KZBV-Vertreterversammlung

„Wir werden die Industrialisierung der Versorgung stoppen!“

Investorenbetriebene Z-MVZ gefährden die Versorgung. Punkt. Darin sind sich alle einig. Aber kann die Vertragszahnärzteschaft den Kampf gegen milliardenschwere Großinvestoren allein führen? Die Delegierten der Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) haben verschiedene Lösungen diskutiert und erste Beschlüsse verabschiedet, um sich gegen versorgungsfremde Finanzinvestoren zur Wehr zu setzen.

608 Z-MVZ gibt es derzeit (Stand 30. September 2018, KZBV-Statistik) – 75 davon werden von Finanzinvestoren geführt. Demgegenüber stehen 41.997 Einzel- und Mehrbehandlerpraxen in Deutschland (Stand 31. Dezember 2017, KZBV-Statistik) . Der Anteil der Z-MVZ, die von versorgungsfremden Investoren gegründet werden, scheint also vergleichsweise klein zu sein – trotzdem stellen diese laut KZBV eine „erhebliche Bedrohung für die Sicherstellung der Versorgung“ dar und sind ein „Alarmsignal für die schleichende Kommerzialisierung der Versorgung“. 

Die Finanzinvestoren kommen unter anderem aus Schweden, Bahrain, Jersey und den USA. Allein die Jacobs Holding aus Zürich kaufte 2016 etwa 200 Zahnarztpraxen mit geschätzten 350 Millionen Euro Umsatz in ganz Europa. Rechtlich ist ihnen der Zugang zur zahnärztlichen Versorgung möglich, indem sie marode Krankenhäuser übernehmen, die berechtigt sind, ein MVZ zu gründen.



„Ziel der Finanzinvestoren ist eine möglichst hohe Marktdurchdringung in möglichst kurzer Zeit“, stellte Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstands der KZBV, auf der Vertreterversammlung der KZBV am 7. und 8. November in Frankfurt am Main erneut klar. Im Rahmen dieser „buy and build“-Strategie werde das Investment regelmäßig mit möglichst hoher Gewinnmarge weiterverkauft. Was dabei allein zählt, sei ausschließlich die Realisierung einer möglichst hohen Rendite: „In aller Deutlichkeit“, sagte Eßer gegenüber den Delegierten, „ein Hedgefonds aus Bahrain oder auch ein Kaffeeröster haben trotz aller gegenteiligen Bekundungen keine nachhaltigen Versorgungsziele!“

Vielmehr würden die Investoren-MVZ eine Über- und Fehlversorgung noch verstärken. So zeigen die Daten der KZBV, dass sich investorenbetriebene MVZ überwiegend im städtischen Raum und fast ausschließlich in Regionen mit einem hohen Medianeinkommen ansiedeln sowie in optimal und überversorgten Gebieten. „Die seinerzeit von der Politik propagierte Vision, mit arztgruppengleichen MVZ würde die Versorgung in ländlichen und strukturschwachen Gebieten verbessert“, sei damit laut Eßer „krachend gescheitert“. 

1. Gründungsberechtigungen für Z-MVZ beschränken!

In einem einstimmig verabschiedeten Beschluss forderten die Delegierten den Gesetzgeber auf, die Gründungsberechtigung von Krankenhäusern für Z-MVZ auf räumlich-regionale sowie medizinisch-fachliche Bezüge zu beschränken. Die Gründung eines Z-MVZ dürfe nur möglich sein, „wenn in dem zahnärztlichen Planungsbereich, in dem das Z-MVZ seinen Sitz haben soll, auch das Krankenhaus ansässig oder eine Unterversorgung festgestellt ist und das Krankenhaus einen zahnmedizinischen Versorgungsauftrag gemäß dem Krankenhausplan hat“. Ziel ist, die weitere Gründung von Z-MVZ durch versorgungsfremde Investoren, die „keinen fachlichen Bezug zur medizinischen Versorgung aufweisen, sondern allein Kapitalinteressen verfolgen“, zu verhindern. 

Außerdem sprachen sich die Delegierten dafür aus, die Anzahl der angestellten Zahnärzte je Vertragszahnarzt zu erhöhen – auf maximal vier Vollzeitbeschäftigte pro Vertragszahnarzt. So sollen bestehende Wettbewerbsnachteile gegenüber den Z-MVZ reduziert werden. Denn die Regeln zur zahlenmäßig begrenzten Anstellung von zwei Vollzeitkräften pro Vertragszahnarzt gelten derzeit nicht für Z-MVZ. Diese können dadurch etwa wesentlich umfangreichere Sprechstunden- und Notdienstzeiten nach Feierabend und an Wochenenden anbieten als Einzel- oder Mehrbehandlerpraxen mit kleinerem Personalbestand. 

2. Wettbewerbsnachteile reduzieren!

Die KZBV hatte bereits in der Vergangenheit versucht, Anstellungsgrenzen auch für Z-MVZ im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) durchzusetzen – jedoch ohne Erfolg. „Uns fehlt die rechtliche Grundlage für solch eine Regelung“, stellte Eßer klar. Und die Idee, die Anstellungsgrenzen für alle Praxen insgesamt aufzugeben, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen Einzel- und Mehrbehandlerpraxen und Z-MVZ herbeizuführen, sei schlicht „keine Option!“. Das Gebot der persönlichen Leistungserbringung, wonach der niedergelassene Zahnarzt auch persönlich für Fehler seiner Angestellten haftet, müsse aus Gründen der Qualitätssicherung gewahrt bleiben. „Wir werden eine Vergewerblichung der Zahnheilkunde nicht zulassen“, betonte der KZBV-Vorsitzende. 

