MKG-Chirurgie

Überpresstes Provisorienmaterial als Ursache für eine Sinusitis maxillaris

Heftarchiv Zahnmedizin Chirurgie
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Jan Rustemeyer
Mund-Antrum-Verbindungen (MAV) können bei jeder Extraktion im Oberkieferseitenzahnbereich entstehen. Als zusätzliche Komplikation wurde bei diesem besonderen Fall Provisorienmaterial über eine MAV in die Kieferhöhle überpresst und damit eine Sinusitis maxillaris ausgelöst.

Die Sinusitis maxillaris stellt ein häufiges Krankheitsbild dar. Dabei wird eine rhinogene von einer odontogenen Sinusitis maxillaris unterschieden. Die im Zuständigkeitsbereich der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde liegende odontogene Sinusitis maxillaris entsteht am häufigsten durch eine persistierende MAV nach Eröffnung der Kieferhöhle bei Extraktionen im Oberkieferseitenzahnbereich [Borgonovo et al., 2012; Akhlaghi et al., 2015]. Wird eine MAV nach Extraktion bei primär entzündungsfreier Kieferhöhle nicht plastisch gedeckt, kommt es zu einer Besiedlung derKieferhöhle durch Bakterien der Mundhöhle. Als Folge der bakteriellen Kontamination kann es dann zur Entstehung einer Sinusitis maxillaris kommen [Khandelwal und Hajira, 2017].

Weitere Ursachen für eine odontogene Sinusitis sind periapikale Prozesse, chronische Mund-Antrum-Fisteln, odontogene Zysten, fehlinserierte Implantate, Mykosen oder aber auch in selteneren Fällen Fremdkörper [Dufour et al., 2005; Arias-Irimia et al., 2010; Simuntis et al., 2014; Little et al., 2018; Kim, 2019]. Bei den Fremdkörpern handelt es sich häufig um Wurzelreste, Implantate oder Wurzelfüllmaterial [Liston und Walters, 2002]. Aber auch seltene Fälle mit Fremdkörpern in Form eines Zahnstochers [Sahin et al., 2012] oder Sand [Dunagan et al., 1997] werden in der Literatur beschrieben.

 Bei einer chronischen Sinusitis maxillaris empfiehlt es sich, den Fokus zu sanieren und die Drainage der Kieferhöhle über das natürliche Ostium wiederherzustellen. Wenn dieses Procedere nicht ausreicht, ist die Kieferhöhle operativ zu sanieren. Dabei sind polypöse Schleimhautanteile zu entfernen, damit die Sinusitis maxillaris ausheilen kann [Reinert und Lindorf, 2012]. Bei einem Fremdkörper in der Kieferhöhle ist die operative Entfernung des Fremdkörpers obligat.

Kasuistik

Ein männlicher 72-jähriger Patient wurde mit Beschwerden im Oberkiefer links vom behandelnden Hauszahnarzt mit dem Verdacht auf überpresstes Provisorienmaterial in die linke Kieferhöhle überwiesen.

Allgemeinanamnestisch gab der Patient einen medikamentös eingestellten Hypertonus an und wies einen guten Allgemeinzustand auf. Drei Monate zuvor waren durch den Zahnarzt die Zähne 25 und 26 extrahiert und direkt anschließend die benachbarten Zähne 23 und 27 (24 fehlt mit Lückenschluss) mit einem Brückenprovisorium versorgt worden. Bei Erstvorstellung in unserer Ambulanz äußerte der Patient seit einem Tag bestehende Schmerzen in der Molarenregion des Oberkiefers links.

