PAR-Richtlinie

Hintergründe der neuen PAR-Leistungen

Am 1. Juli tritt die neue Richtlinie zur systematischen Behandlung von Parodontitis und anderer Parodontalerkrankungen (PAR-Richtlinie) in Kraft. Der KZBV-Vorstand hat insbesondere die Bewertungen der neuen Leistungen in einem Hintergrundgespräch erläutert. DG Paro, DGZMK und DGAZ sehen in der neuen PAR-Richtlinie einen großen Erfolg.

Für den Vorstand der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) stellt die neue PAR-Richtlinie, die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 17. Dezember 2020 beschlossen hatte, einen Meilenstein in der Behandlung der Volkskrankheit Parodonitis dar ( siehe Leitartikel zm 10 ). Die Inhalte der neuen Richtlinie setzen auf den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und der neuen Klassifikation parodontaler Erkrankungen der Fachgesellschaften auf. 

„Die Erkrankung kann auf dieser Grundlage künftig mit umfassenden, am individuellen Bedarf der Patienten ausgerichteten Maßnahmen bekämpft werden“, erklärte der KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer in einem Hintergrundgespräch am 12. Mai. Er betonte gleichzeitig, dass eine zeitgemäße Therapie nur dann effektiv in der Versorgung umgesetzt werden könne, wenn die Leistungen auch angemessen honoriert würden. Dieses Ziel habe man mit dem vorliegenden Leistungskatalog, der noch durch das Bundesgesundheitsministerium genehmigt werden muss, erreicht. KZBV und GKV-Spitzenverband hatten sich am 30. April im Rahmen der PAR-Richtlinie einvernehmlich auf die Einführung neuer Gebühren in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab verständigt.

Erstmals sprechende Zahnmedizin im Katalog

Besondere Bedeutung misst Eßer der Sprechenden Zahnmedizin zu. „Die sprechende Zahnmedizin in der Parodontitistherapie findet erstmals Eingang in die GKV-Versorgung“, erklärte er. Es gehe dabei darum, den Patienten auf Augenhöhe in der Therapie mitzunehmen. Dies sei insbesondere bei der Parodonitis, wo die Patienten in der Regel wenig über die Entstehung und die Folgen wüssten, von großer Wichtigkeit. Das Parodontologische Aufklärungs- und Therapiegespräch (ATG) wird künftig mit 28 Punkten bewertet. Die Richtlinie und die neuen Leistungsbeschreibungen sind auf der Website der KZBV abrufbar (siehe QR-Code am Ende des Artikels).

In diesem Zusammenhang kommt auch dem Parodontalen Screening Index (PSI) eine besondere Rolle zu (BEMA-Ziffer 04). Als wirksames Instrument der Früherkennung soll der PSI die Grundlage für eine zielgerichtete Therapieentscheidung liefern. Die PSI-Ergebnisse und der sich daraus ergebende Behandlungsbedarf erhält der Patient künftig in schriftlicher Form, so dass er von Beginn an in die Behandlung eingebunden wird. Der PSI wird künftig mit zwölf Punkten abgerechnet werden können. 

Zentraler Bestandteil ist auch die umfangreiche UPT

Ein weiterer zentraler Bestandteil der neuen Richtlinie ist die unterstützende Parodontitistherapie (UPT) – insbesondere im Hinblick auf die nachhaltige Sicherung des Behandlungserfolgs. Sie ist ein wesentlicher Therapieschritt, um die Ergebnisse der antiinfektiösen und gegebenenfalls chirurgischen Therapie zu sichern, die Patientenmotivation und die Aufrechterhaltung der Mundhygiene zu fördern und zu erhalten.

