Zahnarztbehandlungen in Corona-Zeiten

Eine WHO-Meldung sorgt für Irritationen

mg/ck
Eine Veröffentlichung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), in der sie – abgesehen von Notfällen – von Zahnarztbehandlungen abgeraten hatte, schlug Anfang August in den Medien hohe Wellen. Umgehend wies die Zahnärzteschaft geschlossen darauf hin, dass Zahnarztbesuche in Deutschland völlig sicher sind. Am Ende korrigierte die WHO ihre Aussage.

In einer nicht landesspezifischen Empfehlung vom 3. August hatte die WHO dazu geraten, von nicht dringenden Zahnbehandlungen abzusehen, bis die Übertragungsrate von COVID-19 „ausreichend“ gesunken sei. Auch Vorsorgeuntersuchungen und Prophylaxe sollten so lange verschoben werden.

Die Übertragung von SARS-CoV-2 könne durch direkten, indirekten oder engen Kontakt mit infizierten Personen sowie „durch infizierte Sekrete wie Speichel und Atemsekrete oder über deren Atemwege erfolgen“, begründete die WHO ihre Empfehlung, die sie am 11. August auf Twitter verbreitete.

Statement BMG

„Die von der WHO mit Datum vom 3. August 2020 gegebene Empfehlung ist abhängig von den jeweiligen nationalen Gegebenheiten zu interpretieren“, teilte das BMG auf Anfrage mit. Dies entspreche „offensichtlich auch der Absicht der WHO, die in ihrer Empfehlung auf die Vorgabe eines konkreten Reproduktionswertes verzichtet, oberhalb dessen zahnärztliche Behandlungen nur eingeschränkt erfolgen sollten“.

Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) relativierte die zuerst von einer französischen Nachrichtenagentur weiterverbreitete Empfehlung: Diese sei „nicht für alle Länder und alle Infektionslagen weltweit gemeint und basiert auf einer Übersetzung- und Interpretationsungenauigkeit“. Es handele sich um eine globale Empfehlung, die speziell für die Situation in Deutschland interpretiert werden müsse. „Die aktuelle Ausbreitungssituation von COVID-19 in Brasilien, den USA oder afrikanischen Staaten ist eben nicht mit Deutschland vergleichbar“, stellte die BZÄK klar. „In derartigen Infektionslagen rät die WHO in ihrer Originalpublikation, zahnmedizinische Vorsorge-Behandlungen so lange zu verschieben, bis eine ausreichende Reduktion der Übertragungsraten stattgefunden hat – oder gemäß den offiziellen gesundheitspolitischen Empfehlungen auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene zu verfahren.“

Deutschland ist nicht Brasilien

Es sei schwierig, für 193 unterschiedliche Staaten auf der Welt mit sehr ungleichen Gesundheits- und Politiksystemen pauschale Empfehlungen abzugeben. „Ein differenziertes Vorgehen und Vorsicht hingegen sind hilfreich, ebenso wie hohe Hygienestandards“, betonte BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel. „In Deutschland ist die Infektionsrate aktuell immer noch niedrig, vor allem im Vergleich zu anderen Staaten. Zudem haben wir eigene offizielle nationale Empfehlungen für die Gesundheitsversorgung. Entscheidend sind jedoch auch die hiesigen strengen Hygienevorschriften und die moderne Praxisausstattung: Die deutsche Zahnmedizin ist im Bereich Hygiene hervorragend aufgestellt.“

Das WHO-Papier führt laut BZÄK zurück zu einer Diskussion, die die deutsche Zahnmedizin bereits vor mehr als vier Monaten geführt wurde. Im Abgleich mit sämtlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen habe der Deutsche Arbeitskreis für Hygiene in der Zahnmedizin eine Stellungnahme zum Verhalten in der Praxis vorgelegt, die die relevanten Punkte zum Infektionsschutz adressiert.

Entscheidend sind strenge Hygienevorschriften

Die BZÄK verweist in dem Zusammenhang auf eine Studie aus Wuhan: Dort hatten im Dezember und Januar weder Zahnärzte, Ärzte oder Patienten von der Epidemie gewusst. Etwa 120.000 Patienten wurden ohne Kenntnis unter den üblichen zahnmedizinischen Bedingungen behandelt. Von den 1.098 Mitarbeitern der Universitätszahnklinik haben sich allerdings nur 3 Zahnärzte, 3 ZFAs, 2 Verwaltungsmitarbeiterinnen und 1 postgradualer Student infiziert – drei davon mit hoher Wahrscheinlichkeit privat. „Dass die WHO mit ihrer Aussage nun kommt, verwundert sehr, insbesondere auch weil keinerlei Gründe genannt werden, die eine neue Lage beschreiben. Solche Gründe wären der Bundeszahnärztekammer auch nicht bekannt.“

Korrektur der WHO

Am 18. August korrigierte die WHO ihre missverständliche Empfehlung. Diese habte demnach ausschließlich auf ein intensives, unkontrolliertes Übertragungsszenario abgezielt – und passe damit nicht zur aktuellen Situation der meisten europäischen Länder, insbesondere nicht auf Deutschland. Um unnötige Sorgen von Patienten zu vermeiden, sei es wichtig, dass die Öffentlichkeit, die nationalen Zahnärzteverbände und die Gesundheitsbehörden die vollständige Aussage der Empfehlung weiterverbreiten.

Die Einschätzung, dass Patienten sich in Deutschland auch während der Corona-Pandemie gefahrlos von ihrem Zahnarzt behandeln lassen können, teilen der Weltzahnärzteverband (FDI), das Bundesgesundheitsministerium (BMG), die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und sämtliche weiteren Zahnärzteorgansiationen.

Auf Initiative der BZÄK korrigierte die FDI am 14. August in einer Erklärung die Veröffentlichung der WHO. „Eine Fehlinterpretation des WHO-Dokuments hat in einigen Medien zu Verwirrung und zur Verbreitung ungenauer und irreführender Informationen geführt“, teilte die FDI in ihrer Stellungnahme mit. „Im Gegensatz zu jüngsten Medienberichten können Menschen auch unter COVID-19 gefahrlos zum Zahnarzt gehen und Mundgesundheitsdienste in Anspruch nehmen, wenn die Vorschriften eines Landes dies zulassen.“

Auch die WHO hat die Empfehlung mittlerweile korrigiert: Sie zielte demnach ausschließlich auf ein intensives, unkontrolliertes Übertragungsszenario ab und passe somit nicht zur aktuellen Situation der meisten europäischen Länder und insbesondere nicht auf Deutschland.

mg/ck

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