Intraoral lag ein unauffälliger Befund bei einem konservierend und prothetisch suffizient versorgten Gebiss vor. Von 23–27 befand sich eine provisorische prothetische Versorgung in Form eines Kunststoff-Brückenprovisoriums in situ. Es bestanden keine Schwellung oder weitere Entzündungszeichen im zweiten Quadranten. Aufgrund des röntgenologischen Befunds beim vom Patienten mitgebrachten Teil-Orthopantomogramm (OPT) (Abbildung 1) bestand der Verdacht auf einen in der linken Kieferhöhle lokalisierten Fremdkörper mit begleitender Sinusitis maxillaris als Ursache seiner Beschwerden. Zur genauen Lokalisierung des Fremdkörpers wurde als weitere Bildgebung eine Computertomografie der Nasennebenhöhlen (CT-NNH) durchgeführt. Die CT-NNH bestätigte den Verdacht auf Vorliegen eines Fremdkörpers innerhalb der Kieferhöhle sowie die nahezu vollständige Verlegung des Sinus maxillaris (Abbildung 2).

Während des Eingriffs in ambulanter Intubationsnarkose zeigte sich eine persistierende MAV regio 026 mittig auf dem Alveolarkamm mit Pusabfluss. Nach Präparation eines trapezförmigen Mukoperiostlappens wurde ein Knochendeckel angelegt und der Fremdkörper aus der linken Kieferhöhle geborgen (Abbildung 3). Der Fremdkörper stellte sich als circa 2,5 cm großer Block aus Provisorienmaterial dar. Entzündliche, polypöse Kieferhöhlenschleimhautanteile wurden zur pathohistologischen Untersuchung eingesandt. Ein Anhalt auf eine spezifische Infektion oder auf einen Tumor fand sich hierbei nicht. Der Abfluss über das Ostium naturale nach Entfernung des polypösen Anteils der Kieferhöhlenschleimhaut war gewährleistet, sodass von einer weiteren Drainage abgesehen wurde.

Nach Reposition des Knochendeckels erfolgten die Fixierung mittels einer Mikro-Osteosyntheseplatte (Abbildung 4) und der spannungsfreie und dichte Wundverschluss. Der Patient wurde postoperativ über entsprechende Verhaltensmaßnahmen aufgeklärt und antibiotisch für fünf Tage mit Sultamicillin 375 mg per os (2 x 2 /d) therapiert. Zudem wurden abschwellende Nasentropfen und Analgetika rezeptiert. Bei der Nachkontrolle fünf Tage später war die Wundheilung zeit- und stadiengerecht. Das postoperative OPT ergab eine vollständige Entfernung des Fremdkörpers (Abbildung 5).

Diskussion

Zahnextraktionen gehören zum klinischen Alltag einer Zahnarztpraxis. Bei jeder Zahnextraktion im Oberkiefer kann als Komplikation eine MAV entstehen, sodass eine potenzielle Verbindung post extractionem zu kontrollieren und auszuschließen ist. Bei entstandener MAV ist diese adäquat zu versorgen, um eine Infektion der Kieferhöhle mit Keimen der Mundflora zu vermeiden. Nur in Ausnahmefällen ist eine plastische Deckung einer MAV nicht zwingend notwendig. Bei einer kleinflächigen Eröffnung der Kieferhöhle bis zu einer Größe von 3 mm bei Zahnextraktionen kann es zur Spontanheilung kommen [Borgonovo et al., 2012].

Im beschriebenen Fall kam es zur Überpressung von Provisorienmaterial in die Kieferhöhle über eine Extraktionsalveole bei bestehender MAV. Erst durch das zur Diagnostik durchgeführte OPT wurde der Fremdkörper als Grund für die Beschwerden des Patienten gefunden.

