Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung

"Stühle und ein fahrbares Röntgengerät würden uns die Arbeit sehr erleichtern!"

mg
Seit 2005 versorgen die Malteser in Köln Menschen ohne Krankenversicherung, seit 2013 auch zahnmedizinisch. Dabei fallen nicht nur Obdachlose durch das Netz, sagt Dr. Peter Urbanowicz, Leiter der zahnärztlichen Abteilung.

Im aktuellen Jahresbericht

der Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung (MMM) steht, dass 2017 mehr als 1.000 Patienten in der zahnärztlichen Sprechstunde waren. Wer kommt zu Ihnen?

Dr. Peter Urbanowicz:

Das ist ganz unterschiedlich. Unsere Einrichtung richtet sich generell an alle Menschen ohne Krankenversicherung - unabhängig von der Herkunft oder Nationalität. Patienten mit Flüchtlings- oder Duldungsstatus sind nicht Zielgruppe unserer Einrichtung, da sie ja einen Basis-Krankenversicherungsschutz haben.

Man glaubt ja gar nicht, wie viele Lebenssituationen es gibt, die dazu führen können, auch hierzulande durch den Rost der Absicherung vor Krankheit zu fallen. Das kann der kleine Solo-Selbstständige mit wenig Gewinn sein, dem die Beiträge für die Krankenversicherung zu hoch sind oder der Pleite gegangen ist.

Aber auch der Obdachlose oder arbeitslose Geschiedene, bei denen der Familienschutz weggefallen ist, und die es versäumt haben, sich in der gesetzlichen Drei-Monats-Frist wieder bei einer Krankenkasse anzumelden. Laut Statistischem Bundesamt gab es 2015 in Deutschland allein 80.000 Menschen, die keinen Versicherungsschutz genießen.

Haben Sie auch Zulauf von nicht-deutschen Patienten?

Ja klar. Das können Reisende sein, oder Leute, die nur ein dreimonatiges Visum haben, und dann wieder aus Deutschland weggehen. Hier in der Einrichtung erfahren wir nur die Namen der Patienten - sonst nichts, nicht einmal die Adresse.

Da viele Patienten weder eine Praxis noch ein Krankenhaus aufsuchen wollen oder können, helfen wir unter Wahrung der Anonymität. Menschen aus osteuropäischen EU Ländern, vor allem Bulgarien und Rumänien sind unsere größte Zielgruppe. Es fällt auf, dass viele Patienten aus diesen Ländern offensichtlich gerade erst zugereist und bei hier lebenden Familien oder Landsleuten untergebracht sind und offensichtlich ihren Hauptwohnsitz im Heimatland behalten.

Allen gemeinsam ist, dass die Patienten mit Krankheiten und Schmerzen, etwa wegen Zahnproblemen, kommen - und dass sie rasche Hilfe erhoffen. Viele betrachten uns als letzte Rettung, dass ihnen gesundheitlich geholfen wird.

2017 konnten wir 73 Patienten aus Deutschland (7 Prozent), 774 Patienten aus dem EU-Raum (73 Prozent) und 93 Patienten aus Afrika (9 Prozent) helfen. Über die Hälfte waren zwischen 18 und 40 Jahre alt.

Quelle: Jahresbericht MMM 2017

Was fallen denn in der Regel für Behandlungen an?

Bei den zahnärztlichen Behandlungen handelt es sich überwiegend um reine Schmerzbehandlungen, wie das Entfernen von zerstörten Zähnen, oder einfache Füllungen. 2017 haben wir 430 Zähne extrahiert (41 Prozent der Behandlungen), und bei 345 Fällen Füllungen gelegt, Wurzelbehandlungen durchgeführt oder Prothesen eingesetzt (33 Prozent).

Was ist anders im Vergleich zu einer "normalen" Praxis?

Insgesamt auffällig ist der häufig sehr schlechte Zahnzustand in allen Altersgruppen. Eine Aufklärung erfolgt durch unsere speziell ausgebildeten Prophylaxehelferinnen und wird wegen des großen Beratungsbedarfs bei unseren Patienten nun stetig erweitert.

Nach wie vor haben wir aber auch besondere Patientenfälle wie etwa unversorgte Kieferfrakturen, große Zysten, Aktinomykosen, die von uns kaum oder nicht versorgt werden können. Wir helfen, wo wir können, und müssen bisweilen auch Fälle behandeln, die man in einer herkömmlichen Praxis zum Oral- oder Kieferchirurgen überweisen würde.

Sie erwähnen den schlechten Mundgesundheitszustand. Aber das ist ja bei Menschen, die kaum zum Zahnarzt gehen, nichts Außergewöhnliches ...

Ja, das ist schon richtig. Aber was schon auffällt, ist der schlechte Zahnzustand vieler Besucher aus Osteuropa wie etwa aus Bulgarien, Rumänien, Georgien oder der Ukraine. Viele davon sind fehlernährt, starke Raucher und trinken viel zu viel Süßgetränke wie Cola oder Sonstiges. Und man weiß ja, dass in einem Liter Cola etwa 30 Stück Würfelzucker enthalten sind.

Das Team

Das Team

Quelle: Jahresbericht MMM 2017

Dabei leben es viele Eltern den Kindern vor, so dass diese den schlechten Ernährungsstil übernehmen. Wir versuchen dann, wenigstens die entsprechenden Patienten davon zu überzeugen, dass sie zumindest Cola zero trinken sollen.

Wie klappt denn die Verständigung mit Patienten, die kein Deutsch sprechen?

Mit Sachverstand und einem gesunden Blick erkennt man sofort, dass etwa die Mundhöhle total sanierungsbedürftig ist. Auch andere Schmerzen im Gebiss oder an einzelnen Zähnen kann man relativ schnell lokalisieren, so dass eine lange Unterhaltung selten notwendig ist. Für viele ist es schon eine Wohltat, wenn wir vor der Behandlung eine Betäubungsspritze setzen. Das ist in vielen Herkunftsländern der Patienten nicht üblich.

Was brauchen Sie denn derzeit an Hilfe für die Einrichtung?

Im Augenblick könnten wir die Stühle, auf denen wir als Zahnärzte behandeln, gegen gut erhaltene oder neue eintauschen; zudem könnten wir ein fahrbares Röntgengerät gut gebrauchen, beides würde unsere Arbeit schon sehr erleichtern.

MMM-Patientenzahlen 2017

MMM-Patientenzahlen 2017

Quelle: Jahresbericht MMM 2017 

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