Interview mit Dr. Rebecca Otto

„Die weibliche Perspektive ist nicht exotisch, sondern selbstverständlich“

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Die Kinderzahnärztin Dr. Rebecca Otto aus Jena wurde gerade als Präsidentin des Verbandes der ZahnÄrztinnen – Dentista bestätigt. Ihr geht es nicht um standespolitische Eitelkeiten, sondern darum, die Situation der Frauen in der Versorgung und in den Praxen zu verbessern! Männer sind trotzdem herzlich willkommen.

Frau Dr. Otto, Sie wurden als Präsidentin des Verbands der ZahnÄrztinnen – Dentista wiedergewählt. Mit welchen Visionen und Zielen treten Sie an?Dr. Rebecca Otto:

Dentista ist in diesem Jahr 15 Jahre alt geworden, und rückblickend haben wir sehr viel erreicht. Wir dürfen mit Stolz feststellen, dass die weibliche Perspektive der Zahnärzteschaft an immer mehr Stellen Gehör findet.

In drei Jahren, wenn diese Legislatur zu Ende geht, möchte ich, dass Dentista ein starker Partner für Praxisgründung, Networking, Standespolitik und in Genderwissenschaften ist. Wir wollen DIE Interessenvertretung für Zahnärztinnen in allen Bereichen des Berufslebens sein. Mein besonderes Anliegen ist: Ich möchte allen Mitgliedern zeigen, dass es sich lohnt, bei uns Mitglied zu sein.

Warum haben Sie sich mit drei Vizepräsidentinnen neu aufgestellt?

Die drei Vizepräsidentinnen stehen für unsere drei Säulen – Dentista Forum Praxis, Standespolitik sowie Wissenschaft und Gender Dentistry. Unsere Ämter sind alle ehrenamtlich. Wir wollen eine gute Vereinbarkeit von Beruf, Verbandsarbeit und Familienleben und denken, dass die neue Struktur dies noch mehr erleichtert.

Was kann ein Verband wie Dentista, der außerhalb der standespolitischen Gremien steht, überhaupt konkret bewirken?

Stehen wir wirklich außerhalb? Oder sind wir mittlerweile ein Verband, der bei Wahlen präsent und erfolgreich ist? Schauen wir mal nach Westfalen-Lippe: Dort findet in diesem Jahr die Wahl der Vertreterversammlung der KZV statt. Dentista ist hier in jedem Wahlbezirk mit einer eigenen Liste vertreten. In Arnsberg gibt es eine Dentista-Liste mit 93 Personen, davon sind 90 (NEUNZIG) Frauen. Mit Dr. Stefanie Marxkors haben wir als Listenführerin eine erfahrene Standespolitikerin und unterstützen, wo wir können. Dentistas sitzen mittlerweile in zahlreichen Gremien. In der AS-Akademie waren in den letzten Jahrgängen immer Dentistas vertreten – durch unser Stipendium wollen wir dies weiter fördern. Schließlich braucht es qualifizierte Frauen und keine Quotenfrauen. Uns geht es dabei um Inhalte und nicht um die Eitelkeiten standespolitischer Macht für den Verband Dentista.

Sie haben eine Mitgliederbefragung durchgeführt – was waren die wichtigsten Wünsche und welche Ergebnisse haben Sie überrascht?

Mich hat positiv überrascht, dass unsere Mitglieder sehr jung sind, über 66 Prozent nicht älter als 40. Dentistas sind fast hälftig angestellt beziehungsweise niedergelassen, 71,9 Prozent haben mindestens ein Kind. Unsere Mitglieder arbeiten überwiegend in Einzelpraxen, davon haben zwei Drittel zwischen 6 und 20 Angestellte.

Oft genannte Wünsche sind die Professionalisierung der Strukturen, ein vertrauensvoller Austausch, mehr Sichtbarkeit, und wir sollen den Mitgliedern zeigen, dass es sich lohnt, dabei zu sein. Den Wunsch vieler Mitglieder nach mehr Netzwerk und Austausch werden wir mit dem Ausbau unserer Stammtische fördern.

Welche konkreten Veränderungen haben Sie als Frauen-Verband bisher anstoßen können?

Zunächst einmal: Wir sind zwar der Frauenverband der Zahnärzteschaft, der seit 15 Jahren unsere Mitglieder unterstützt, aber uns sind Männer herzlich willkommen. Und zwar nicht als Fördermitglied, sondern als aktive Dentista Supporter. Männer können sich ebenso wie Frauen in Ausschüssen beteiligen und mitarbeiten. Wir sind der Zahnärztinnenverband – auch für Zahnärzte. Wir wollen nicht die Fehler machen und als reiner Frauenverband das Gesamtbild der Zahnärzteschaft aus den Augen verlieren. Die männliche Perspektive ist uns genauso wichtig und wir legen Wert auf die Integration aller Interessen.

