Ein Praxisleitfaden

Mundhygiene bei Beatmungspatienten

Beatmungspatienten stellen eine Hochrisikogruppe für Mundgesundheitsprobleme dar. Wird eine regelmäßige zahnärztliche Begleitung dieser Patientinnen und Patienten nicht sichergestellt, drohen schwerwiegende Komplikationen wie die Beatmungs-assoziierte Lungenentzündung, die durch aspirierte Mundhöhlenkeime ausgelöst werden kann.

Bei schwerer respiratorischer Insuffizienz ist im klinischen Alltag die Intubation und invasive Beatmung die Standardtherapie. Sie ist eine lebensrettende Maßnahme und gewährleistet im Regelfall einen sicheren Atemweg und eine suffiziente Oxygenierung und Kohlendioxidelimination. Allerdings kann die invasive Beatmung zu Komplikationen, wie zum Beispiel der Ventilator-assoziierten Pneumonie, führen. Alternative Behandlungsoptionen bei akuter respiratorischer Insuffizienz stellen die nicht-invasive Beatmung sowie die High-Flow-Sauerstofftherapie dar [S3-Leitlinie Invasive Beatmung, 2017].

Die Zahl künstlich beatmeter Patientinnen und Patienten ist in den vergangenen Jahren in Deutschland massiv gestiegen. Waren es 2006 noch 24.845 Menschen, so sind es heute bereits 86.117. Betroffen sind Menschen aller Altersgruppen, jedoch überwiegend Ältere nach einer Akut-Intensivtherapie. Vor allem COPD und kardiologische Diagnosen liegen der Beatmung zugrunde [Statistisches Bundesamt]. 85 Prozent der Betroffenen werden von der Akut-Intensivstation direkt in die eigene Häuslichkeit oder eine Intensiv-WG entlassen und haben wenig Chancen auf eine erfolgreiche Entwöhnung von der Beatmung. Aktuelle Hochrechnungen gehen von 15.000 bis 30.000 außerklinisch ambulant betreuten Patienten aus [DIGAP, 2017].

Derzeit gibt es rund 810 „Beatmungs-WGs“ in Deutschland, von denen allein 50 Prozent in den Bundesländern NRW und Bayern liegen. Deutschland ist eines von wenigen Ländern weltweit, in denen Beatmungs-WGs existieren. Gleichzeitig existieren relativ wenige Studien zu dauerbeatmeten Patienten, die meisten Empfehlungen und Beobachtungen beziehen sich auf akut beatmete Patienten auf Intensivstationen – dies betrifft insbesondere die Aufrechterhaltung der oralen Gesundheit.

Bedeutung der Mundhöhle für Beatmungspatienten

Ohne kontinuierliche zahnärztliche Betreuung von Beginn der Beatmung an werden bei den Betroffenen die prävalenten Entzündungen im Mund- und Rachenraum nicht rechtzeitig erkannt und behandelt – mit teilweise weitreichenden Konsequenzen.

Die nosokomiale Pneumonie ist die häufigste nosokomiale Infektion. Patienten mit invasiver Beatmung haben ein zusätzliches Risiko für den Erwerb einer Ventilator-assoziierten Pneumonie (VAP, englische Bezeichnung). Die Inzidenz für die Entwicklung einer VAP steigt mit jedem Beatmungstag (Inzidenz bis zum zehnten Beatmungstag circa 2 bis 3 Prozent pro Tag). Die zusätzliche Sterblichkeit durch den Erwerb einer VAP beträgt in klinischen Studien zwischen 4 und 13,5 Prozent [Bekaert et al., 2011; Melsen et al., 2013]. VAP ist definiert als Lungenentzündung, die sich bei einem Patienten entwickelt, der seit mindestens 48 Stunden eine mechanische Beatmung erhalten hat [American Thoracic Society, 2005]

Take-Home-Message

  • Die zahnärztliche Versorgung von beatmeten Patienten zielt darauf ab, das Auftreten von VAP zu verhindern, da diese Erkrankung mit einer hohen Sterblichkeit, einer schwierigen Behandlung und hohen Kosten verbunden ist. Andererseits ist die Mundpflege eine kostenwirksame Maßnahme.

  • Die Mundpflege könnte eine wichtige Rolle bei der Prävention spielen.

  • Empfohlen wird CHX 0,12 Prozent, das die Inzidenz der VAP, nicht aber die VAP-Mortalität verringert.

