apoBank-Studie zum Generationswechsel

Grufti trifft Grünschnabel

Zwischen Babyboomern und der Generation Y knallt es oft heftig: Die Alten wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, die Jungen umkrempeln, wo es geht. Trotzdem müssen sie miteinander klarkommen – zum Beispiel bei der Praxisübergabe. Die apoBank hat untersucht, wo die Meinungen auseinandergehen und was die Generationen verbindet.

Die Alten treten ab, die Jungen übernehmen. Allein in Rheinland-Pfalz geht bis 2026 die Hälfte der niedergelassenen Ärzte in den Ruhestand (vorausgesetzt, sie geben ihre Tätigkeit mit 68 auf). Und damit gehen die Probleme los, nicht nur, was die Versorgungslage betrifft, sondern direkt in den Praxen.

Für den Babyboomer ist es nicht einfach loszulassen. Natürlich möchte er altersbedingt oder aus privaten Gründen kürzertreten. Nichtsdestotrotz fühlt er sich noch fit und ist nicht bereit, die Zügel vollends aus der Hand zu geben. Das eigene Lebenswerk, die damit verbundenen Erinnerungen und die feste Bindung zu den Patienten – all das lässt ihn häufig zurückblicken und aktuelle Entwicklungen infrage stellen. Die „Jugend von heute“? Damit tut er sich schwer: Die Arbeitsmoral ist eine andere, der technische Fortschritt ist ihm oft zuviel und modernisieren muss er seine Praxis auch nicht mehr. Dennoch möchte er seine lebenslange Erfahrung und sein Know-how in Sachen Praxisführung weitergeben – und vor allem seine Patienten in guten Händen wissen. 

Der eine will bewahren, der andere verändern 

Auch der Ypsiloner hat es nicht leicht. Er hat den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und nun das Gefühl, sich beweisen zu müssen. Digitalisieren, umbauen, reformieren – am liebsten würde er auf einen Schlag alles anders machen. Er ist von seinen Ideen überzeugt, auch wenn sie nicht bei allen auf Begeisterung stoßen. Er will anders arbeiten, anders führen, redet anders, setzt andere Prioritäten. Er will mitgestalten und sich dabei selbst verwirklichen. Er fordert Handlungsspielraum, Verantwortung und Akzeptanz. Ungeachtet dessen muss er sich erst daran gewöhnen, dem Vergleich zum Senior standzuhalten – und dass es seine Zeit dauern wird, bis Personal und Patienten ihn als neuen Chef akzeptieren.

Der Wechsel an sich ist auch nicht frei von potenziellen Konflikten. Denn welche Kriterien eine Praxis erfüllen sollte, beantworten Jung und Alt oft unterschiedlich. So achtet die neue Generation bei der Praxisübernahme vor allem auf wirtschaftliche Faktoren wie Erfolgsaussichten (97 Prozent), gute Lage und Anbindung (97 Prozent) und einen angemessenen Verkaufspreis (96 Prozent). Auch eine positive Einschätzung des bisherigen Teams und der Patienten beziehungsweise Kunden sind ihnen wichtig. Letzteres ist gemeinsam mit der Konkurrenzsituation gerade für Nachwuchsapotheker und -zahnärzte relevant.

Das ideale Alter zum Gründen – und Abgeben

  • Das ideale Alter für den Ruhestand liegt für die Babyboomer bei rund 64 Jahren. Dabei können sich einige Zahnärzte bereits ab 45 Jahren mit dem Gedanken an den Ruhestand anfreunden, während Fach- und Hausärzte mindestens zehn Jahre länger in der Praxis stehen wollen. Als ideale Vorlaufzeit für die Vorbereitung der Übergabe setzen sie knapp vier Jahre an. Insgesamt 89 Prozent der Älteren planen die Übergabe in den nächsten sechs Jahren, 11 Prozent sind bereits im Ruhestand.

  • Auf der anderen Seite liegt das ideale Alter für die Existenzgründung laut Generation Y bei knapp 37 Jahren, wobei Zahnärzte und Apotheker mit 34 und 35 Jahren früher starten als Haus- oder Fachärzte mit 39 und 40 Jahren. 62 Prozent der Jüngeren wollen sich in den nächsten sechs Jahren selbstständig machen, 38 Prozent sind es bereits. Bevor es richtig losgeht, braucht es den Befragten zufolge eine Vorlaufzeit von etwa drei Jahren. Daraus ergibt sich eine Zeitspanne von gut 27 Jahren, in der Heilberufler durchschnittlich selbstständig sind. 

