1. Zahnärztinnentag der KZV Westfalen-Lippe

Traut Euch!

Die zahnmedizinische Versorgung wird zunehmend in der Hand von Frauen liegen. Zeit, dass sie auch mitreden und mitgestalten – nicht nur in der eigenen Praxis, auch in der Berufspolitik. Munition für den Weg nach oben lieferte die KZV Westfalen-Lippe auf dem 1. Zahnärztinnentag am 11. Mai in Münster.

Insgesamt 38,2 Prozent der Niedergelassenen in der Zahnmedizin sind heute Frauen. Ihr Anteil an allen zahnärztlich Tätigen betrug 2017 – laut Statistischem Jahrbuch der Bundeszahnärztekammer – 45,1 Prozent, das sind 8,8 Prozentpunkte mehr als im Jahr 2000. Zu sehen oder zu hören sind sie oftmals aber nicht.

Dass das anders werden muss, findet nicht nur Moderatorin Dr. Stefanie Marxkors, niedergelassene Kieferorthopädin in Werne, aktiv in der Standespolitik und Mutter von zwei Kindern im Alter von 15 und 18. Immer wieder erkundige man sich bei ihr, wie sie es schaffe, sich neben Familie und Praxis noch in der Selbstverwaltung zu engagieren – „Komisch, mein Mann wird das nie gefragt!“, bemerkte Marxkors und hält fest: „Uns geht es darum, die sehr gut ausgebildeten Zahnärztinnen zu halten – und zu Chefinnen zu machen!“

Eine Veranstaltung von Frauen für Frauen

Dass die Männer an diesem Tag im Hintergrund stehen, stellte der KZV-Vorsitzende Dr. Holger Seib klar. „Dies ist eine Veranstaltung von Frauen, für Frauen.“

Die KZV müsse den demografischen Herausforderungen zum Trotz die vertragszahnärztliche Versorgung flächendeckend sichern – und setze hier auch auf die Frauen, die künftig einen höheren Teil an der Versorgung leisten werden. „Die KZV und die Zahnärztinnen müssen darum noch stärker als bisher zusammenwachsen“, forderte Seib. Auch er beklagt, dass Frauen in der Selbstverwaltung noch viel zu wenig sichtbar sind. „Wir sehen, dass es wenig aktive Frauen gibt“, berichtete er. „Deshalb wollen wir als KZV stärker auf die Frauen zugehen. Dabei wollen wir Ihnen keine neuen Verpflichtungen aufbürden, sondern Sie in Ihrem Job unterstützen – diese Pilotveranstaltung soll Möglichkeiten aufzeigen, Anregungen für moderne Arbeitsmodelle liefern und so auch mit den Vorurteilen einer Selbstständigkeit aufräumen.“ 

Der 1. Zahnärztinnentag der KZVWL in Münster...

...bestand aus einem Mix fachfremder Motivationsvorträge, wissenschaftlichen Erkenntnissen und zulassungsrechtlichen Möglichkeiten – gepaart mit Praxisbeispielen von Zahnärztinnen, die es geschafft haben, ihr Familienleben sehr gut mit der Selbstständigkeit zu vereinbaren.

Insgesamt 60 Prozent des Berufsstands sind Frauen, verdeutlichte Dr. Martina Lösser, Vorstandsmitglied der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe. „Diese Zahl spiegelt sich in den Praxen wider, nicht unbedingt jedoch in den Niederlassungen und überhaupt nicht in den standespolitischen Vertretungen.

Das müssen wir ändern!“ Sie sei überzeugt, dass Frauen genauso viel zu ihrer Berufsausübung zu sagen haben wie Männer. Aber: „Sie tun es nicht. Deshalb: Traut Euch!“

