Die zm-Kolumne rund um die relevanten Praxisfragen

Existenzgründung und Praxisabgabe in Krisenzeiten – Teil 1: Existenzgründungen

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Christian Henrici
Christian Henrici beantwortet die Frage, welche Auswirkungen die Pandemie für Existenzgründer hat und erklärt im Rückblick, wie sich Angebot und Nachfrage im Anschluss an die letzte Krise entwickelt haben.

Die Corona-Pandemie stellt unser Leben auf den Kopf, verändert Alltagssituationen und was gestern noch unmöglich schien, ist heute Realität. Der Ausbruch des Corona-Virus ist eine Tragödie und mit immer größeren Auswirkungen auf die Weltwirtschaft verbunden. Laut Aussage der Bundesregierung wird die deutsche Wirtschaft in eine schwere Rezession geführt. Sie rechnet für 2020 mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 6,3 Prozent. Es ist trotzdem entscheidend, dass wir in der aktuellen Situation nicht den Kopf verlieren, sondern organisiert und strukturiert die nächsten Schritte wagen. Welche Auswirkungen die aktuelle Situation für Sie und alle anderen Existenzgründer haben kann, möchte ich in dieser Folge gerne beantworten.

Dafür würde ich zunächst gerne einen Rückblick in vergangene Krisen geben. Was lässt sich also aus der vergangenen Wirtschaftskrise in den Jahren 2007–2009 in Hinblick auf die Korrelation zwischen Angebot und Nachfrage an zahnmedizinischen Leistungen sagen?

Praxispreise könnten fallen

Sowohl die Umsatzzahlen, die Anzahl der Niederlassungen und die Anzahl der Arztbesuche haben in den Jahren ab Beginn der Wirtschaftskrise im Jahr 2007 einen Anstieg verzeichnet. Die beiden folgenden Abbildungen (Quelle: KZBV-Jahrbuch 2019) stützen meine These und lassen den Schluss zu, dass die letzte starke Wirtschaftskrise weder starken Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit einer Zahnarztpraxis noch auf die Nachfrage nach zahnmedizinischen Leistungen oder die Anzahl der Praxisschließungen hatte.

Das ist einerseits ein Grund zum Durchatmen, denn eine verringerte Nachfrage nach zahnmedizinischen Leistungen ist trotz eines allgemeinen Rückgangs der Wirtschaft demzufolge nicht zu erwarten und die Corona-Krise wird weniger Auswirkung auf die Unternehmung „Zahnarztpraxis“ als auf die Mehrheit anderer Unternehmungen haben.

Andererseits ist mir sehr wohl bewusst, dass die derzeitige Krise nicht vergleichbar mit anderen ist – einfach aus dem Grund, dass es nun das erste Mal überhaupt einen flächendeckenden „Lockdown“ gab – das haben wir bisher noch nicht erlebt. Zwar wurden Zahnarztpraxen (in Deutschland) nicht explizit geschlossen oder Behandlungen verboten – jedoch wurde zeitweilig darauf hingewiesen, nicht notwendige (Zahn-)Arztbesuche zu meiden.

Um den Bogen zurück zur Existenzgründung zu spannen: Wir werden sicherlich die Auswirkungen der jetzigen Pandemie und des Umsatzrückgangs in den Preisen der abgebenden Zahnarztpraxen wiederfinden. Der immaterielle Wert einer Praxis (Goodwill) wird immer berechnet auf Basis der Jahresabschlüsse der vergangenen drei bis fünf Jahre. Heißt, durch den Umsatzrückgang werden diese Preise fallen. Dabei ist zu beachten, dass der Praxismarkt schon vor der Krise „schwierig“ war. Die Preise sind schon vorher stark gefallen und eine Praxisabgabe ist schwieriger denn je – ich habe in einigen anderen Beiträgen bereits darüber berichtet. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass wir einen Käufermarkt haben, also das Angebot der Zahnarztpraxen höher ist als die Nachfrage. Dies wird allen Prognosen nach auch in den nächsten Jahren so bleiben. Oder andersherum betrachtet: Um eine Praxis zu übernehmen, ist preislich gesehen gerade ein guter Zeitpunkt.

