Ärztedichte im internationalen Vergleich

Landärzte fehlen in jedem Land

Der oft diskutierte Mangel an Ärzten auf dem Land ist kein spezifisch deutsches Problem. Eine Studie zeigt: Weltweit lassen sich Mediziner generell lieber in Ballungsgebieten nieder – unabhängig von der Finanzierung der Gesundheitssysteme oder der Form der Ärztevergütung.

„Ärzte sind in allen betrachteten OECD-Ländern regional ungleich verteilt, unabhängig von der Finanzierung und Organisation der Gesundheitsversorgung. Deutschland bildet hier keine Ausnahme“ – zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Regionale Verteilung von Ärzten in Deutschland und anderen ausgewählten OECD-Ländern“ des Wissenschaftlichen Instituts der privaten Krankenversicherung (WIP). Im Klartext heißt das: Landärzte fehlen überall, in Deutschland und auch in anderen Ländern, die explizit auf eine hausarztzentrierte Versorgung setzen.

Verglichen wurde in der Studie die Ärztedichte zwischen beziehungsweise in insgesamt 21 OECD-Ländern – von Australien über Finnland bis zu Korea und den USA. „Die getroffene Auswahl von Ländern orientiert sich dabei an einer mit Deutschland vergleichbaren Wirtschaftskraft“, heißt es im Studienpapier.

Die betrachteten Länder weisen jedoch unterschiedliche Formen der Finanzierung des Gesundheitssystems und der Ärztevergütung auf. So steht Schweden mit einem überwiegend steuerfinanzierten Gesundheitssystem Luxemburg gegenüber, das überwiegend auf Beitragsfinanzierung setzt. Und in den Niederlanden werden Ärzte mit einer Mix aus Fall- beziehungsweise Kopfpauschalen und Einzelleistungsvergütungen entlohnt, während in Island fixe Gehälter verbreitet sind.

Die Ärzteverteilung ist ungleichmäßig – überall

Was die generelle Ärztedichte betrifft, ist diese in Österreich mit 5,2 Ärzten je 1.000 Einwohner am höchsten, gefolgt von Norwegen und der Schweiz. Deutschland liegt mit 4,1 Ärzten je 1.000 Einwohner auf Platz fünf nach Schweden und damit über dem Durchschnitt (3,4 Ärzte je 1.000 Einwohner). Schlusslichter bilden die USA und Kanada sowie Japan und Korea.

Vor allem bei den Allgemeinärzten sind wir gut aufgestellt: Irland und Deutschland weisen laut Studie die meisten Allgemeinärzte pro 1.000 Einwohner auf, gefolgt von Österreich, Australien, den Niederlanden und Frankreich. Auch Finnland, Kanada, die Schweiz und Belgien liegen noch über dem Durchschnitt von 1,1 Allgemeinärzten auf 1.000 Einwohner. Länder wie das Vereinigte Königreich, Schweden, Italien und Norwegen, die explizit auf eine hausarztzentrierte Versorgung setzen, haben dagegen unterdurchschnittlich viele Allgemeinärzte. Schlusslichter sind Island und die USA.

Bei der Betrachtung der Facharztdichte führen Italien, Österreich und die Schweiz das Ranking an, Deutschland liegt mit 2,4 Fachärzten ebenfalls über dem Durchschnitt der betrachteten Länder, der bei 2,0 Fachärzten je 1.000 Einwohner liegt. Vergleichsweise wenig Fachärzte pro 1.000 Einwohner gibt es in Kanada und Irland mit je 1,4 Fachärzten.

Die Auswertungen der Daten – insbesondere die Bildung von Rangfolgen – sei jedoch „mit Vorsicht zu interpretieren“, schreibt Studienautorin Dr. Christine Arentz in ihrem Diskussionspapier: „Unterschiedliche Ärztedichten können beispielsweise durch die unterschiedliche Organisation der Leistungserbringung oder unterschiedliche Präferenzen der Bevölkerung bedingt sein.“ Zudem könne insbesondere in der fachärztlichen Versorgung eine stärkere regionale Konzentration unter Umständen auch mit höherer Qualität einhergehen.

Fest stehe jedoch, dass Ärzte in jedem der betrachteten OECD-Länder regional ungleichmäßig verteilt sind und dies offensichtlich unabhängig von der Organisation und der Finanzierung der Gesundheitsversorgung: Bei den Ländern mit einer relativ hohen Ärztedichte finden sich sowohl steuerfinanzierte Länder (wie Schweden oder Norwegen) als auch beitragsfinanzierte Länder (wie die Schweiz, Deutschland oder Österreich). Ebenso finden sich am unteren Ende der Skala steuerfinanzierte Länder, wie das Vereinigte Königreich und Kanada, wie auch beitragsfinanzierte Länder, wie Japan und Korea.

Auf dem Land fehlt meist die Infrastruktur 

Eine weitere Erkenntnis ist, dass bei der Entscheidung zur Niederlassung für die Ärzte eher Faktoren eine Rolle spielen, die auch mit der jeweiligen regionalen Infrastruktur zusammenhängen: Ärzte lassen sich demnach lieber in Regionen nieder, die mit guten Job-, Bildungs-, Kultur- und Betreuungsangeboten für die Familie sowie einer guten Verkehrsinfrastruktur aufwarten können. Gerade für die jüngeren Ärztegenerationen sei außerdem die Work-Life-Balance zunehmend wichtiger, ebenso wird laut Studie mehr Wert auf den Austausch mit Kollegen und teambasiertes Arbeiten gelegt.

