Leitartikel

Mehr sinnvoll möglich als gedacht

Martin Hendges

Die Corona-Pandemie zwingt uns in vielerlei Hinsicht, neue Wege zu gehen beziehungsweise bestehende Wege stärker zu nutzen als dies bisher der Fall war. So sind seit Oktober vergangenen Jahres Videosprechstunden, Videofallkonferenzen und Telekonsilien in der vertragszahnärztlichen Versorgung verankert und werden entsprechend auch vergütet. Nicht wenige Kolleginnen und Kollegen stellen sich aber die Frage, weshalb sie solche visuellen digitalen Kommunikationsmittel in ihrer Praxis nutzen sollen. Ich kann diese Zurückhaltung durchaus verstehen. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass insbesondere die Bedeutung von Videosprechstunden in der zahnärztlichen Versorgung stetig steigen wird, denn die Vorteile liegen auf der Hand – für Zahnarztpraxen und Patienten gleichermaßen.

Dem Verzicht auf unmittelbaren physischen Kontakt von Behandler und Patient – soweit sinnvoll und machbar – kommt gerade in Ausnahmesituationen wie derzeit in der Corona-Pandemie eine besondere Bedeutung zu. Dies betrifft vor allem die Versorgung infizierter und unter Quarantäne gestellter Personen. Im vergangenen Jahr hat das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) ein System von Standardvorgehensweisen (SOP) für Zahnarztpraxen während der Corona-Pandemie entwickelt, das in den Praxen erfolgreich zur Anwendung kommt. Darin bieten sich in meinen Augen Videosprechstunden geradezu dafür an, infizierte oder in Quarantäne gestellte Patienten im System zu leiten und gegebenenfalls in die Schwerpunktpraxen zu navigieren.

Vor diesem Hintergrund und den jetzt gewonnenen Erfahrungen muss aus meiner Sicht unbedingt über die weitere Ausdehnung von Videoanwendungen auf die Versorgung aller Versicherten nachgedacht werden. Insbesondere für vulnerable Patientengruppen wie Pflegebedürftige und Menschen mit Beeinträchtigung, aber auch für betreuende Angehörige oder Pflegepersonal sind erhebliche Erleichterungen mit diesen technischen Innovationen verbunden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn lange Anfahrtswege vermieden oder der Bedarf dafür zumindest verringert werden kann.

Aber verständlicherweise kommen solche Innovationen nur zur Anwendung, wenn sie mit vertretbarem Aufwand umsetzbar sind und dem Aufwand entsprechend angemessen honoriert werden. Im vergangenen Jahr wurden deshalb in entsprechenden Vereinbarungen die Anforderungen an die technischen Voraussetzungen zur sicheren Durchführung von Videosprechstunden und Telekonsilien geregelt. Demnach können solche Sprechstunden in der zahnärztlichen Versorgung mit Patienten sowie Videofallkonferenzen mit Pflegepersonal bei Versicherten abgerechnet werden, die einem Pflegegrad zugeordnet sind oder Eingliederungshilfe erhalten. Auch für Versicherte, bei denen zahnärztliche Behandlungen im Rahmen eines Kooperationsvertrags erbracht werden, sind diese Leistungen jetzt Bestandteil des Leistungskatalogs. Telekonsilien hingegen sind bezogen auf alle Versicherten abrechenbar.

Um Zahnärztinnen und Zahnärzten den Einstieg in diese digitalen Kommunikationsmittel zu erleichtern und ihnen vielleicht auch ein Stück weit besagte Skepsis zu nehmen, hat die KZBV jetzt die Broschüre „Videosprechstunden, Videofallkonferenzen und Telekonsile in der vertragszahnärztlichen Versorgung – Die wichtigsten Informationen für Zahnarztpraxen“ veröffentlicht. Die Publikation, die kostenlos auf unserer Website zum Herunterladen bereitsteht, erläutert Vertragszahnärzten und Praxisteams anschaulich, welche technischen Anforderungen und Voraussetzungen beachtet werden müssen. Wie man von der analogen zur digitalen Sprechstunde kommt, erklären wir in leicht verständlichen Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Die Informationen werden künftig fortlaufend ergänzt und aktualisiert. Materialien zum Thema speziell für Patienten sowie für die zahnärztliche Versorgung in Pflegeheimen und vergleichbaren Einrichtungen sind in Arbeit und werden in Kürze veröffentlicht.

Daher kann ich alle Vertragszahnärztinnen und -zahnärzte nur auffordern, sich mit dem Thema zumindest einmal näher zu beschäftigten. Denn es ist inzwischen mehr sinnvoll möglich als gedacht.

Martin Hendges,

Stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung

Weitere Informationen unter: www.kzbv.de/videosprechstunden

ZA Martin Hendges

Vorstandsvorsitzender der KZBV
Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung

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