Vielmehr habe man darauf achten müssen, die Zahl der angestellten Vollzeitkräfte pro Vertragszahnarzt so zu erhöhen, dass die fachliche Anleitung und Überwachung durch den anstellenden Zahnarzt weiterhin gegeben ist. Dies sei bei drei beziehungsweise maximal vier angestellten Vollzeitkräften pro Vertragszahnarzt gesichert. Die Delegierten folgten dem Vorschlag und nahmen den Antrag mehrheitlich an. Allein die KZV Schleswig-Holstein sprach sich gegen die Erhöhung aus. „Schon heute finden die Einzelpraxen auf dem Land kaum Angestellte“, sagte Dr. Michael Diercks. Die Anstellungsgrenzen für Praxen in Ballungsgebieten zu erhöhen, gehe zulasten der Praxen auf dem Land. 

Eßer argumentierte, mit der Ausweitung der Anstellungsgrenzen habe man auch dem Wunsch junger Zahnärztinnen und Zahnärzte nach größeren Praxisgemeinschaften entsprochen. So habe eine Untersuchung des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) gezeigt, dass die Niederlassung nach wie vor die beliebteste Tätigkeitsform sei. „Jedoch planen die wenigsten diese direkt im Anschluss an ihre Assistenzzeit, sondern eher mittelfristig“, sagte Eßer. „Viele der junge Leute wollen nach ihrem Studium erst einmal weitere berufliche Erfahrungen sammeln oder sich um die Familie kümmern.“ Um diesen Wünschen gerecht zu werden, brauche es aber keine von „versorgungsfremden Kapitalgebern betriebenen Großversorgungsstrukturen“, sagte Eßer. 

3. Steuerungsinstrumente verbessern!

Auch müsse den KZVen über das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) die Option eingeräumt werden, bei (drohender) Unterversorgung von Instrumenten wie Eigeneinrichtungen, Strukturfonds oder Sicherstellungszuschlägen Gebrauch machen zu können. Gerade in Eigeneinrichtungen sieht der KZBV-Vorstand großes Potenzial, „zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen“. Durch die Übernahme von ansonsten ausscheidenden Bestandspraxen oder die Gründung neuer Praxen durch KZVen in Gegenden, in denen Versorgungsbedarf besteht, könne so die flächendeckende wohnortnahe Versorgung sichergestellt werden. Außerdem könne man so dem Wunsch junger Zahnärzte nach einer vorläufigen Tätigkeit im Anstellungsverhältnis nachkommen, die nicht mit den üblichen Investitionsrisiken einhergeht und die Option auf eine spätere Übernahme der Eigeneinrichtung beinhaltet. „Wenn wir junge Zahnärzte dadurch motivieren können, sich auf dem Land niederzulassen, dann ist das eine Option, die wir meines Erachtens nicht leichtfertig abtun sollten“, sagte Eßer. Die Delegierten nahmen den Antrag mehrheitlich an. Anders als im ärztlichen Bereich soll laut Beschluss den KZVen jedoch nur eine „optionale Anwendungsmöglichkeit“ der Förderungs- und Steuerungsinstrumente des § 105 Abs. 1a bis 4 SGB V eingeräumt werden. Im vertragsärztlichen Bereich ist die Anwendung dieser Instrumente verpflichtend festgelegt.

4. Selbstverwaltung stärken!

Die Delegierten verabschiedeten außerdem einstimmig die Resolution „Funktionierende flächendeckende zahnmedizinische Versorgung braucht Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung“. Der Gesetzgeber wird aufgefordert, die „Einschränkungen der Handlungs- und Gestaltungsspielräume der Selbstverwaltung zu beenden“ und dem durch den Eintritt versorgungsfremder Investoren in die zahnmedizinische Versorgung „eingeläuteten Systemumbau entgegenzuwirken“.

„Die Sicherstellung der flächendeckenden wohnortnahen Versorgung gehört in die Hände der seit Jahrzehnten funktionierenden Selbstverwaltung“, heißt es in der Resolution. Dafür benötige die Selbstverwaltung jedoch „weiterhin Handlungs- und Gestaltungsspielräume, die jedem freiheitlichen System immanent sind“. Dann und nur so könne die Versorgung im Sinne des Patientenwohls zukunftsfest gestaltet werden.

Weitere Beschlüsse befassen sich mit der Telematikinfrastruktur, der inhaltlichen Gestaltung der elektronischen Patientenakte sowie der Förderung des berufspolitischen Nachwuchses. Auch zur Abschaffung der Degression, der geplanten Mehrkostenregelung bei der kieferorthopädischen Versorgung, der Erhöhung der Festzuschüsse sowie der Stärkung des bundesmantelvertraglichen Gutachterwesens positionierte sich die Vertreterversammlung.

Alle Beschlüsse der VV finden Sie unter www.kzbv.de.

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