  • Zahnbürsten (manuell oder elektrisch) könnten die VAP-Inzidenz, nicht aber die Mortalität verringern.

  • Zahnpasta bietet keinen Vorteil bei der VAP-Inzidenz. Deren Verwendung sollte nicht empfohlen werden.

  • Topische Antibiotika zur selektiven oralen Dekontamination sollten wegen des schlechter belegten Effekts und des Risikos der Resistenzentwicklung eher nicht verwendet werden. Die begleitende enterale Applikation von Probiotika über die Ernährungssonde kann erwogen werden.

Die Pandemie COVID-19 geht mit einer hohen Zahl von Patienten einher, die am schweren akuten Atemwegssyndrom (SARS) leiden. Diese Patienten können längere Zeit auf der Intensivstation verbringen, wobei bis zu 80 Prozent der Patienten, die auf der Intensivstation aufgenommen werden, invasiv mechanisch beatmet werden müssen [Goyal et al., 2020; Grasselli et al., 2020]. COVID-19 macht Menschen anfälliger für die Entwicklung von VAP, was zum Teil, aber nicht ausschließlich auf die längere Dauer der Beatmung zurückzuführen ist. Die Veränderung des Lungenmikrobioms und die Ursachen für Sekundärinfektionen ähneln denen, die bei kritisch kranken, aus anderen Gründen beatmeten Patienten zu beobachten sind [Maes et al., 2021].

Pathogenese

Vermutet wird, dass der Endotrachealtubus, der den Patienten mit dem notwendigen Sauerstoff versorgt, auch als Kanal für pathogene Bakterien dienen kann, die sich in der Mundhöhle vermehren und über den Tubus in die Lunge gelangen. Eine Mikroaspiration von Rachensekreten kann auch bei einer unvollständigen Abdichtung der Manschette des Endotrachealtubus bei einem beatmeten Patienten auftreten. Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Mikroaspiration zur Entwicklung einer nosokomialen Lungenentzündung beiträgt [Mojon, 2002; Azoulay et al., 2006]. Als Langzeitfolgen nach einer nosokomialen Pneumonie können Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, eine kognitive Dysfunktion und posttraumatische Belastungsstörungen oder ein chronisches Nierenversagen auftreten. Die VAP verlängert den Krankenhausaufenthalt um etwa sechs bis neun Tage und verursacht zusätzliche Kosten [Zhao et al., 2020].

Systematisches Vorgehen bei der oralen Versorgung beatmeter Patienten

Die primären Ziele der Mundpflege sind der Erhalt einer intakten, feuchten und belagfreien Mundschleimhaut, heiler und weicher Lippen, eines feuchten und gesunden Zahnfleisches sowie belagfreier Zähne.

Um eine adäquate Mundpflege zu betreiben, ist nach Durchführung einer hygienischen Hände-Desinfektion und dem Anziehen von Schutzhandschuhen zunächst eine systematische Beurteilung des oralen Zustands (Zahn- und Mundstatus) erforderlich.

Die Pflegenden sollen zur Durchführung einer effektiven Mundhygiene angeleitet und über die Prothesenpflege aufgeklärt werden. Die Mundhöhle soll einmal pro Schicht mit Spatel und Lampe vorsichtig inspiziert, auffällige Befunde sollten dokumentiert werden. Die Mundpflege wird mehrmals pro Schicht durchgeführt. Die beste Reihenfolge des Pflegeprozesses ist Zahn-, Zungen-, Mund- und Lippenpflege.

Vorbereitung

Eine hygienische Desinfektion und das Anziehen von Schutzhandschuhen müssen als selbstverständlich angesehen werden. Vor Behandlungsbeginn ist die ausreichende Blockung des Cuffs zur Aspirationsvermeidung besonders wichtig. Bei jeder Mundpflege wird immer keimhaltiges Material in den Rachen laufen. Eine umsichtige Vorgehensweise und ständiges Absaugen während der Mundpflege beim Einsatz von Endotrachealtuben mit subglottischer Absaugung oder der Einsatz von Saugzahnbürsten als Einmalartikel können dieses Problem eingrenzen.

