Falsche Tatsachenbehauptungen bei jameda

Auch deshalb ist die Dokumentation so wichtig!

„Nicht vertrauenswürdig! Die Kommunikation von Frau ... ist problematisch: Sie verzichtet auf die einfachen Komm. Grundregeln und eine Aufklärung/Beratung.“ Gegen diesen Kommentar, veröffentlicht auf dem Arztbewertungsportal jameda, hatte eine Zahnärztin aus Essen Klage eingereicht: Es handle sich um eine falsche Tatsachenbehauptung. Dank ihrer Dokumentation erhielt sie nun recht.

Im vorliegenden Fall hatte jameda Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Essen eingelegt, das dem Arztbewertungsportal auferlegt hatte, Falschkommentare einer Patientin zu löschen. Jene hatte behauptet, ihre Zahnärztin habe sie nicht aufgeklärt und prothetisch falsch behandelt (siehe Kasten). Dank ihrer Dokumentation konnte die Zahnärztin jedoch belegen, dass sie ihre Patientin tatsächlich über die anstehende Behandlung aufgeklärt hatte – laut dem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm ist es jameda nun untersagt, Gegenteiliges weiterhin auf der Plattform zu veröffentlichen.

Dies ist nur ein Beispiel, das unterstreicht wie wichtig eine rechtssichere Dokumentation für den Zahnarzt ist. Dennoch gibt es laut Dr. Kerstin Gröner, Vorsitzende Richterin am Landgericht Stuttgart, weiterhin viele von Zahnärzten verfasste Dokumentationen, die vor Gericht kaum Bestand haben: „Über die Hälfte der Dokumentationen weisen lediglich Abrechnungsziffern ohne weitere Erläuterungen aus“, sagte Gröner beim berufspolitischen Forum des Bundesverbands der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa (BDIZ EDI) Ende des vergangenen Jahres in München – diese Dokumentationen seien bei gerichtlichen Auseinandersetzungen angreifbar.

Abrechnungsziffern allein sind oft zu wenig

Laut § 630 f des Patientenrechtegesetzes im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ist der Zahnarzt zur Dokumentation verpflichtet: So soll der Behandelnde „in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen“.

Urteil OLG Hamm 

jameda darf keine falschen Tatsachenbehauptungen veröffentlichen!

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OLG Hamm zu Ärtzebewertungen|

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Zum Hintergrund: Bei der Klägerin handelt es sich um eine in Essen niedergelassene Zahnärztin, die bei dem Ärztebewertungsportal jameda mit einem sogenannten „Gold-Profil“ registriert ist. Anders als bei einem kostenlosen Basisprofil hat sie so die Möglichkeit über die Basisinformationen hinaus Daten sowie Bilder einzutragen, die den Nutzer umfassend über ihre Arztpraxis informieren.

Im Juni 2017 hatte eine anonyme Patientin eine Bewertung über die Zahnärztin bei jameda eingestellt. Auszugsweise lautete die Bewertung folgendermaßen: „Nicht vertrauenswürdig! Die Kommunikation von Frau ... ist problematisch: Sie verzichtet auf die einfachen Komm. Grundregeln und eine Aufklärung/Beratung. Die Prothetik Lösungen von Frau ... waren zum Teil falsch ... Ich habe die Zahnärztin als eine herrische, sehr emotional auf Kritik reagierende Persönlichkeit kennengelernt.“ Zudem wurden im Rahmen der Bewertung von der Patientin folgende Noten vergeben: „Behandlung 5,0“, „Aufklärung 5,0“, „Vertrauensverhältnis 6,0“.

Da die Zahnärztin diese Bewertung als rechtswidrig empfand, forderte sie jameda per Verfügungsantrag auf, die Veröffentlichung der gesamten Bewertung zu unterlassen – nachdem sich zuvor durch eine von ihr veranlasste Überprüfung der Angaben durch jameda herausgestellt hatte, dass die Bewertung wirklich von einer ihrer Patientinnen stammt.

Das Landgericht Essen (Urteil vom 7.11.2017, Az.: 9 O 254/17) gab der Zahnärztin Anfang November teilweise recht und untersagte jameda, zu verbreiten, die Zahnärztin „verzichte auf eine Aufklärung/Bewertung“ sowie „ihre Prothetiklösungen seien zum Teil falsch“. 

Im Übrigen wiesen die Richter den Unterlassungsantrag aber zurück: jameda ermögliche es registrierten Nutzern, auch ohne Nennung ihres Klarnamens, die Tätigkeit von Ärzten in Form von Texten und Notzen zu kommentieren und zu bewerten. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag über die Nutzung der Internetplattform verpflichte jameda dabei nur dazu, die von Nutzern eingestellten Bewertungen auf Rechtsverletzungen zu überprüfen und diese – bei Vorliegen einer Rechtsverletzung – nicht (weiter) zu veröffentlichen. 

