Studienbesprechung

Was taugt die Studie von Dr. Wolff?

Stefan Zimmer
Im Januar 2021 erschien in der renommierten Fachzeitschrift Scientific Reports eine klinische Studie zur Wirksamkeit einer Zahnpasta mit mikrokristallinem Hydroxylapatit im Vergleich zu einer Fluoridzahnpasta bei Kindern. Die Frage, ob Fluorid durch einen alternativen Inhaltsstoff in Zahnpasten in Bezug auf Kariesschutz gleichwertig ersetzt werden kann, ist für die Fachöffentlichkeit, aber auch für den Verbraucher, von hohem Interesse. Aus diesem Grund erfolgt hier eine kurze Beschreibung und eine Bewertung der wichtigsten Ergebnisse.

Methodik: 

Bei der neuen Studie zur Wirksamkeit einer Kinder-Zahnpasta mit mikrokristallinem Hydroxylapatit1 handelt es sich um eine multizentrische, zweiarmige, doppelblinde, randomisierte klinische Non-Inferioritäts-Studie* mit einer Laufzeit von knapp einem Jahr (336 Tage). Primärer Endpunkt war der Anteil der Studienpopulation, der mindestens eine neue kariöse Schmelzläsion ≥ Score1 nach dem International Caries Detection and Assessment System (ICDAS) oder eine Verschlechterung einer bestehenden Kariesläsion um mindestens einen ICDAS-Score an einem Milchmolaren aufwies. Das heißt, dass alle Stadien einer kariösen Veränderung einschließlich erster Anzeichen einer Initialläsion gewertet wurden. 

214 Kinder im Alter von drei bis sieben Jahren wurden an den Universitätszahnkliniken von Poznan und Bialystok (Polen) in die Studie eingeschlossen und gleichmäßig auf zwei Gruppen verteilt. Den Kindern der Testgruppe wurde eine Zahnpasta mit 10 Prozent mikrokristallinem Hydroxylapatit (HAP, Kinder Karex), denen der Kontrollgruppe eine Zahnpasta mit 500 ppm Aminfluorid (Fluorid, elmex-Kinder-Zahnpasta, alte Formulierung) zugeteilt. Zweimal am Tag (morgens und abends) wurden die Zähne der Kinder von den Eltern jeweils für drei Minuten mit der zugewiesenen Zahnpasta und einer elektrischen Zahnbürste geputzt, zusätzlich putzten die Kinder einmal selbst (mittags) drei Minuten lang. Alle 84 Tage fand eine Untersuchung statt und die Qualität der Mundhygiene wurde überprüft.

Ergebnisse: 

177 Kinder schlossen die Studie in der vorgesehenen Weise ab (per protocol Analyse), 88 in der Test- und 89 in der Kontrollgruppe. In der Testgruppe (HAP) wurde ein Karieszuwachs in 72,7 Prozent der Fälle festgestellt, in der Kontrollgruppe (Fluorid) waren es 74,2 Prozent. Die Analyse der 95-Prozent-Konfidenzintervalle ergab eine Gleichwertigkeit beider Zahnpasten in Bezug auf die Kariesprävention. Eine Überlegenheit eines der beiden Produkte konnte nicht gezeigt werden.

Reaktion von Dr. Wolff

Nachdem Dr. Wolff erst zugesagt hatte, die Besprechung von Prof. Zimmer gerne in Form von einer Stellungnahme kommentieren zu wollen, sagte uns das Unternehmen dann kurzfristig ab: „Wissenschaftlich können wir die Argumentation von Herrn Prof. Zimmer nicht nachvollziehen und werden uns zu gegebener Zeit im Detail äußern. Vielen Dank für Ihr Verständnis.“

Kommentar: 

Die Studie belegt für einen Zeitraum von knapp einem Jahr die Gleichwertigkeit der untersuchten Zahnpasta mit 10 Prozent mikrokristallinem Hydroxylapatit im Vergleich zu einer Kinderzahnpasta mit 500 ppm Fluorid. Da es keine negative Kontrollgruppe mit einer Zahnpasta ohne Wirkstoff (Placebo) gab, gibt die Studie jedoch keine Auskunft darüber, ob von den Wirkstoffen überhaupt ein Nutzen ausgegangen ist. Bisherige Studien konnten keine signifikante Wirksamkeit von Zahnpasten mit 500 ppm Fluorid im Vergleich zu einem Placebo belegen.2

Diese Erkenntnis hat dazu geführt, dass die einschlägigen deutschen wissenschaftlichen Fachgesellschaften im Einklang mit den Empfehlungen der European Academy of Pediatric Dentistry (EAPD) und der American Dental Association (ADA) seit 2018 Kinderzahnpasten mit 1.000 ppm Fluorid empfehlen.3-5

Da in der vorliegenden Studie für die Zahnpasta mit 10 Prozent mikrokristallinem Hydroxylapatit eine Gleichwertigkeit mit einer Zahnpasta mit 500 ppm Fluorid nachgewiesen wurde, erscheint es naheliegend, dass sich auch für die untersuchte HAP-Zahnpasta kein signifikanter kariespräventiver Effekt gegenüber einem Placebo nachweisen lässt.

Univ.-Prof. Dr. Stefan Zimmer

Lehrstuhlinhaber und Abteilungsleiter für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin,
Universität Witten/Herdecke
Alfred-Herrhausen-Str. 50, 58448 Witten
stefan.zimmer@uni-wh.de

und

Präsident der Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin DGPZM

Literaturliste

1. Paszynska E , Pawinska M, Gawriolek M, Kaminska I, Otulakowska-Skrzynska J, Marczuk-Kolada G, Rzatowski S, Sokolowska K, Olszewska A, Schlagenhauf U, May TW, Amaechi BT, Luczaj-Cepowicz E: Impact of a toothpaste with microcrystalline hydroxyapatite on the occurrence of early childhood caries: a 1-year randomized clinical trial. Sci Rep 2021 Jan 29;11(1):2650. doi: 10.1038/s41598–021–81112-y.

2. Walsh T, Worthington HV, Glenny AM, Marinho VCC, Jeroncic A: Fluoride toothpastes of different concentrations for preventing dental caries. Cochrane Database of Systematic Reviews 2019, Issue 3. Art. No.: CD007868. DOI: 10.1002/14651858.CD007868.pub3.

3. Toumba KJ,·Twetman S, Splieth C, Parnell C, van Loveren C, Lygidakis NA: Guidelines on the use of fluoride for caries prevention in children: an updated EAPD policy document. European Archives of Paediatric Dentistry (2019) 20:507–516 doi.org/10.1007/s40368–019–00464–2

4. American Dental Association Council on Scientific Affairs: Fluoride toothpaste use for young children. J Am Dent Assoc 2014;145(2):190–191 DOI: 10.14219/jada.2013.47. Erratum in J Am Dent Assoc. 2014 Mar;145(3):236

5. Deutsche Gesellschaft für Präventivzahnmedizin. Neue Empfehlungen für Kinderzahnpasten mit Fluorid. www.dgpzm.de/neue-empfehlungen-fuer-kinderzahnpasten-mit-fluorid

* Non-Inferioritäts-Studie = Studientyp, der geeignet ist zu zeigen, dass ein Produkt einem anderen nicht unterlegen ist.

Prof. Stefan Zimmer

Universität Witten/Herdecke
Lehrstuhl für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin
Alfred-Herrhausen-Str. 50
58448 Witten

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