Umgang mit gehörlosen Patienten

Nur das Wort Schmerz als Gebärde ist ziemlich sinnlos

Gerade einmal 12 ÄrztInnen und 21 ZahnärztInnen sind in Deutschland gelistet, die die Gebärdensprache nutzen. Dabei müssen Mediziner diese nicht unbedingt selbst anwenden, sondern können sich Unterstützung von Dolmetschern und in Form digitaler Anwendungen holen.

Ein gehörloser Patient ist auf besondere Kommunikationsmedien angewiesen. Eine davon ist die Deutsche Gebärdensprache (DGS). Sie funktioniert mit anderer Grammatik und unterscheidet sich auch im Satzbau von der gesprochenen Sprache. Deutschlandweit gibt es 16 Millionen Menschen, die eine Hörbehinderung haben. Für 200.000 von ihnen ist die Gebärdensprache tatsächlich die Muttersprache.

Bundesweit sind allerdings gerade einmal 19 ZahnmedizinerInnen und zwei KieferorthopädInnen registriert, die die Gebärdensprache anwenden oder einen Gebärdensprachdolmetscher in ihrer Praxis zur Verfügung stellen. Eine von ihnen ist die Berliner Zahnärztin Dr. Marjama Schmargon aus Berlin-Mitte. Sie hat die Gebärdensprache erlernt und ist auf hörgeschädigte Patienten spezialisiert.

Die Kommunikation beschreibt sie als eine mit grundlegend anderer Mentalität, aber als umso wichtiger für das Vertrauen: „Menschen mit einer eingeschränkten Hörfähigkeit sind oft unsicher und manchmal sogar misstrauisch. Sie denken, sie werden von der Außenwelt nicht richtig verstanden. Das kann gerade beim Arztkontakt ein Problem sein!“ Daher ist es aus ihrer Sicht auch psychologisch wichtig, sich gut mit dem Patienten zu verständigen und herauszufinden, was ihm wichtig ist. „Nur das Wort Schmerz als Gebärde anzubringen, ist ziemlich sinnlos. Schmerz kann so vielfältig sein. Für den einen ist Kälte schon schmerzhaft, für den anderen erst die schwere Entzündung.“ Mimik und Gestik sind Teil des Austauschs und helfen Missverständnissen entgegenzuwirken, denn manche Gebärden sind sich sehr ähnlich. Ihre Differenzierung erfolgt nur durch das parallele Lippen- und Gestenlesen.

Es gilt, herauszufinden, was der Patient will

Beim Kennenlernen und für die Anamnese lässt sie sich daher mehr Zeit. Es muss sorgfältig abgeklärt werden, was der Patient hat oder was er sich wünscht: eine Kontrolle, Beratung oder liegen Beschwerden vor Hilfreich kann dabei eine schriftliche Dokumentation sein, die der Patient mitbringt. Enscheidend ist eine gelungene Verständigung, bei der man genau weiß, was der Patient will. Sie ist auch bei gehörlosen Patienten die conditio sine qua non.

Dass ÄrztInnen die Gebärdensprache beherrschen, ist die Ausnahme. Häufiger ist dagegen die Unterstützung durch einen Dolmetscher – vor allem beim Ersttermin –, um die Anamnese und auch Folgeuntersuchungen auf qualitativ hohem Niveau durchführen zu können. Der Einsatz des Dolmetschers wird in der Regel von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Der Patient muss jedoch vorher abklären, inwieweit er andere Kommunikationshilfsmittel einsetzen kann.

Die Webseitewww.deafservice.denennt branchenweit Adressen, die Gehörlosen oder Menschen mit stark eingeschränktem Gehörsinn helfen.

Der Umgang mit Hörgeschädigten

  • An der Rezeption sollte das Team vorbereitet sein und die Basics des Umgangs kennen. Ein „Willkommen“ in Gebärdensprache signalisiert eine positive Resonanz, ist aber kein Muss. Mittels Zeigen, Deuten oder geschriebener Nachrichten erfolgt die Aufnahme.

  • Der Zahnarzt sollte mehr Zeit für Behandlung und Erstanamnese einplanen. Beim ersten Termin ist das Kennenlernen für den Vertrauensaufbau sehr wichtig. Störende Faktoren bitte vermeiden!

  • Wichtig sind Mimik und Gestik. So sollte der Mund nicht hinter dem Mundschutz versteckt, sondern für das Lippenlesen gut sichtbar sein.

  • Es hilft dem Patienten außerdem, wenn langsam, deutlich und in kurzen Sätzen kommuniziert wird.

  • Visualisierung: Farbsymbolik, Zeichen oder Icons können die Unterhaltung unterstützen.

  • Termine können von den Patienten per E-Mail, WhatsApp oder SMS selbstständig vereinbart werden und garantieren so ein Stück Selbstständigkeit.

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