Zahn- und Zungenreinigung

Zähne sollten am besten nach jeder Mahlzeit, mindestens aber zweimal pro Tag zwei bis drei Minuten geputzt werden. Hier sind kleine Kinderzahnbürsten empfehlenswert, um bei geringem Platzangebot reinigen zu können (Platzmanagement bei Beatmungs-Tubus im Mundraum). Auch die Dreikopfzahnbürste hat sich in der Seniorenzahnmedizin bewährt. Wenn eine elektrische Zahnbürste verwendet wird, sollte diese rotierend-oszillierend sein. Durch diese elektrischen Zahnbürsten kann ohne weitere Putzbewegungen, insbesondere bei eingeschränkter Mundöffnung und Behinderung durch die Lage des endotrachealen Tubus, jeder Zahn mit den kleinen runden Bürstenköpfen erreicht werden. Die Interdentalpflege sollte mit Interdentalbürstchen und CHX-Gel erfolgen. Vorhandene Prothesen müssen regelmäßig gereinigt werden, was bei Bedarf auch professionell erfolgen sollte. Zungenreiniger sollten bei jeder Zahnpflege verwendet werden, wobei darauf zu achten ist, von hinten nach vorne zu arbeiten. Danach ist ein erneutes Spülen unter gleichzeitigem, sorgfältigem Absaugen notwendig. Die Zungenreiniger, der Aufsatz und das Handstück der elektrischen Zahnbürste sollten regelmäßig desinfiziert werden, um das Infektionsrisiko zu minimieren [Schulz-Stübner et al. 2010].

Spülen und Auswischen der Mundhöhle

  • Die Reinigung der Mundhöhle einschließlich Wangentaschen erfolgt mit einer milden Pflegelösung.

  • Die Anfeuchtung der Mundschleimhaut kann unter Zuhilfenahme von flüssigkeitsgetränkten Tupfern und einer Pean-Klemme, Kornzange oder Magillzange erfolgen. Vor dem Ausspülen muss allerdings eine erneute Kontrolle des Cuff-Drucks erfolgen.

  • Angesichts der unklaren Datenlage zur optimalen Substanz, Konzentration und Häufigkeit der Anwendung von antiseptischen Substanzen als Bestandteil der Mundpflege sollte die Auswahl in Abhängigkeit von der institutionsspezifischen Patientenpopulation, dem anzutreffenden Keimspektrum und der Verträglichkeit erfolgen. Chlorhexidin 0,2 Prozent und Octenidin scheinen geeignete Substanzen zu sei, auch das Orofan-Mundpflegeöl ist eine gute Alternative. Darüber hinaus können auch Bepanthen-Lösungen, Betaisadona, Glandosane, Kamille-Teeaufguss, Salbei sowie Wasserstoffperoxid verwendet werden [deSmet et al., 2009].

Topische Antibiotika sind wegen des schlechten direkten Effekts, fraglicher Effekte auf die Gesamtgesundheit, Interaktionen mit anderen Medikamenten und des Risikos der Resistenzentwicklung eher nicht zu empfehlen.Nach der Mundpflege sollte immer eine endotracheale Absaugung erfolgen. Zuletzt erfolgt dann das Einfetten trockener Lippen.

Nach [Schulz-Stübner et al., 2010]

Zahlreiche Studien wurden durchgeführt, um die besten pharmakologischen VAP-Präventionsstrategien zur Hemmung der Besiedlung mit Mikroorganismen zu ermitteln. Beispielsweise wurde die Verwendung von Antibiotika zur selektiven Dekontamination des Verdauungstrakts oder Mundraums (intraoral als topische Pasten oder systemisch) sowie der Einsatz von Probiotika erprobt. Während der übermäßige Einsatz von systemischen Antibiotika mit der Entwicklung multiresistenter Erreger sowie erhöhten Behandlungskosten in Verbindung gebracht werden kann, hat sich die Verwendung von Probiotika als Präventivmaßnahme in verschiedenen Studien als vielversprechend erwiesen [D‘Amico et al., 2009; Morrow et al., 2010; NEJM]. Probiotika könnten Patienten vor VAP schützen, indem sie das Mikrobiom modulieren und die Besiedlung mit invasiven Erregern verhindern. Eine aktuelle Metaanalyse zeigt, dass die Verabreichung von Probiotika eine vielversprechende Rolle bei der Senkung der VAP-Inzidenz, der Dauer der mechanischen Beatmung, der Dauer des Aufenthalts auf der Intensivstation und der Sterblichkeit im Krankenhaus spielt [Batra et al., 2020]. Eine andere Metaanalyse, die sich nur auf doppelblinde Studien beschränkt, kommt allerdings nicht zu diesem Ergebnis [Su et al., 2020].