Die UPT setzt sich aus folgenden Bausteinen zusammen:

a. Mundhygienekontrolle: 18 Punkte

b. Mundhygieneunterweisung (falls erforderlich): 24 Punkte

c. supragingivale und gingivale Reinigung aller Zähne von anhaftenden Biofilmen und Belägen: je Zahn 3 Punkte

d. Messung von Sondierungsbluten und Sondierungstiefen: 15 Punkte

e. subgingivale Instrumentierung bei Sondierungstiefen von 4 mm oder mehr: je einwurzeligem Zahn 5 Punkte,

f. je mehrwurzeligem Zahn 12 Punkte

g. Untersuchung des Parodontalzustands: 32 Punkte

Diese Maßnahmen sollen für einen Zeitraum von zwei Jahren regelmäßig erbracht werden. Die Häufigkeit richtet sich dabei nach dem festgestellten Grad der Erkrankung im Rahmen der Ersterhebung zu Beginn der Therapie und liegt zwischen ein- und dreimal pro Jahr. Es besteht auch die Möglichkeit einer Verlängerung der UPT. Dafür ist die Genehmigung der Kasse Voraussetzung.  

Interview mit Prof. Dr. Bettina Dannewitz

„Davon werden unsere Patienten profitieren“

Über die Auswirkungen der neuen PAR-Richtlinie sprachen die zm mit der DG-Paro- Präsidentin Prof. Dr. Bettina Dannewitz.

Was bedeutet die Umsetzung der neuen PAR-Richtlinie zum 1. Juli aus wissenschaftlicher Sicht für die Versorgung der Parodontitis-Behandlung in Deutschland?

Im Hinblick auf die Prävalenz und die Auswirkungen der Erkrankung muss die Prävention und Therapie von Parodontitis ein fester Bestandteil der zahnmedizinischen Versorgung unserer Patienten sein. Es findet aber seit Jahrzehnten viel zu wenig Parodontitistherapie in Deutschland statt. Grund dafür sind sicherlich auch die bestehenden PAR-Richtlinien, in der wichtige Elemente für eine nachhaltig erfolgreiche Behandlung von parodontal erkrankten Patienten fehlen. Die Abwertung parodontologischer Kernleistungen bei der Umrelationierung des BEMA im Jahr 2004 hat die Rahmenbedingungen in der Praxis für PAR-Therapie zudem weiter verschlechtert. Die neue Versorgungsstrecke entspricht im Wesentlichen dem Behandlungsprotokoll der EFP-/DG-PARO-Leitlinie. Das zeigt, dass in der PAR-Richtlinie ein wissenschaftlich fundiertes und breit akzeptiertes Behandlungskonzept abgebildet ist. Und sie ist eine maßgebliche Verbesserung der Rahmenbedingungen für die systematische Parodontitistherapie in der GKV, davon werden Zahnärzte, aber vor allem unsere Patienten profitieren.

An welcher Stelle war es besonders schwierig, wissenschaftliche Erkenntnisse in die jetzt beschlossene Versorgungsstrecke zu überführen? 

Am schwierigsten war das sicherlich für die Leistungen der Unterstützenden Parodontitistherapie (UPT).

Denken Sie, dass sich die Parodontitis-Behandlung flächendeckend schnell verändern wird oder gehen Sie eher von einem längeren Prozess aus? 

Ich vermute, dass eine flächendeckende Umsetzung Zeit brauchen wird. Die kontinuierliche Betreuung der Patienten ist ein wesentliches Element der Parodontaltherapie und das kann nur gemeinsam im Team geschultert werden. Eine „Recall-Kultur“ braucht daher nicht nur Platz in der Praxis, sondern vor allem qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Bei der Zahl der künftigen Parondontitis-Behandlungen wollten sich Eßer und Hendges nicht festlegen, da es zu viele Variablen gebe. Es stehe aber fest, dass aktuell eine große Unterbehandlung existiere. Aktuell würden nur eine Million PAR-Fälle im Jahr behandelt. Da es aber aktuell nach Schätzungen rund zwölf Millionen Erwachsene mit schweren parodontalen Erkrankungen in Deutschland gebe, sei ein großer Bedarf vorhanden. „Ich gehe von einem stetigen Wachstum aus, das wird nicht von 0 auf 100 gehen“, prognostizierte Eßer. Dieses Wachstum sei auch von allen Seiten gewollt, um die Parodontis-Erkrankungen in Deutschland in den Griff zu bekommen. 