So handle es sich nur nur bei den gerichtlich untersagten Teilen der Bewertung um Tatsachenbehauptungen, die nach der hinreichend glaubhaft gemachten Darstellung der Zahnärztin falsch sind und die ihr erhebliche ärztliche Verfehlungen zur Last legen. Letztere dürfe jameda bereits nach ihren eigenen Nutzungsbedingungen nicht veröffentlichen, unzutreffende Tatsachenbehauptungen zudem auch deswegen nicht, weil sie die Zahnärztin in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzten. 

Einen Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung weiterer Teile der Bewertung habe die Zahnärztin aber nicht, weil es sich bei diesen Teilen um die subjektive Wahrnehmung der Patientin handele. 

Gegen dieses Urteil des Landgerichts Essen legte jameda Berufung ein. Im Verfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm sahen die Richter es jedoch weiterhin als erwiesen an, dass die Zahnärztin die Patientin tatsächlich aufgeklärt hatte. Dies ergebe sich aus den Patientenunterlagen. Deshalb sei der Kommentar auf dem Portal, dass die Zahnärztin auf eine Aufklärung/Beratung verzichtet habe, falsch. Nach dem aktuellen Urteil ist es jameda daher weiterhin verboten, eine solche falsche Tatsache zu veröffentlichen. Dass auch die Behauptung der Patientin, die Prothetik-lösungen der Zahnärztin seien teilweise falsch, nicht zutreffend sei, konnten die Richter hingegen nicht feststellen.

Oberlandesgericht HammUrteil vom 13.3.2018Az.: 26 U 4/18

Im juristischen Sinne heißt das: Sind auf der Karteikarte keine Eintragungen über durchgeführte Untersuchungen, Behandlungsmaßnahmen oder Aufklärungen vorhanden, geht man rechtlich davon aus, dass diese Leistungen nicht erbracht wurden. So kann ein Gericht bei mangelnder Dokumentation über die Aufklärung eines Patienten dem Zahnarzt vorwerfen, dass der Patient gar nicht in die konkrete Behandlungstherapie einwilligen konnte. 

„Grundsätzlich sollte alles, was mit dem Patienten besprochen wurde, auch in die Akte aufgenommen werden“, empfiehlt der Kölner Fachanwalt für Medizinrecht Arno Zurstraßen, „bestenfalls durch die ZFA, die dann gegebenenfalls in einem späteren Prozess auch als Zeugin zur Verfügung steht, da sie ja die Eintragungen gemacht hat.“ Zurstraßen betont, dass zu Beginn der Behandlung aus der Dokumentation klar hervorgehen sollte, warum der Patient gekommen ist, welche Probleme er schildert und was vorher schon von anderen Behandlern unternommen wurde. Bei prothetischen Behandlungen seien darüber hinaus Fotoaufnahmen von großer Bedeutung. „Nicht nur bei Beginn der Behandlung, sondern auch während der Behandlung, weil es hier von den privaten Krankenversicherungen immer wieder zu Nachfragen kommt“, erläutert Zurstraßen. „Zu viele Fotos können in solch einem Fall gar nicht angefertigt werden. Und auf jeden Fall sollte der Abschluss der Behandlung fotografisch festgehalten werden, da man nie weiß, ob der Patient in Regress geht.“ Auch bei prothetischen Mängeln, bei Arbeitsunfällen, bei Verletzungen durch Fremdeinwirkungen sowie bei Verdacht auf eine schwerwiegende Erkrankung, etwa einen Tumor, bei HIV sowie bei Materialunverträglichkeiten ist eine überaus gründliche Dokumentation anzuraten“, betont Zurstraßen, da diese Fälle oft ein Gerichtsverfahren nach sich ziehen würden. 

Je außergewöhnlicher, desto ausführlicher

Richterin Gröner lenkt ein, dass nicht „jede Dokumentation mit Blick auf ein mögliches Gerichtsverfahren geführt werden muss“ – eine „ausführliche Dokumentation stärkt die Position des Behandlers in einem Prozess jedoch enorm“.

Praxisberaterin Christine Baumeister-Henning propagiert daher die sechs „W“ der Dokumentation: „Aus der Dokumentation muss hervorgehen, an welchem Patienten wer, wann, warum und womit welche Leistung erbracht hat!“ Grundsätzlich gilt für Baumeister-Henning die Devise: „Je außergewöhnlicher der Fall, umso ausführlicher die Dokumentation.“

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