Zur Entfernung eines Fremdkörpers in der Kieferhöhle sind prinzipiell verschiedene Verfahren denkbar. Naheliegend wäre die Entfernung des Fremdkörpers durch die bestehende MAV gewesen. Aufgrund der Diskrepanz zwischen der Größe des Fremdkörpers und der Größe der MAV schied diese Variante aus. Eine zweite Variante stellt die atraumatische endoskopische Nasennebenhöhlenchirurgie dar [Simuntis et al., 2014]. Aber auch bei dieser Variante führte das radiologisch gesicherte, relativ große Volumen des Fremdkörpers bereits präoperativ zu einem Ausschluss der Verwendung eines Endoskops [Akhlaghi et al., 2015]. Hieraus folgte, dass eine Fensterung der Kieferhöhlenwand notwendig wurde, um transantral sicher den Fremdkörper zu bergen. Dabei wurden möglichst atraumatisch nur die polypösen Anteile der Kieferhöhlenschleimhaut entfernt und die physiologische Funktion der Kieferhöhlenschleimhaut damit erhalten [Reinert und Lindorf, 2012; Reinert und Krimmel, 2014].

Dr. med. dent. Astrid Sophie Hoffmann

FB Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie

MVZ Ambulanz Bremen GmbH

St.-Jürgenstr.1, 28205 Bremen

Prof. Dr. Dr. Jan Rustemeyer

Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen

Klinikum Bremen-Mitte, 28177 Bremen E-mail:

Fazit für die Praxis

  • Eine chronische Sinusitis maxillaris kann über einen längeren Zeitraum asymptomatisch verlaufen.

  • Bei jeder Extraktion sollte die Entstehung einer MAV geprüft und gegebenenfalls umgehend behandelt werden.

  • Wird nach einer Extraktion intraoral ein Provisorium hergestellt oder eine Abformung durchgeführt, so ist die Abdeckung der frischen Extraktionsalveole zu empfehlen.

  • Fremdkörper in der Kieferhöhle sind hinsichtlich ihrer Lage radiologisch im OPT und im CT/DVT gut bestimmbar.

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Literaturliste:

Akhlaghi F, Esmaeelinejag M, Safai P. Etiologies of odontogenic maxillary sinusitis: a systematic review. Iran Red Crescent Med J 2015; 17(2): e25536

Arias-Irimia O, Barona-Dorado C, Santos-Marino JA, Martínez-Rodriguez N, Martínez-González JM. Meta-analysis of the etiology of odontogenic maxillary sinusitis. Med Oral Patol Oral Cir Bucal. 2010;15(1):e70-e73. doi:10.4317/medoral.15.e70

Borgonovo AE, Berardinelli FV, Favale M, Maiorana C. Surgical options in oroantral fistula treatment. Open Dent J. 2012;6:94‐98. doi:10.2174/1874210601206010094

Dufour X, Kauffmann-Lacroix C, Ferrie JC, et al. Paranasal sinus fungus ball and surgery: a review of 175 cases. Rhinology. 2005;43(1):34-39.

Dunagan DP, Cox JE, Chang MC, Haponik EF. Sand aspiration with near-drowning. Radiographic and bronchoscopic findings. Am J Respir Crit Care Med. 1997;156:292-295. doi:10.1164/ajrccm.156.1.9610092.

Khandelwal P, Hajira N. Management of Oro-antral Communication and Fistula: Various Surgical Options. World J Plast Surg. 2017;6(1):3-8.

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Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie (2019) Leitlinie odontogene Sinusitis maxillaris. AWMF-Leitlinienregister 007-086. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/007-086l_S2k_Odontogene-Sinusitis-maxillaris_2019-06.pdf. Liston PN, Walters RF. Foreign bodies in the maxillary antrum: a case report. Aust Dent J. 2002;47(4):344-346. doi:10.1111/j.1834-7819.2002.tb00549.x. Little RE, Long CM, Loehrl TA, Poetker DM. Odontogenic sinusitis: A review of the current literature. Laryngoscope Investig Otolaryngol. 2018;3(2):110-114. doi:10.1002/lio2.147.

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Sahin YF, Muderris T, Bercin S, Sevil E, Kırıs M. Chronic maxillary sinusitis associated with an unusual foreign body: a case report. Case Rep Otolaryngol. 2012;2012:903714. doi:10.1155/2012/903714

Simuntis R, Kubilius R, Vaitkus S. Odontogenic maxillary sinusitis: a review. Stomatologija. 2014;16(2):39-43.

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