Der Delegationsrahmen bleibt

Hinsichtlich der Delegation der PAR-Leistungen verwiesen Eßer und Hendges darauf, dass es sich um zahnärztliche BEMA-Leistungen handele. Für die eventuell erforderliche Delegation an qualifiziertes Personal gelte der Delegationsrahmen der Bundeszahnärztekammer mit seinen entsprechenden Regelungen.

Nach einer Übergangslösung gefragt antwortete Hendges, dass bereits vor dem 1. Juli erstellte Therapiepläne, bei denen noch nicht mit der Behandlung begonnen wurde, nach dem neuen Katalog durchzuführen sind. Für diese Fälle ist dann ein neuer PAR-Plan nach den neuen Regeln zu erstellen. Anders sieht es bei laufenden Behandlungen aus. „Bereits begonnene PAR-Therapien werden nach den alten Vorgaben abgeschlossen und abgerechnet“, erläuterte Hendges.

Verzögerungen wird es bei den Abrechnungen der neuen Leistungen über die Praxisverwaltungssysteme (PVS) geben. „Das haben die PVS-Hersteller aber nicht zu verantworten“, betonte Eßer. Es handele sich vielmehr um komplexe Vorgänge, die entsprechend programmiert werden müssten. „Wir haben in den Verhandlungen immer darauf hingewiesen, dass die PVS-Programmierer drei Monate brauchen werden“, so Hendges. Man arbeite daher sehr intensiv mit den PVS-Herstellern zusammen und sei zuversichtlich, eine Einstiegslösung zu finden. „Wenn alle Stricke reißen, werden wir Papierformulare zur Verfügung stellen“, versprach Eßer.

Großes Lob von den Fachgesellschaften

Viel Zuspruch bekommt die neue PAR-Richtlinie von den wissenschaftlichen Fachgesellschaften. „Diese neuen Regelungen verbessern nicht nur allgemein die Möglichkeiten zur Bekämpfung der Volkskrankheit Parodontitis in den Praxen, wovon viele Patientinnen und Patienten profitieren werden. Sie erleichtern außerdem vulnerablen Patientengruppen, die davon besonders betroffen sind, den unbürokratischen Zugang zu Leistungen, die deren Lebensqualität verbessern“, erklärte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK), Prof. Dr. Roland Frankenberger, und fügte hinzu, dass die Richtlinie erstmals der sprechenden Zahnmedizin den Raum gebe, „der für ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis unabdingbar ist“. 

Für die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DG PARO,) Prof. Dr. Bettina Dannewitz, geht mit der Verabschiedung der neuen PAR-Richtlinien und der Veröffentlichung der Ergebnisse des Bewertungsausschusses ein langwieriger politischer Beratungs- und Abstimmungsprozess erfolgreich zu Ende (siehe Kurz-Interview mit Prof. Dannewitz).

„Speziell für ältere und pflegebedürftige Menschen ist die jetzt getroffene Einigung zur neuen PAR-Richtlinie von KZBV und dem GKV-Spitzenverband eine gute Nachricht. Sie erleichtert den vulnerablen Patientengruppen den Zugang zu entsprechenden Leistungen und erlaubt eine bessere Honorierung für notwendige Behandlungsschritte, besonders in der aufsuchenden Betreuung“, begrüßt die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Alterszahn Medizin (DGAZ), Prof. Dr. Ina Nitschke, den Beschluss. Der barrierearme Zugang zur Parodontitistherapie im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung sei für Ältere und Pflegebedürftige eine Öffnung hin zu mehr Lebensqualität. Endlich gebe es Anspruch auf eine modifizierte und speziell auf die Bedürfnisse dieser Versichertengruppe zugeschnittene Behandlungsstrecke zur Parodontitisbehandlung ohne bürokratisches und oft überforderndes Antrags- und Genehmigungsverfahren. Besonders für Menschen, deren Fähigkeit zur Aufrechterhaltung der Mundhygiene nicht oder nur eingeschränkt vorhanden sei, stelle die neue PAR-Richtlinie eine wesentliche Erleichterung dar, sagte Nitschke.

Die Richtlinie und die neuen Leistungsbeschreibungen sind auf der Website der KZBV über denLinkabrufbar.

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