Hauptproblem bei der Beurteilung der Effekte einer Präventionsmaßnahme ist die geringe Spezifität und Sensitivität der Diagnose einer Pneumonie (neu aufgetretenes oder persistierendes Infiltrat im Röntgen-Thorax plus zwei von den drei folgenden Kriterien: purulentes Bronchialsekret, Leukozytose oder Leukopenie, Fieber von mehr als 38,3 Grad Celsius oder Hypothermie von weniger als 36 Grad Celsius [Zhao et al., 2020]).

Viele unserer Annahmen darüber, wie VAP am besten zu verhindern ist, wurden kürzlich infrage gestellt. Neue Daten bestätigen die lange gehegte Befürchtung, dass selektive Dekontaminationen des Mundes und Verdauungstrakts auf Intensivstationen mit hohen Ausgangsraten von Antibiotikaresistenzen möglicherweise nicht wirksam sind und die Drainage von subglottischem Sekret möglicherweise nicht (wie früher angenommen wurde) die Dauer der mechanischen Beatmung oder die Verweildauer auf der Intensivstation verkürzt [Caroff et al., 2016; Klompas, 2017; Harris et al., 2018; Huang et al., 2018; Wittekamp et al., 2018].

Ein Vergleich der Auswirkungen von Präventionsmaßnahmen auf die VAP-Raten mit objektiveren Ergebnissen kann manchmal auch zu überraschenden Diskrepanzen führen. So deuten Metaanalysen randomisierter Studien zur Mundpflege mit Chlorhexidin darauf hin, dass diese Maßnahme zwar die VAP-Raten senken, aber die Sterblichkeit erhöhen könnte. [Klompas et al., 2014; Price et al., 2014].

Effektive Mundhygiene

Mundhygiene in Verbindung mit subglottaler Absaugung und Hochlagerung des Kopfteils des Bettes wurde als wichtige Strategie zur Verringerung der VAP-Inzidenz vorgeschlagen [Tablan et al., 2004]. Die Mundhygiene wird in klinischen Leitlinien als Mittel zur Verringerung der VAP-Inzidenz empfohlen, obgleich die Evidenz hierfür begrenzt ist [Khasanah et al., 2019]. So lautet die Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des Robert Koch-Instituts (RKI) zur Infektionsprävention in Heimen: „Die Bewohner sollen zur Durchführung einer effektiven Mundhygiene angeleitet und über die Prothesenpflege aufgeklärt werden. Zähne sollten am besten nach jeder Mahlzeit, mindestens aber zweimal pro Tag, geputzt werden. Auch die Prothesenpflege erfordert besondere Sorgfalt, wobei geeignete bisherige Maßnahmen des Bewohners beibehalten werden können. Sofern die Bewohner nicht in der Lage sind, eine ausreichende Zahn- und Prothesenpflege durchzuführen, ist Hilfestellung zu geben oder die Pflege zu übernehmen. Prothesen regelmäßig auf Plaque und Pilzbefall inspizieren und gegebenenfalls eine professionelle Reinigung veranlassen“ [Bundesgesundheitsblatt, 2005].

Die Mundhygiene umfasst dabei unter anderem die Verwendung von Mundspülungen, Gels, Tupfern oder Zahnbürsten (manuell oder elektrisch), um Plaque und Ablagerungen in der Mundhöhle zu entfernen. Zur Mundhygiene gehört auch das Absaugen von überschüssiger Flüssigkeit, Zahnpasta und Ablagerungen, woran sich die Anwendung eines antiseptischen Gels anschließen kann. Der Begriff Antiseptika ist weit gefasst und umfasst beispielsweise Kochsalzlösung, Chlorhexidin, Povidon-Jod, Cetylpyridium und möglicherweise andere Mittel, jedoch keine Antibiotika [Zhao et al., 2020].

Eine Chlorhexidin-Mundspülung (oder -Gel) als Teil der Mundhygiene reduziert wahrscheinlich die Inzidenz der Beatmungs-assoziierten Pneumonie (VAP) bei kritisch kranken Patienten von 26 Prozent auf etwa 18 Prozent im Vergleich zu Placebo oder üblicher Pflege, obwohl die Beweise hierfür gering sind [Zhao et al., 2020]. Eine Mundhygiene, die sowohl Antiseptika als auch Zahnbürsten umfasst, könnte wirksamer sein als eine Mundhygiene mit Antiseptika allein, um die Inzidenz von VAP und die Dauer des Aufenthalts auf der Intensivstation zu verringern, aber auch hier ist die Evidenz zum jetzigen Zeitpunkt noch gering [Zhao et al., 2020].

