Interview mit Stefanie Tiede

„Ich bin kein Anhänger einer Quote!“

Seit Mitte Oktober ist Stefanie Tiede neue Präsidentin der Zahnärztekammer Mecklenburg-Vorpommern. Damit ist sie in der Standespolitik eine Ausnahme. Die 40-jährige Oralchirurgin aus Rostock erzählt, sie habe anfänglich öfter „eine gewisse Irritation“ wahrgenommen. Dennoch, betont sie, wurde sie immer gefördert und offen empfangen.

Spielt es für Ihre Arbeit als Präsidentin einer Zahnärztekammer eine Rolle, dass Sie eine Frau sind?

Stefanie Tiede: Es ist sicherlich noch immer eine Ausnahme, dass eine Frau an der Spitze solch eines hohen Ehrenamts steht. Dennoch ist eine Zunahme an weiblichen Vertretern in Führungspositionen spürbar. Dies bestätigt sich auch beim Blick auf die Zusammensetzung unserer neuen Bundesregierung, aber auch der neuen Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern. Ich persönlich bin kein Anhänger einer Quote, da Kompetenz und entsprechendes Handlungsvermögen die Gründe für eine Besetzung sein sollten. Vielmehr sollte es verbesserte Einstiegsmöglichkeiten und adäquate Vorbereitungen für jüngere Frauen, aber auch Männer geben, um eine Führungsposition oder ein Ehrenamt gut in ein Familienleben integrieren zu können. Hier zählt auch eine erleichterte Ausübung der Funktion durch den Einsatz von Online- oder Videokonferenzen hinein. Letztlich hoffe ich, dass ich ein Vorbild sein kann für andere junge Kolleginnen und Kollegen, sich aktiv einzubringen und die Herausforderungen anzunehmen.

Warum haben Sie sich entschlossen, für das Amt zu kandidieren? Was wollen Sie erreichen?

Ich wurde seinerzeit von einem befreundeten, standespolitisch tätigen Kollegen angesprochen, ob ich mir vorstellen könnte, mich in ein Ehrenamt einzubringen. Diesem Impuls folgend bin ich seit 2017 im Versorgungsausschuss der Zahnärztekammer M-V tätig und seit 2018 als dessen stellvertretende Vorsitzende. Darüber hinaus arbeite ich als Gutachterin für implantologische Leistungen nach §28 Abs. 2 SGB V. Ich komme aus einer Familie, in der mir frühzeitig vorgelebt wurde, wie wertvoll es ist, sich aktiv einzubringen. Meine Mutter war als selbstständige Zahntechnikermeisterin lange in der Prüfungskommission und als stellvertretende Obermeisterin tätig. Nach ihrem aktiven Berufsleben engagiert sie sich als Bürgermeisterin in der kommunalen Politik. Mir ist es wie ihr sehr wichtig, aktiv Einfluss auf die Ausgestaltung unseres Berufs zu nehmen und die zukünftige Ausrichtung der Zahnmedizin mitzugestalten.

Keine Quote bei den Freien Berufen?

„Mit Rücksicht auf die besondere Stellung der freien Berufe sieht der Gesetzentwurf von Regelungen zur Beteiligung von Frauen in den Selbstverwaltungskörperschaften der freien Berufe ab (Bundesrechtsanwaltskammer – BRAK, Bundesnotarkammer – BNotK, Patentanwaltskammer – PAK, Wirtschaftsprüferkammer – WPK). Gleiches gilt entsprechend für die Selbstverwaltungskörperschaften der gewerblichen Wirtschaft (Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern). Der Entwurf sieht daher nur Vorgaben für die Teilhabe von Frauen und Männern an Leitungsorganen der Träger der Sozialversicherung vor“ (aus dem Gesetzentwurf zum Führungspositionengesetz II)

Im Koalitionsvertrag der Ampel steht allerdings (Z. 2881 f.): „Wir stärken die paritätische Beteiligung von Frauen in den Führungsgremien der Kassen(zahn) ärztlichen Vereinigungen sowie ihrer Spitzenverbände auf Bundesebene sowie der gesetzlichen Krankenkassen.“

Meine wichtigsten Ziele sehe ich darin, den hohen Standard unseres Berufsstands zu erhalten sowie im Zusammenspiel mit der Schwesterkörperschaft und dem Freien Verband Konzepte zu entwickeln, um die zahnmedizinische Versorgung in der Fläche auch in Zukunft zu sichern. Ein weiteres wichtiges Anliegen ist es, Ideen zu entwickeln, um junge Kolleginnen und Kollegen beim Einstieg in die eigene Praxis oder Praxisgemeinschaft zu unterstützen. Und natürlich liegt mir auch die Förderung unseres berufspolitischen Nachwuchses sehr am Herzen.

Welche Erfahrungen haben Sie als Frau in der Standespolitik gemacht?

Bislang habe ich im Wesentlichen positive Erfahrungen gemacht. Selbst wenn ich anfänglich bei dem oder der einen oder anderen eine gewisse Irritation wahrgenommen habe, wenn man als erste Frau oder als eine von wenigen Frauen in einer bislang eher von Männern besetzten Position auf Veranstaltungen auftritt. Dennoch wurde ich immer gefördert und offen empfangen. Insbesondere nach meiner Wahl zur Kammerpräsidentin habe ich sehr viel positive Resonanz, auch über die Landesgrenzen hinaus, erfahren. So haben mir Kolleginnen und Kollegen aus der Schweiz und Österreich, mit denen ich fachlich verbunden bin, ihre Anerkennung ausgesprochen. Eine besondere Offenheit habe ich auf Ebene der Bundeszahnärztekammer erlebt. Dort wurde ich überaus herzlich aufgenommen und bin bereits sehr gut eingebunden. Dies verdanke ich nicht zuletzt Prof. Dr. Christoph Benz, dem amtierenden Präsidenten der Bundeszahnärztekammer, den ich durch meine Weiterbildung an der AS Akademie kennengelernt habe.

Die Gespräche mit Dr. Yasmin Mokhtari, Dr. Rebecca Otto und Barbara Plaster finden Sie auf zm-online.de

Recherche und Interviews: Anja Kegel, Brigitte von Oertzen und Claudia Kluckhuhn.

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