Männer bluffen über ihreUnwissenheit hinweg

Die Erfolgsfaktoren für Frauen in Führungspositionen – und die Stolpersteine – benannte Dr. Barbara Schneider, Managerin und Autorin. Ihr Fazit: „Im Top-Management befanden sich 2016 nur 6,1 Prozent Frauen. Die Hürde ist also nicht das Rein-, sondern das Hochkommen!“ Dabei stünden sich Frauen oft selbst im Weg – zum Beispiel indem sie in Bewerbungsgesprächen 21-mal häufiger über ihre Schwächen reden als Männer. Jene dagegen „bluffen über Unwissenheit hinweg“. Die drei größten Hürden auf dem Karriereweg: eine fehlende beziehungsweise unzureichende Kinderbetreuung, männliche Strukturen und mangelnde Netzwerke sowie eine schlechte Selbstvermarktung. Aber wie dreht frau am besten an den Stellschrauben zum Erfolg? „Erstens sollte man sich klar darüber werden, was man will“, resümierte Schneider. „Ziele, die man kennt und benennen kann, sind viel leichter zu erreichen. Zweitens ist wichtig, klar zu kommunizieren, was man will – vor allem in einem männlichen Umfeld. Drittens sollten Sie sich fragen, was Ihnen die Karriere wert ist. Und viertens: zuschnappen statt zweifeln!“

Ein Konzept zur Familien- und Lebensplanung

Ein Konzept zur Familien- und Lebensplanung präsentierten Zahnärztin Karin Elbert, zweifache Mutter und niedergelassen in Coesfeld, und ihre angestellte Zahnärztin Christine Arnheim, Mutter einer kleinen Tochter. Beide schilderten die Vor- und Nachteile der Selbstständigkeit beziehungsweise des Angestelltendaseins. So schätzt Elbert ihre Gestaltungsmöglichkeiten als Inhaberin bei der Praxisausrichtung, den Öffnungszeiten, der Zusammenstellung des Teams und beim Urlaub. Auf der Sollseite stehen für sie das Risiko und der Zeitfaktor. Unterm Strich kommt sie zu dem Schluss: „Das Modell funktioniert, wenn man keine Angst vor der Verantwortung und dem Risiko hat, gewisse Puffer verfügbar sind, und man gegebenenfalls auf die Unterstützung von angestellten Kollegen zählen kann.“ Auch Arnheim hat die richtige Entscheidung für sich getroffen – sie hat in der Praxis die Möglichkeit, völlig selbstständig zu arbeiten, genießt das volle Vertrauen ihrer Chefin und kann auf deren Verständnis bauen, wenn die Kita zu ist oder das Kind krank. Dass es heute gegenüber früher sehr viele Möglichkeiten gibt, sich über die Niederlassung entlasten zu lassen, bestätigte KZV-Justiziarin Anne Sandfort: „Sie sind als niedergelassene Zahnärztin unabhängiger und können flexibler und damit individueller planen!“

Wie Familie und Beruf in Theorie und Praxis vereinbart werden können, beleuchtete Dr. Regina Ahrens, Vertretungsprofessorin an der Hochschule Hamm-Lippstadt für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Personal und Marketing. Für 31 Prozent der Beschäftigten ist Ahrens zufolge die Work-Life-Balance mittlerweile ein K.-o.-Kriterium bei der Entscheidung für eine neue Stelle. Wenn das Leistungsangebot des Unternehmens an den Bedürfnissen der Mitarbeiter vorbeigeht oder sich diese offenbar gar nicht trauen, es zu nutzen, liege das häufig an der fehlenden Unternehmenskultur. Eine geringe Stellenbesetzungsdauer, Eigenkündigungen sowie hohe Krankheits- und Fehlzeitenquoten sind gemäß einer Studie die Folgen. Ahrens: „Wenn die Maßnahmen nicht gelebt werden, verpuffen die Investitionen.“ Umgekehrt wirke sich ein familienbewusstes Personalmanagement positiv auf die Mitarbeitermotivation, die Qualität der Bewerber, die Mitarbeiterproduktivität und die Kundenbindung aus.

Die Niederlassung schafft Freiraum

Warum sich Frauen in der Selbstverwaltung engagieren sollten, stellte abschließend Dr. Sabine Wagner, niedergelassen in Dortmund, heraus. „Wir müssen etwas tun, wenn wir vertreten werden wollen“, betonte die Mitbegründerin des Zahnärztevereins Dortmund und präsentierte diverse Möglichkeiten – von der Bezirksstelle bis zum Qualitätszirkel –, in der Berufspolitik mitzumischen.

„Nicht nur das Angestelltendasein ist für Frauen die Lösung“, bilanzierte Moderatorin Marxkors. „Die Niederlassung gibt uns den Freiraum mitzugestalten!“

Fallbeispiel 1: Angestellte Zahnärztin

Mareike (39) ist seit dem Abschluss ihrer Ausbildung als angestellte Zahnärztin in einer kleinen allgemeinzahnärztlichen Praxis tätig. Neben ihr sind dort noch der Praxisinhaber, eine weitere Zahnärztin sowie sechs ZFA und eine Praxismanagerin tätig. Vor der Geburt ihres Sohnes arbeitete sie in Vollzeit. Während der Schwangerschaft erhielt sie ein Beschäftigungsverbot.