Krankenschwestern und -pfleger bevorzugen zur intraoralen Reinigung allerdings häufig Wattestäbchen, weil die Anwendung einfach ist, wenig Vorbereitungsaufwand erfordert und die Mundhöhle damit scheinbar schneller zu reinigen ist als beim Zähneputzen mit Zahnbürste und Zahnpasta [Kite, 1995; McCaughan et al., 2002]. In der unter hohem Druck stehenden und hoch technisierten Intensivpflege wird der Mundpflege bislang eine geringe Priorität eingeräumt [Jones et al., 2004; Berry et al., 2007; Yeung KY und Chui, 2010]. Eine Studie ergab, dass neun von zehn Krankenschwestern bei der Reinigung der Mundhöhle von intubierten Patienten Schaumstoffstäbchen gegenüber Zahnbürsten bevorzugten [Khasanah et al., 2019]. In einer Beobachtungsstudie wurde festgestellt, dass die Krankenschwestern die Art und Technik der Mundpflege variierten, was möglicherweise auf die Vielzahl der zur Verfügung stehenden Reinigungsgeräte zurückzuführen ist [McNeill, 2000].

Aktuelle Daten, insbesondere zur Realität in Deutschland, wurden in den indexierten Artikeln nicht gefunden. Möglicherweise bestehen hier auch Schnittstellenprobleme zwischen Pflege und Zahnmedizin.

Die Rolle des Zahnarztes

Der Zahnarzt sollte als unterstützender Ansprechpartner fungieren und dazu beitragen, die Pflegekräfte zu einer suffizienten Mundpflege anzuleiten. Die Anleitung sollte eine schriftliche Dokumentation der empfohlenen Pflegemaßnahmen beinhalten, sowie eine praktische Anleitung der zu nutzenden Pflegehilfsmittel. Die Notwendigkeit eines regelmäßigen Biofilm-Managements muss den Pflegekräften vermittelt werden, denn die richtige Vorsorgestrategie ist gleichzeitig gelebte Infektionsprävention.

Durch die häufig über einen längeren Zeitraum insuffizient durchgeführte Mundhygiene empfiehlt es sich, zuerst durch eine initiale „professionelle Reinigung“ einfachere Grundvoraussetzungen für die Pflegekräfte zu schaffen, beispielsweise durch die Entfernung von Zahnstein. Weiterhin kann der Zahnarzt im Rahmen der aufsuchenden Versorgung kleinere Behandlungen am Krankenbett durchführen und so aufwendige Transporte in die Praxis oder in Kliniken mit Beatmungsplätzen verhindern.

Besonderheiten der zahnärztlichen Betreuung

In der Regel ist der ambulante Zahnarztbesuch für einen beatmeten Patienten keine realistische Option. So bleibt häufig der aufwendige Transport in eine Zahnklinik, der mit zusätzlichen Belastungen für den Pflegebedürftigen verbunden ist. Die aufsuchende Versorgung bietet hier eine mögliche Alternative. Die Versorgung von Beatmungspatienten stellt das zahnärztliche Team allerdings vor organisatorische sowie medizinische Herausforderungen. Bei der aufsuchenden Versorgung von beatmeten Patientinnen und Patienten, zum Beispiel in einer Beatmungs-WG, sind einige besondere Punkte zu beachten, um Komplikationen zu vermeiden. Im Folgenden sollen die wichtigsten Aspekte aufgegriffen werden, die auch organisatorische Aspekte berücksichtigen.

Besuche von Risikopatienten sollten grundsätzlich immer am Ende einer Sprechstunde eingeplant werden. Dabei muss vorab genau geplant werden, welches Material benötigt werden könnte. Es sollte so wenig wie notwendig mit ins Patientenzimmer genommen werden. Das Risiko von beatmeten Patienten, Träger von multiresistenten Erregern zu werden, ist sehr hoch. Es besteht folglich für den Zahnarzt ein erhöhtes Ansteckungsrisiko bei der Untersuchung und Behandlung dieser Patientengruppe, weshalb die Verwendung von Schutzkleidung (Einmalkittel, Mundschutz, Handschuhe) obligat ist. Hier ist auf die Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim RKI zu verweisen, um ein Verschleppen von Keimen von Patient zu Patient oder eine Übertragung in die Praxisräume zu vermeiden.