Die von Ärzten empfundenen Nachteile einer Beschäftigung in Regionen, die etwa von Bevölkerungsschwund und unattraktiver Infrastruktur betroffen sind, sind dementsprechend nur schwer durch finanzielle Anreize aufzuheben, so die Schlussfolgerung. Studienautorin Arentz listet verschiedene Maßnahmen auf, wie man die ungleiche Verteilung von Ärzten beheben oder zumindest abmildern kann – vom Anwerben ausländischer Ärzte bis hin zur stärkeren Verankerung der ärztlichen Ausbildung in unterversorgten Regionen oder der Implementierung innovativer E-Health-Versorgungskonzepte (siehe Kasten).

„Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass verschiedene Maßnahmen in Betracht kommen, um unterversorgte Gebiete an der medizinischen Versorgung teilhaben zu lassen“, schreibt Arentz. „Es gibt keine allgemeingültige Lösung, vielmehr müssen die jeweiligen regionalen Besonderheiten beachtet werden, bevor Maßnahmen implementiert werden.“ Zudem müsse festgestellt werden, dass viele der genannten Maßnahmen in unterschiedlicher Intensität, aber bereits seit einiger Zeit in verschiedenen Ländern erprobt wurden, ohne dass diese die ungleiche Verteilung von Ärzten behoben hätten.nb

Ideen für eine regional gleichmäßigere Versorgung

Zulassung, Stipendien und Praktika: Zukünftige Ärzte werden meist gezielt für die Versorgung auf dem Land angeworben. Wer sich in Japan oder Australien verpflichtet, nach dem Studium eine Zeit lang in unterversorgten Gebieten zu arbeiten, wird schneller zum Studium zugelassen. In den USA werden solchen Ärzten die Studiengebühren erlassen oder zurückgezahlt. Auch in Deutschland planen die Bundesländer Bayern und Niedersachsen sogenannte Landarztquoten, nach denen Studienplätze an Bewerber vergeben werden, die später in unterversorgten Gebieten arbeiten.

  • Ansiedlung von Universitäten in unterversorgten Gebieten: Ganze medizinische Fakultäten werden mittlerweile in unterversorgten Gebieten angesiedelt, weil sich herausgestellt hat, dass Ärzte sich oft in der Nähe ihrer Ausbildungsstätte niederlassen. Norwegen hat zum Beispiel eine Universität in einer unterversorgten Region eröffnet, die zudem Studenten aus der Region bevorzugt aufgenommen hat.

  • Anwerben ausländischer Ärzte: Eine weitere Möglichkeit besteht darin, attraktive Bedingungen für Ärzte aus anderen Ländern zu schaffen. So wird ausländischen Studenten in den USA erlaubt, nach Beendigung ihrer Ausbildung im Land zu bleiben, wenn sie dafür in unterversorgte Gebieten gehen. Normalerweise müssen ausländische Studenten nach Abschluss ihres Studiums für mindestens zwei Jahre zurück in ihr Heimatland, bevor sie wieder in den USA arbeiten dürfen.

  • Finanzielle Anreize: Auch bei bereits praktizierenden Ärzten gibt es Maßnahmen, die die Attraktivität einer Tätigkeit in unterversorgten Gebieten erhöhen sollen. Dazu gehören finanzielle Anreize für eine Niederlassung – etwa Bezuschussungen für die Eröffnung oder Übernahme einer Praxis in unterversorgten Gebieten, auch Einkommensgarantien oder Bonuszahlungen für Ärzte, die auch nach Erreichen des Rentenalters noch weiter in unterversorgten Gebieten arbeiten.

  • Regulierung der Privateinnahmen: Im Hinblick auf die regionale Verteilung von Ärzten wird auch die Rolle der Privateinnahmen diskutiert. Als Vorteil wird unter anderem angeführt, dass die staatlichen Gesundheitssysteme qualifiziertes Personal halten und informelle Zahlungen reduzieren können, wenn die Mediziner zusätzlich auf Privatbasis arbeiten dürfen. Finden die Privatbehandlungen in staatlichen Krankenhäusern statt, könne zudem eine weitere Einkommensquelle erschlossen werden, die das staatliche System stützt. Als Nachteil wird genannt, dass Ärzte einen Anreiz haben könnten, im staatlichen System die Qualität zu senken, um zusätzliche Nachfrage im privaten Teil zu generieren. Zudem könnten sie darauf aus seien, die Arbeitszeit im staatlichen Sektor zu reduzieren sowie die öffentliche Infrastruktur widerrechtlich für die Behandlung von Privatpatienten zu nutzen.

  • Prozessorientierte Maßnahmen: Unterversorgte Gebiete können auch stärker über telemedizinische Behandlungen versorgt werden. Dies wird bereits in Kanada, Australien und Skandinavien praktiziert. In Zukunft könnten auch sogenannte Wearables, tragbare kleine Computer, die gesundheitsrelevante Daten aufzeichnen und diese gegebenenfalls an (Fach-)Ärzte schicken, immer wichtiger werden. Sie könnten eine kontinuierliche gesundheitliche Überwachung von Patienten ermöglichen, die räumlich weiter entfernt sind. Allerdings setzt dies voraus, dass auch eine entsprechende Infrastruktur bereitgestellt wird, um über ausreichend schnelles Internet solche Behandlungsmöglichkeiten bereitstellen zu können.

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