Die Praxen der Abgeber erfüllen diese Voraussetzungen so größtenteils jedoch nicht. Dafür haben sie oftmals einen guten Ruf und ein eingespieltes Team zu bieten. Die Älteren werten daher vor allem die Reputation (97 Prozent) als zentralen Pluspunkt für die eigene Niederlassung. Insgesamt bereitet das Auffinden eines geeigneten Übernehmers 83 Prozent der Abgeber die größten Bauchschmerzen. Fast drei Viertel von ihnen äußerten Bedenken, ihr Lebenswerk in guten Händen zu wissen, und 70 Prozent fanden es schwierig, einen guten Verkaufspreis zu erzielen.

Trotzdem kann man viel voneinander lernen

Wie kann man diese unterschiedlichen Sichtweisen zusammenbringen? Beide Generationen müssen „Hand in Hand arbeiten“, lautet das Fazit der apoBank. „Ganz konkret bedeutet das, sich möglichst zu Beginn der Übergabe gemeinsam an einen Tisch zu setzen und einen Zeit- und Maßnahmenplan zu erarbeiten“, sagt Daniel Zehnich, Direktor und Leiter des Bereichs Gesundheitsmärkte und -politik bei der apoBank. Inklusive fixem Ausstiegsdatum des Seniors.

Sinnvoll sei eine Übergangsphase, in der Junior und Senior Seite an Seite in der Praxis stehen. So könne der Übernehmer die Prozesse kennenlernen und nach und nach Verantwortung und Patienten übernehmen, während der Abgeber langsam seine Wochenstunden zurückfährt und fließend in den Ruhestand übergeht.

Typisch Senior, typisch Junior

  • Typisch Senior: Die älteren Befragten ordnen der eigenen Generation vor allem konservative Eigenschaften zu. Sie beschreiben sich als besonnen (78 Prozent), patientenbezogen (74 Prozent), sicherheitsorientiert (71 Prozent) und konventionell (65 Prozent). Zwei Drittel sehen sich eher als Einzelkämpfer denn als Teamplayer und 59 Prozent arbeiten lieber analog. 55 Prozent bewerten die eigene Heilberufsgeneration als eher karriere- statt familienorientiert. Im Vergleich schätzen sich die Hausärzte als besonders patientenorientiert ein, die Fachärzte zeigen sich verstärkt zukunftsorientiert. Die Zahnärzte sehen sich eher als Individualisten und sind im Vergleich zu ihren Kollegen deutlich therapiebezogener. Gut die Hälfte der Apotheker ab 50 Jahren beschreibt sich im Gegensatz zu den anderen Gruppen eher als digital.

  • Typisch Junior: Im Gegensatz dazu hält sich der Großteil der jüngeren Heilberufsgeneration für zukunftsorientiert (88 Prozent) und digital (81 Prozent). Der Teamgedanke steht bei über 60 Prozent im Vordergrund und 65 Prozent finden ihre Generation eher familien- und freizeitorientiert. Im Vergleich zur älteren Generation sind sie unkonventioneller, impulsiver und zukunftsgetriebener. Dabei sind junge Hausärzte im Vergleich stärker auf das Budget fokussiert, während ihre fachärztlichen Kollegen weitaus bedürfnisorientierter agieren. Junge Zahnärzte arbeiten sehr digital und knapp die Hälfte der Y-Apotheker stellt Karriere vor Familie.

Zehnich: „Damit das funktioniert, steht Transparenz über allem: klare Absprachen, klare Zuständigkeiten, klare Kommunikation.“  Veränderungen sollten peu à peu und im gegenseitigen Einverständnis angegangen werden. „Gehen die Meinungen auseinander, hilft es, sich die Eigenschaften der anderen Generation bewusst zu machen, diese zu akzeptieren und Differenzen offen und wertschätzend zu hinterfragen“, betont Zehnich. „Für eine funktionierende Zusammenarbeit sind Kompromisse notwendig, Fehler erlaubt und Vorurteile fehl am Platz.“

Zur Methodik: Die apoBank führte die Online-Befragung „Generationswechsel Heilberufler“ im Juli und August 2020 mit DocCheck Research durch. Befragt wurden 800 Heilberufler zwischen 25 und 70 Jahren, davon jeweils 200 Hausärzte, Fachärzte, Zahnärzte und Apotheker. Der Altersdurchschnitt lag bei 50,1 Jahren. Das Alter der Babyboomer betrug im Mittel 61,2 Jahre, das der nachwachsenden Generation Y 39 Jahre.

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