Eindrücke einer Auslandsfamulatur

Hätten wir überhaupt helfen dürfen?

Nicole Gumprecht
Mit einer befreundeten Zahnärztin machte ich mich, organisiert von einer Hilfsorganisation, im Februar 2019 auf den Weg zu einer Auslandsfamulatur auf den Cook Islands. Wir StudentInnen arbeiteten vor Ort weitgehend selbstständig. Schließlich bestand ein großer Bedarf an zahnmedizinischer Versorgung, so dass der humanitäre Gedanke, helfen zu wollen und zu können, bei uns allen jederzeit im Vordergrund stand. Doch hätten wir – mit oder ohne Approbation – vor Ort überhaupt tätig werden dürfen?

Mit vielen Materialspenden – Anästhetika, Füllungsmaterialien, Handschuhen, Zahnbürsten – im Gepäck ging es zunächst nach Rarotonga. Nach zwei Tagen Reisezeit erreichten wir die Zahnklinik der Hauptinsel.

Vor Ort sind mehrere Zahnärzte angestellt, die in einem eigenen Programm sogenannte Trainees ausbilden: Die jungen Inselbewohner werden unterrichtet und praktisch am Patienten trainiert, um professionelle Zahnreinigungen durchzuführen, Exkavationen vorzunehmen und Füllungen zu legen. So wurde es uns offiziell mitgeteilt, praktisch gesehen haben diese jungen Leute auch Extraktionen und alle anderen notwendigen Eingriffe durchgeführt.

Am ersten Tag in der Zahnklinik bekamen wir schon die ersten PatientInnen zugeteilt. Mit einem kurzen Satz, zum Beispiel „He wants to have a Cleaning“ oder „He has pain“, wurden sie zu uns ins Behandlungszimmer geschickt und wir behandelten selbstständig. Ich habe dabei meiner befreundeten Zahnärztin größtenteils assistiert und als gelernte Prophylaxehelferin die Zahnreinigungen übernommen. Wir haben selbstständig die Anamnese und Befunde erhoben sowie unsere Diagnose erstellt. Bei Problemen oder anderen Schwierigkeiten hatten wir jedoch einen einheimischen Ansprechpartner.

Die Patienten wollten lieber von den deutschen Studenten behandelt werden

Die meisten PatientInnen kamen zur Schmerzbehandlung oder Füllungstherapie. In weiten Teilen der Inselbevölkerung herrscht nur geringes Bewusstsein für eine regelmäßige Mundpflege, weshalb bereits im frühen Kindesalter ein hohes Kariesaufkommen vorhanden ist.

Mit uns waren noch sechs weitere deutsche ZahnmedizinstudentInnen vor Ort, die auf der Hauptinsel selbstständig behandelt haben, denen jedoch im Klinikgebäude jederzeit Zahnärzte bei Problemen oder für Fragen zur Verfügung standen. Oft fragten die Patienten, woher wir kamen und waren sehr erfreut, dass eine deutsche Zahnärztin und deutsche Zahnmedizinstudierende vor Ort waren. Zum Teil kamen die Patienten unseretwegen wieder und äußerten, sie hätten bisher immer gute Erfahrungen mit den ausländischen Studierenden gemacht. Sie bevorzugten zum Teil die Behandlung bei uns gegenüber den einheimischen ZahnärztInnen und Trainees. Dies führte dazu, dass wir alle vermehrt auf die Bitten der PatientInnen eingegangen sind und die Behandlungen durchgeführt haben. 

Für uns war der Vergleich zwischen unserem Studium und der Berufsausbildung vor Ort schon erstaunlich, insbesondere angesichts dessen, welche Behandlungen von den Trainees tatsächlich durchgeführt werden.

Zu unserer Verwunderung stellten wir fest, dass auch sehr viele Touristen aus Neuseeland die zahnmedizinische Versorgung auf den Cook Islands in Anspruch nehmen. Die zahnmedizinische Behandlung in Neuseeland ist als private Leistung sehr teuer und so lassen sich die Patienten auf der rund 3.000 Kilomter entfernten Inselgruppe therapieren.

In den Behandlungszimmern herrscht große Unordnung, was die Materiallagerung betrifft, die Arbeit war immer mit Suchen verbunden und ein Aufräumen der Zimmer leider selten von anhaltendem Erfolg. Unsere Behandlungseinheiten funktionierten einigermaßen zuverlässig, eine Veränderung des Drehzahlbereichs der Übertragungsinstrumente war aber nicht möglich. Bei der Aufbereitung der Instrumente wird sich um eine Desinfektion und Sterilisation bemüht. Zusammenfassend mussten wir – erwartungsgemäß – feststellen, dass das zahnmedizinische Behandlungsniveau aufgrund der technischen Ausstattung und der gegebenen Möglichkeiten vor Ort nicht dem deutschen entspricht.

Wir können das Behandlungsniveau vor Ort heben – aber dürfen wir auch?

Auf der kleinen Außeninsel Aitutaki war die Situation erstaunlicherweise besser. Innerhalb der örtlichen Klinik ist ein Behandlungsraum integriert, bestehend aus einem Behandlungsstuhl, einer kleinen Station zur Instrumentenaufbereitung, einem Röntgengerät sowie dem Materiallager. Der vor Ort behandelnde Zahnarzt hat sehr viel für die zahnmedizinische Versorgung bewirkt und bot aufgrund seiner Berufserfahrung während eines Auslandsstudiums eine zahnmedizinische Behandlung auf einem für die gegebenen Möglichkeiten annehmbaren Niveau.

So hat er zum Beispiel den Behandlungsraum umgebaut, eine sorgfältige Materiallagerung geführt und versucht, neuere Geräte anzuschaffen. Und sein eingeführtes „Prophylaxesystem“ war vor allem für Kinder und Jugendliche essenziell. Zweimal jährlich besucht er die Schule vor Ort, um alle Schüler zu kontrollieren und die Eltern zu informieren. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde sogar die Behandlung in der Zahnklinik organisiert.

Leider hat der örtliche Zahnarzt die Insel gemeinsam mit uns verlassen, um einer neuen Anstellung im Ausland nachzugehen. Daher wird sich die zahnmedizinische Versorgung auch auf Aitutaki voraussichtlich wieder verschlechtern und dem Niveau der anderen Außeninseln ohne Zahnarzt angleichen, sofern kein neuer Zahnarzt gefunden wird. Die anderen Studierenden, die wir auf Rarotonga kennengelernt hatten, hatten die Außeninsel Mangaia besucht und waren vor Ort gänzlich auf sich gestellt.

cand. med. dent. Nicole Gumprecht

Düsseldorf

Nicole.Gumprecht@nova-smile.de

Nicole Gumprecht

Zahnarztpraxis Nova-Smile
Münsterstr. 248, 40470 Düsseldorf
nicole.gumprecht@nova-smile.de

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