Mareike plant nun, sechs Monate nach der Entbindung mit 20 Stunden an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Ihr Mann, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Hochschule tätig ist, kann sich seine Arbeitszeit weitgehend selbst einteilen und möchte sich die Betreuung des Kindes hälftig mit Mareike teilen.

Mareikes Chef zeigte sich von dieser Idee allerdings wenig begeistert. Er legte Mareike nahe, entweder mit wenigstens 80 Prozent wieder einzusteigen oder aber für einen längeren Zeitraum – mindestens zwei Jahre ab Entbindung – zu Hause zu bleiben, damit er die Ausfallzeiten besser planen kann.

Für Mareike ist beides ungünstig: Wegen des fehlenden Kita-Platzes müsste ihr Mann seine Arbeitszeit auf 20 Prozent reduzieren, wenn sie mit 80 Prozent wieder einsteigen würde. Wenn sie zwei Jahre zu Hause bleibt, fehlt ihr (höherer)Verdienst in der Familienkasse ...

Mutterschutz: in der Regel Beschäftigungsverbot. Mutterschutz in der Regel 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Geburt

Mutterschaftsgeld: Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld

Elternzeit: Anspruch auf Elternzeit. Anspruch auf Arbeitszeitreduzierung nur, wenn der Arbeitgeber mehr als 15 Mitarbeiter beschäftigt

Elterngeld: Anspruch auf Elterngeld(Plus) besteht. Partnerschaftsbonusmonate können beantragt werden.

Fazit: Während der Schwangerschaft gute Absicherung, aber in der Zeit danach vom Goodwill des Arbeitsgebers abhängig.

Dieser Fall wurde von Dr. Regina Ahrens auf dem 1. Zahnärztinnentag präsentiert.

Fallbeispiel 2: Selbstständige Zahnärztin

Stefanie betreibt seit 2006 eine Gemeinschaftpraxis mit ihrem Ehemann. Bis zur Geburt ihres ersten Kindes 2009 waren dort beide in Vollzeit tätig. Rund um die Geburt fiel Stefanie für etwa sechs Monate in der Praxis aus. Ihr Mann und sie hatten im Vorfeld eine Zahnärztin angestellt, die diese Ausfallzeiten kompensierte und auch nach Stefanies Rückkehr weiter in der Praxis arbeitete. Außerdem stellten sie eine zusätzliche Verwaltungskraft ein, die ihnen Arbeit im Praxismanagement abnahm.

Nach der Geburt reduzierten Stefanie und ihr Mann ihre Arbeitszeit zunächst auf 27 Stunden die Woche. Ihr Mann erhöhte seine Arbeitszeit nach dem ersten Geburtstag des Kindes auf 35 Stunden (Behandlungszeit und Management). Durch die zusätzliche Kraft und die Verschiebung ihrer Arbeitszeiten konnten sie lange Öffnungszeiten realisieren.

Im Sommer übernahm das Ehepaar von einem befreundeten Kollegen eine Praxis, die sie seither als zweiten Standort betreiben. An beiden Standorten beschäftigen sie heute insgesamt drei angestellte Zahnärzte, fünf Verwaltungskräfte und vier ZFA. Eigene Ausfallzeiten und ihre Arbeitszeitreduzierung können sie somit gut ausgleichen.

Mutterschutz:

  • kein Anspruch auf Leistungen nach dem MuSchuG

  • bei Krankentagegeldversicherung: Krankentagegeld

  • Bei freiwilliger gesetzlicher Versicherung: Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankengeldes

Elternzeit:

  • kein Anspruch auf Elternzeit; die eigene Arbeitszeit kann aber flexibel angepasst werden

Elterngeld:

  • Anspruch auf Elterngeld(Plus) besteht

  • Partnerschaftsbonusmonate können beantragt werden

Fazit: Eine genau Planung ist nötig, dann aber hat man maximale Flexibilität.

Dieser Fall wurde von Dr. Regina Ahrens auf dem 1. Zahnärztinnentag präsentiert.

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