Erfreulich niedriges Zinsniveau

Auch bei einem weiteren Punkt bin ich mir sicher: Die Nachfrage nach zahnmedizinischen Leistungen wird weiterhin oder besser gesagt immer bestehen. Sicher wird die aktuelle Situation vieler Patientinnen und Patienten, die geprägt ist durch finanzielle Unsicherheiten (mehr als zehn Millionen Arbeitnehmer befinden sich in Kurzarbeit, Tendenz steigend), Einfluss auf die Zuzahlungsbereitschaft und somit auch auf die Behandlungen haben. Jedoch zeigt die Erfahrung, dass der Patient für (Mund-)Gesundheit immer bereit war, Geld auszugeben. Somit sind Umsätze – kurzfristig mit Abschlägen – in der Zukunft gesichert. Somit sehe ich auch hier für angedachte Existenzgründungen keine Hürden.

Weiter positiv ist derzeit sicherlich das Zinsniveau für benötige Finanzierungen. Aktuell sind die Zinsen sehr niedrig – Finanzierungen werden teilweise sogar mit weniger als 1 Prozent Finanzierungszins abgeschlossen. Ich beobachte einen Finanzierungszins im Durchschnitt bei unseren begleiteten Existenzgründungen von 0,9 bis 1,3 Prozent. Dazu kommt, dass die ersten zwei bis fünf Jahre in der Regel – je nach Laufzeit und Wunsch des Kreditnehmers – tilgungsfrei sind. Das bedeutet, dass für eine bestimmte Phase die Tilgung des Kredits erst nach Praxisstart beginnt. Dadurch senkt sich die monatliche Rate erheblich und Sie zahlen somit nur einen geringen Preis für Ihre benötigte Praxisfinanzierung – ein weiterer Grund für die Attraktivität einer derzeitigen Existenzgründung.

Zusammenfassend möchte ich Ihnen mitgeben: Seien Sie sich bewusst und sensibilisiert, wie sich die Patienten „nach Corona“ verändern werden. Ich glaube, dass Patienten mehr auf den Bereich Hygiene oder auch den allgemeinen Umgang mit Hygiene sensibilisiert sein werden.

Verfolgen Sie einen klaren Plan!

Aber, für Ihre Existenzgründung empfehle ich nach wie vor: Verfolgen Sie einen klaren Plan. Auch während oder nach der Krise wird die Standortfrage zur Niederlassung eine der wichtigsten sein. Ebenso wie alle folgenden Vorbereitungen, von der Business- & Finanzplanung bis zum Praxismarketing. Organisieren Sie sich, nehmen Sie sich erfahrene Berater im Planungsprozess dazu und nutzen Sie Potenziale. Generell gilt: Egal, ob ein Existenzgründer sich erst kürzlich niedergelassen hat oder ob dieser Schritt noch vor einem liegt, die derzeitige Krise ist ein guter Anlass, sich die Frage zu stellen, wie relevant und beständig das eigene Praxiskonzept ist und was zusätzlich getan werden muss, um diese Relevanz kurz-, mittel- und langfristig zu stärken. Denn ein gutes Praxiskonzept und eine zielgerichtete Marketingstrategie sind ausschlaggebend für eine erfolgreiche Praxisführung.

Bereiten Sie sich vor und nutzen Sie die Euphorie des Wiederaufschwungs. Positionieren Sie sich in Ihrer Region, indem Sie ihre Alleinstellungsmerkmale in ihrem Praxiskonzept herausarbeiten und überzeugen Sie zukünftige Patienten auf diese Weise von Ihrer Originalität.

Fazit: Übernahmepreise als Chance

In einem kurzen Schlussplädoyer subsumiert heißt das: Planen Sie – Suchen Sie einen Standort und gehen Sie mit Banken ins Gespräch. Auch derzeit begleiten wir als OPTI beispielsweise 21 Gründer, wovon im Prozess aufgrund Corona zwei Gründer ihre Pläne um sechs Monate aufgeschoben haben. Alle anderen verfolgen die rote Linie. Chancen sind insbesondere in niedrigeren Übernahmepreisen (dazu mehr im nächsten Teil) und in günstigen Finanzierungen zu finden.

In diesem Sinne ...                     

Ihr Christian Henrici

Henrici@opti-hc.de

www.opti-hc.de

Christian Henrici

Dipl. Kfm. Christian Henrici ist seit 2006 Gründer und Geschäftsführer der OPTI health consulting GmbH, die nach eigenen Angaben seit 2006 rund 3.000 Zahnarztpraxen in Deutschland beraten hat. Henrici ist Lehrbeauftragter und Referent für Controlling, Personal und Businessplanung. Als Autor erschien von ihm im Quintessenz-Verlag das Buch „Wer braucht schon gutes Personal? – Erfolgreich führen in der Zahnarztpraxis“. Christian Henrici schreibt Fachbeiträge zu den Themen Betriebswirtschaft, Organisation und Führung & Personal in der Zahnarztpraxis und seine regelmäßige Kolumne in den zm.

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