Das Praktizieren der korrekten Händehygiene ist eine wesentliche Maßnahme zur Prävention einer VAP. Sie verhindert effektiv die Übertragung von (unter anderem multiresistenten) Erregern von Behandler zu Patient und dadurch die Entstehung von Ausbruchsituationen. Die Händedesinfektion ist immer vor und nach jedem Kontakt mit dem Patienten beziehungsweise mit Beatmungsutensilien und -Geräten durchzuführen, unabhängig davon, ob Schutzhandschuhe getragen wurden oder nicht. Das Tragen von Schutzhandschuhen muss als selbstverständlich angesehen werden. Die Desinfektion der Schuhsohlen vor dem Verlassen des Patientenzimmers darf dabei nicht vergessen werden.    

Vor allen zahnärztlichen Maßnahmen empfiehlt es sich, die ausreichende Blockung des Cuffs zu kontrollieren oder kontrollieren zu lassen. Grundsätzlich sollten alle zahnärztlichen Mundhygienemaßnahmen in Oberkörperhochlagerung vorgenommen werden, während eine regelmäßige konstante subglottische Absaugung erfolgen muss. Ein nicht unerheblicher Teil der Beatmungs-assoziierten Pneumonien wird durch Wasserkeime verursacht. Deshalb ist es empfehlenswert, während der Behandlung Mundspülungen ausschließlich mit steriler Flüssigkeit oder sterilfiltriertem Leitungswasser durchzuführen [Trautmann et al., 2009]. Bei Rückkehr in der Praxis sollte ein direktes Ablegen der getragenen Kleidung in geeignete Wäschesäcke erfolgen, wobei unnötiges Umherlaufen in den Praxisräumen strikt vermieden werden muss.

Abschließend ist zu sagen, dass es eine hohe Notwendigkeit für zahnmedizinische Betreuung von Beatmungs-WGs gibt, jedoch eine vorherige Auseinandersetzung mit dem Thema notwendig ist, um auf die besonderen Gegebenheiten eingehen zu können. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, dass weitere wissenschaftliche Untersuchungen bezüglich dieser medizinisch anspruchsvollen Patienten durchgeführt werden würden, um evidenzbasierte Handlungsempfehlungen aussprechen zu können. Es ist unvorstellbar, dass beatmete Patienten derweil häufig ohne jegliche konsequente Unterstützung im Bereich der Mundhöhle versorgt werden. Hier gilt es, dringend Versorgungsstrukturen zu schaffen. Die Implementierung des Expertenstandards Mundgesundheit wird dazu führen, das vermehrt Pflegeeinrichtungen aktiv auf Zahnärzte zugehen werden.

Take-Home-Message

  • Die zahnärztliche Versorgung von beatmeten Patienten zielt darauf ab, das Auftreten von VAP zu verhindern, da diese Erkrankung mit einer hohen Sterblichkeit, einer schwierigen Behandlung und hohen Kosten verbunden ist. Andererseits ist die Mundpflege eine kostenwirksame Maßnahme.

  • Die Mundpflege könnte eine wichtige Rolle bei der Prävention spielen.

  • Empfohlen wird CHX 0,12 Prozent, das die Inzidenz der VAP, nicht aber die VAP-Mortalität verringert.

  • Zahnbürsten (manuell oder elektrisch) könnten die VAP-Inzidenz, nicht aber die Mortalität verringern.

  • Zahnpasta bietet keinen Vorteil bei der VAP-Inzidenz. Deren Verwendung sollte nicht empfohlen werden.

  • Topische Antibiotika zur selektiven oralen Dekontamination sollten wegen des schlechter belegten Effekts und des Risikos der Resistenzentwicklung eher nicht verwendet werden. Die begleitende enterale Applikation von Probiotika über die Ernährungssonde kann erwogen werden.

Dr. Med. Dent. (Chile) Gonzalo Baez

Mitglied der Deutschen Gesellschaft für
Alterszahnmedizin (DGAZ)


M.SC. Dominic Jäger

Spezialist für Seniorenzahnmedizin der
DGAZ
Zahnärzte Warstein – Dr. Oeder & Jäger
Kreisstr. 66, 59581 Warstein

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.