Studie untersucht Seuchen der letzten 600 Jahre

Von der Pest zur Schweinegrippe: Nach einer Pandemie steigen die Löhne

silv
Die Federal Reserve Bank of San Francisco hat in einer Studie 15 große Seuchen, die die Menschheit seit dem 14. Jahrhundert heimgesucht hatten, verglichen. Ein Ergebnis: Nach einer Pandemie steigen die Löhne.

Forscher der San Francisco Fed haben in ihrer Studie „Longer-run economic consequences of pandemics?“ Pandemien untersucht, die sich in den vergangenen 600 Jahren in Europa ereignet haben. Sie verglichen die wirtschaftliche Entwicklung nach diesen für die Menschen einschneidenden Ereignissen, bei denen mindestens 100.000 Tote zu verzeichnen waren.

Die Löhne steigen um etwa fünf Prozent

Die größte untersuchte Seuche ist die Spanische Grippe, die in den Jahren 1918 bis 1920 rund 100 Millionen Menschen das Leben kostete. Auf Platz zwei folgt die Pest, der „Schwarze Tod“, der in den Jahren 1347 bis 1352 in Europa wütete und 75 Millionen Menschen tötete. Platz drei belegen die „Great Plague of Sevilla“, die Pestwelle, der 1647 bis 1652 rund zwei Millionen Menschen zum Opfer fielen, und die Asiatische Grippe, die in den Jahren 1957 bis 1958 ebenfalls zwei Millionen Menschen tötete.

Die drei an der Studie beteiligten Wissenschaftler Òscar Jordà, Sanjay R. Singh und Alan M. Taylor von der University of California sagen: „Pandemien – wie viele andere Naturkatastrophen – bieten eine einmalige Gelegenheit zu studieren, wie Wirtschaft funktioniert. Pandemien haben Effekte, die über Jahrzehnte andauern.“ Ein Blick auf die Löhne sei deshalb ein „Spiegel, der rund drei Jahrzehnte wirkt“. Im mittleren Wert aller verglichenen europäischen Länder steigen die Löhne dabei um fünf Prozent in den folgenden 30 Jahren nach einer Pandemie.

Die Forscher haben auch Seuchen unter die Lupe genommen, die fast aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden sind, so zum Beispiel die „Sixth Cholera Pandemic“ aus den Jahren 1899 bis 1923 mit weltweit rund 800.000 Toten oder die „Hongkong Flu“ (1968 bis 1969) mit einer Million Todesopfern. Untersucht wurde jeweils der Zeitraum von fast 40 Jahren, der auf das Ende der Seuche folgte.

Das Fazit der Forscher: Eine Pandemie führte in Europa fast immer zu höheren Löhnen. Der Grund: Nach einer Pandemie fehlten aufgrund der vielen Toten Menschen, die arbeiten konnten. Heute würde man es als Fachkräftemangel bezeichnen. Angebot und Nachfrage: Werden die Arbeitskräfte knapp, können diese ihre Forderung nach mehr Geld einfacher durchsetzen. Nach Pandemien gibt es normalerweise keine Zerstörungen, die jenen eines Krieges vergleichbar wären.

Was die Pandemie vom Krieg unterscheidet

Was hingegen wirtschaftlich nach einer Pandemie passiert, ist den Forschern zufolge das Gegenteil dessen, was Volkswirtschaften nach dem Ende eines Krieges erleben. In einem Krieg nämlich würden Werte und Kapital massiv zerstört, so dass es danach zu einer Phase des regen wirtschaftlichen Aufbaus kommt. „Vernichtung von Kapital passiert in Kriegen, aber nicht in Pandemien“, schreiben die Forscher.

Offen ist die Frage, inwieweit die Ergebnisse der Studie auf die Zeit nach der aktuellen Corona-Pandemie anwendbar sein werden. Vermutlich werden langfristig Arbeitskräfte fehlen, aber nicht in dem Maße, die eine Pandemie, die alle Altersgruppen betrifft, auslöst. An COVID-19 sterben viele ältere Menschen, die nicht mehr im Arbeitsleben stehen. Der Schwarze Tod traf dagegen die großen Masse der unter 60-Jährigen.

Nach einer Pandemie sinken die Zinsen

Die Forscher haben im Rahmen ihrer Studie ein weiteres interessantes Detail herausgefunden: Nach Pandemien sind in den vergangenen 600 Jahren meist die Zinsen gesunken, was für Anleger interessant sein könnte. Gleichzeitig haben in den 40 Jahren nach Pandemien die Menschen mehr gespart als vor einer Seuche, um sich für künftige Krisen zu wappnen.

Jordà, Òscar, Sanjay R. Singh, Alan M. Taylor. 2020. „Longer-Run Economic Consequences of Pandemics,“ Federal Reserve Bank of San Francisco Working Paper 2020–09. doi.org/10.24148/wp2020–09

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