Leitartikel

Zahnmedizin – große Expertise in Sachen Hygiene

Dietmar Oesterreich

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

welche Auswirkungen die Pandemie sowohl für unsere Patienten als auch für das Praxisteam besitzt, hat uns alle bewegt. Und ja – auch die Zahnärzte waren verunsichert. Aber inzwischen ist es breiter Konsens, dass unsere Praxen keinen Risikobereich für COVID-19-Infektionen darstellen. Dies ist der Stand nach den vorliegenden nationalen und internationalen Expertenmeinungen. Und das beruht auf den seit Jahren sehr stringent durchgeführten Arbeitsschutz- und Hygienemaßnahmen in den Praxen. Zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen der Zahnärztekammern sowohl für Zahnärzte als auch für unsere Teams haben dazu beigetragen, dass sich hohe Kompetenz und effektive Qualitätsmanagementsysteme im Praxisalltag etabliert haben. Kaum ein anderer medizinischer Fachbereich war so konsequent wie wir: Wo gehören schon Mundschutz, Handschuhe, Desinfektion und Dekontamination selbstverständlich zum medizinischen Alltag? Diese Maßnahmen kennen die Patienten aus der zahnärztlichen Praxis – und zwar schon aus Zeiten, als Mund-Nasen-Schutz noch nicht zur Alltagskleidung gehörte.

Aber Anfang August brachte die WHO den Stein wieder ins Rollen – durch eine Stellungnahme, in der sie empfahl, zahnmedizinische Behandlungen auf die Notfallversorgung zu reduzieren . Angesichts dieser Aussage stellt sich die Frage: Gibt es neue Erkenntnisse, die diese globale Empfehlung rechtfertigen? Wir von der BZÄK, aber auch die American Dental Association (ADA), haben dazu nichts in der WHO-Erklärung gefunden. Belastbare Datenlagen, dass zahnärztliche Behandlungen zu erhöhten Infektionsrisiken führen, gab und gibt es bisher nicht. Zwischenzeitlich ist diese, durch die Medien verkürzt wiedergegebene Empfehlung, auch vom Weltzahnärzteverband FDI und von der WHO selbst klargestellt worden – und zwar mit dem Hinweis auf die Abhängigkeit dieser Empfehlung vom vorhandenen regionalen Infektionsgeschehen und von den vorhandenen staatlichen Anordnungen. Die FDI ist hier auf Intervention der BZÄK und der ERO aktiv geworden. Gleichzeitig wird im gesamten Gesundheitsbereich auf die negativen Folgen und Gesundheitsschäden einer ausbleibenden medizinischen Behandlung hingewiesen. Angesichts der unklaren weiteren Entwicklung zum Infektionsgeschehen und zu einem möglichen Impfstoff – wie lange kann man mögliche irreparable Schäden für die (Mund-) Gesundheit der Weltbevölkerung in Kauf nehmen?

Entscheidungen zur Pandemie können und müssen derzeit oft aufgrund von Expertenmeinungen und ihrer Plausibilität getroffen werden. Die Schwierigkeiten, randomisierte kontrollierte Studien (RCT) in diesem Umfeld durchzuführen, sind bereits ausführlich beschrieben. Somit ist mit Evidenz auf Goldstandardniveau in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Wir sehen nicht tatenlos zu, sondern nutzen unser Expertenwissen, um die empirische Datenlage zu verbessern.

Basierend auf den bewährten Maßnahmen der Hygiene und des Arbeitsschutzes hat die BZÄK Empfehlungen für die Durchführung zahnärztlicher Behandlungen während der Corona-Pandemie erarbeitet. Diese werden auf der Grundlage wissenschaftlicher Studien und internationaler Empfehlungen ständig weiterentwickelt. Um mögliche Übertragungswege in Zahnarztpraxen besser nachvollziehen zu können, benötigen wir aber Ihre Mithilfe, liebe Kolleginnen und Kollegen. Auf Beschluss des Vorstands der BZÄK wurde dafür ein Online-Fragebogen zum Infektionsgeschehen und zu den ergriffenen Maßnahmen des Hygienemanagements in Zahnarztpraxen entwickelt. Der Link dazu wird Ihnen von Ihrer (Landes-)Zahnärztekammer zur Verfügung gestellt.

Ich darf Sie auf diesem Weg herzlich darum bitten, sich an dieser Meldemöglichkeit unbedingt zu beteiligen.

Wir erfüllen damit zwei wichtige Aufgabenstellungen. 1. Wir sorgen mit eigenen Daten für die eigene größtmögliche Sicherheit, aber auch für die uns anvertrauten Patienten. 2. Als wichtige Fachdisziplin der medizinischen Grundversorgung übernehmen wir selbst die Verantwortung und erweitern unsere Expertise. Übrigens: Abstriche nehmen und Impfen könnten auch Zahnärztinnen oder Zahn-ärzte. Wenn gewollt, dann muss der Gesetzgeber hierzu aktiv werden.

Prof. Dr. Dietmar Oesterreich,

Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.