Urteilsbegründung des BGH

Darum haben Ärzte und Zahnärzte keinen Anspruch auf Löschung bei jameda

Martin Wortmann
Das Arzt-Bewertungsportal jameda darf sämtliche Zahnärzte und Ärzte aufführen. Ein Anspruch auf Löschung des eigenen Profils besteht nicht. Das ergibt sich aus den kürzlich veröffentlichten schriftlichen Urteilsgründen des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe zu seinen Urteilen vom Oktober 2021.

Eine vollständige Gleichbehandlung mit zahlenden „Premiumkunden“ können nicht-zahlende Ärzte und Zahnärzte danach nicht verlangen. Wie in der zm 21/2021 berichtet, hatte der BGH das Ergebnis seiner Entscheidungen zunächst ohne Begründung bekanntgegeben. Mit den zwei nun vorliegenden, jeweils über 40-seitigen Urteilen wies der BGH sämtliche Kritikpunkte der Kläger ab. Ein rechtlicher Unterlassungsgrund, Zahnärzte und Ärzte auch gegen ihren Willen auf jameda zu führen, bestehe nicht. Im Zuge der jahrelangen Auseinandersetzungen hatte jameda seinen Internetauftritt mehrfach geändert. Nach heutigem Stand sei die Datenverarbeitung durch den Portalbetreiber rechtmäßig, urteilten die obersten Richter.

Nach der Datenschutz-Grundverordnung sei dies nicht nur bei einer Einwilligung der Fall, sondern unter anderem auch dann, „wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen der Beklagten oder eines Dritten erforderlich ist“. Hier könne sich jameda auf solche „berechtigten Interessen“ berufen. Diese wögen auch schwerer als die dadurch beeinträchtigten Interessen der gegen ihren Willen aufgeführten Zahnärzte und Ärzte.

Dabei nehme jameda eigene berechtigte Interessen und auch berechtigte Interessen der Nutzer wahr. Die Öffentlichkeit erhalte durch das Portal „zunächst einen geordneten Überblick darüber, von wem und wo welche ärztlichen Leistungen angeboten werden“. Zudem würden persönliche Erfahrungen und subjektive Einschätzungen von Patienten vermittelt, die andere bei ihrer eigenen Arztwahl nutzen können. Die Weitergabe auch fremder Meinungen sei durch die EU-Grundrechtecharta geschützt.

Damit erfülle jameda „eine von der Rechtsordnung grundsätzlich gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion“, heißt es in den Karlsruher Urteilen. Hierfür sei die Verarbeitung der Daten erforderlich. Sie gehe auch nicht über das Notwendige hinaus.

Ein „erhebliches Interesse“ der Öffentlichkeit

Bei der Abwägung der Interessen räumten die Karlsruher Richter zwar ein, dass Zahnärzte und Ärzte durch die Aufnahme ins Bewertungsportal „nicht nur unerheblich“ belastet würden. Schlechte Bewertungen könnten den wirtschaftlichen Erfolg der Praxis beeinträchtigen. Betroffen sei allerdings nur die berufliche Sphäre, die sich ohnehin „im Kontakt mit der Umwelt“ vollziehe.

Zudem stehe den Belangen der Zahnärzte und Ärzte das „ganz erhebliche Interesse“ der Öffentlichkeit an den auf jameda zugänglichen Informationen gegenüber. Diese könnten zu „mehr Leistungstransparenz im Gesundheitswesen“ beitragen.

Zu den einzelnen Kritikpunkten entschied der BGH:

  • jameda darf neben das „Basis-Profil“ nicht zahlender Ärzte eine Liste zahlender Kollegen aus anderen Fachgebieten stellen. Dies führe nicht zu einer negativen Darstellung und sei auch keine Werbung für unmittelbare Konkurrenten. Gleiches gelte für einen Link zu einer Liste mit „Ärzten für spezielle Behandlungsgebiete“, etwa kosmetische Chirurgie. Auf diesen Listen hervorgehobene zahlende Kunden seien farblich und durch das Wort „Anzeige“ gekennzeichnet.

  • Zulässig ist auch, dass jameda nur bei Basiskunden Werbung von Drittunternehmen veröffentlicht, bei zahlenden Kunden dagegen nicht. Solche Werbung, etwa für ein Lottounternehmen oder Reiseveranstalter, belaste Zahnärzte und Ärzte nur „unerheblich“.

  • Auch dass nur zahlende Kunden ein Porträtfoto, weitere Bilder und auch Videos hinterlegen und ihre Leistungen konkreter darstellen können, ist laut BGH nicht zu beanstanden. Das Fehlen eines Bildes lasse aus Sicht der Nutzer keine Schlüsse auf die Qualifikation zu.

  • Gleiches gelte für nur bei Premiumkunden möglichen Links zu eigenen Fachartikeln und zur Praxishomepage.

Ein allgemeines Gleichbehandlungsgebot zwischen Basis-Profilen und zahlenden Premium-Kunden bestehe nicht, betonten die Karlsruher Richter. Die bestehende Ungleichbehandlung bei jameda erreiche kein Ausmaß, das zu einem Unterlassungsanspruch führt. Es sei nicht ersichtlich, dass sich diese Unterschiede auf die Bewertungen auswirken. Insbesondere gebe es auch keine Weiterleitungen von Basis- zu Premiumprofilen. Auch würden die Basis-Profile jedenfalls inzwischen nicht als „Köder“ zugunsten zahlender Ärzte missbraucht. Martin Wortmann

Bundesgerichtshof Az.: VI ZR 488/19 und VI ZR 489/19Urteile vom 12. Oktober 2021, schriftlich veröffentlicht am 23. Dezember 2021

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