussfolgern, dass für die untersuchten Plasmaquellen das jeweilige Plasma mit seinen Bestandteilen (Elektronen, Ionen, Radikalen, UV- & VUV-Strahlung, reaktive Spezies (zum Beispiel Ozon), elektrischen Feldern) und den verwendeten Parametern gut vertragen wurde und keinerlei potenzielle Gefahr für karzinogene Veränderungen feststellbar war. Selbst für die geschwächten Organismen führte eine regelmäßige Plasmabehandlung zu keiner Erhöhung der Häufigkeit von Präneoplasien oder Plattenepithelkarzinomen.

Diese Erkenntnisse unterstützen die weitere Entwicklung sicherer Therapieoptionen und stellen einen Meilenstein dar, der es den Forschern ermöglicht, Plasma nun auch hinsichtlich seiner Wirksamkeit in der klinischen Anwendung zu untersuchen. Greifswalder Zahnmediziner, darunter Prof. Dr. Thomas Kocher und der Autor, wollen nun in einem durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojekt (ca. 1,7 Millionen Euro), dieser Fragestellung mit weiteren Kollegen und Partnern aus der Industrie nachgehen.

Kaltes Plasma ist – nun spätestens – in der Zahnmedizin angekommen und wird in den nächsten Jahren vermutlich auch den Kollegen in der Praxis bei der Behandlung zahlreicher Probleme eine Unterstützung bieten können.

Dr. med. dent. Lukasz Jablonowski

Universitätsmedizin Greifswald
Zentrum f. Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Abteilung Parodontologie
– Wissenschaftliches Forschungslabor – 
Rotgerberstr. 8 , 17489 Greifswald 
lukasz.jablonowski@uni-greifswald.de

Klinische Praxis

Wo Plasma bereits eingesetzt wird

Die Unterstützung der Wundheilung der Haut mit kaltem Atmosphärendruckplasma (kurz: kaltes Plasma) hat sich bereits als sehr erfolgreich erwiesen, besonders in der Therapie von chronischen, schlecht heilenden Wunden. Seit 2013 ist kaltes Plasma als zugelassenes Medizinprodukt dafür im Einsatz. Neue Indikationsfelder werden permanent erforscht.In einem Greifswalder Forschungsprojekt und initialem Therapieversuch sollte die Nutzbarkeit von kaltem Plasma bei der Therapie von oralen Präkanzerosen untersucht werden. Biopsien der Schleimhautläsionen (wie Licher ruber mucosae und Leukoplakie) wurden zunächst ex vivo mit dem kalten Plasma behandelt und auf die Induktion von Apoptosen nach Plasmaexposition untersucht. Dazu wurden die Schleimhautproben im Abstand von 10 mm punktförmig behandelt und anschließend für einen Tag als Gewebekultur in Williams-E-Nährmedium im Brutschrank gehalten. Das erlaubt dem Gewebe auf die Einwirkung des Plasmas zu reagieren und zelluläre Prozesse in Gang zu setzen, die dann für uns nachweisbar sind (zum Beispiel Apoptosen). Absterbende Zellen weisen wir mit einem kommerziell erhältlichen TUNEL-Assay an Gefrierdünnschnitten nach. Diese erscheinen dann als fluoreszierende Zellen und können quantitativ mit digitaler Bildauswertung bestimmt werden.

Im Vergleich zur gesunden Mukosa ließ sich in den Leukoplakieproben ein deutlich höherer Anteil apoptotischer Zellen im TUNEL-Assay detektieren, während der Anstieg bei den Lichen-ruber-Proben lediglich geringfügig ausfiel.Erste Therapieversuche an ausgewählten Patienten konnten eine Reduktion sowohl leukoplaker als auch lichenoider Schleimhautareale zeigen. Des Weiteren gaben Patienten der Lichen-ruber-Gruppe eine Verringerung der Beschwerden an.

Mit diesen Ergebnissen könnte eine Erweiterung der Plasmaanwendungen auf chronische Mundschleimhauterkrankungen in Aussicht stehen. Des Weiteren hoffen wir, mit kaltem Plasma eine neue Möglichkeit in der präventiven Tumortherapie zu eröffnen. Weitere molekularbiologische und histologische Untersuchungen stehen im Fokus derzeitiger Forschung.

Dr. Sybille Hasse

Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e. V. (INP),
Greifswald 

Dr. Christian Seebauer
Prof. Hans-Robert Metelmann

Klinik und Poliklinik für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie
Universitätsmedizin Greifswald

Prof. Dr. Thomas von Woedtke

Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e. V. (INP), Greifswald,
Abt. für Hygiene und Umweltmedizin, Universitätsmedizin Greifswald

Lukasz Jablonowski

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