Und genau dieser Wechsel der Perspektive, nämlich hin zur Sichtweise der Zahnärztinnen, die fast 50 Prozent der gesamten Zahnärzteschaft ausmachen, ist die größte und wichtigste Veränderung, die wir sozusagen strukturell geschafft haben. Dies hat dann Auswirkungen auf so ziemlich alle Arbeitsbereiche und standespolitischen Felder. Und genau so werden wir uns in Zukunft einbringen.

Welche Vorteile bietet ein Verband von Frauen für Frauen, die ein „gemischter“ Verband nicht bietet?

Wie erwähnt: Es geht uns darum, dass die weibliche Perspektive nicht länger als etwas Exotisches wahrgenommen wird, sondern als etwas ganz Selbstverständliches. Daraus ergibt sich beispielsweise, dass unsere Sitzungskultur familienfreundlich und digitaler geworden ist. Ebenso stört es niemanden, wenn man nebenbei sein Kind stillt oder die Sitzungszeiten zeitlich limitiert. Die meisten von uns kennen das Problem. Das Wichtigste ist allerdings: Man muss sich nicht hochdienen und jahrelang in Ausschüssen herumsitzen, um dann die nächste Stufe erklimmen zu können. Wer Verantwortung bei uns haben will, der bekommt sie.

Wann haben wir in der Standespolitik Gleichberechtigung?

Bei dieser Frage möchte ich die von mir sehr geschätzte Kollegin Dr. Ute Maier, die Vorstandsvorsitzende der KZV Baden-Württemberg zitieren: „Wir haben erst dann Gleichberechtigung und Gleichstellung, wenn genauso viele Frauen schlechte Standespolitik machen dürfen wie Männer.“ (DZW, 25–26/22). Besser und treffender kann ich es nicht formulieren. Bezeichnend ist, dass erst seit eine Quote im Raum steht, über Qualifikationen gesprochen wird.

Was können Sie tun, um mehr Frauen in die Standespolitik zu integrieren?

Bei Wahlen sind wir mit eigenen Listen präsent oder unsere Mitglieder sind auf anderen Listen vertreten. Zusätzlich bin ich zusammen mit Dr. Petra Volz auf Instagram regelmäßig im Livevideotalk zu sehen. Dort sind Gäste dabei und wir beantworten Fragen rund um Standespolitik. Warum ist es wichtig zu wählen? Warum haben wir einen Honorarverteilungsmaßstab? Was macht eine KZV? Die erste Frage ist immer dieselbe, wenn wir Frauen ansprechen: Wie viel Zeitaufwand ist das? Hier leisten wir Aufklärungsarbeit. Auf einer Liste präsent zu sein, bedeutet nicht, in der nächsten Woche im Vorstand zu sitzen und Zeit für nichts anderes mehr zu haben.

Ist eine Quote dienlich?

Es geht nicht primär um die Situation der Frauen in den Gremien der Standespolitik als Selbstzweck, sondern wir wollen die Situation der Frauen in der Versorgung, in den Praxen verbessern! Es geht darum, wie Standespolitik dazu beitragen kann, dass auch junge Zahnärztinnen Praxen betreiben oder gründen können, und gleichzeitig auch Zeit für Kinder und Familie haben. Eine solche Standespolitik wird – das lehrt die Erfahrung der letzten 40 Jahre – am besten von Frauen für Frauen gemacht. Wer in den berufs- und standespolitischen Gremien auf den Entscheiderpositionen nicht dabei ist, dessen Einfluss ist begrenzt. Die Zusammensetzung von Gremien in der Standespolitik spiegelt nach wie vor bei Weitem noch nicht die Zusammensetzung – und damit die Bedürfnisse – der gesamten Zahnärzteschaft wider. Die Ursachen hierfür liegen meiner Meinung nach oft in strukturellen Gegebenheiten der Gremien.

Um es deutlich zu sagen: Ich bin keine Verfechterin von Frauenquoten. Allerdings sind Quoten ein gutes Vehikel, die bislang eingeschliffenen Abläufe und Strukturen zu durchbrechen. Anders ausgedrückt – wenn sich Gremien nicht selbst modernisieren können, sind Quoten nützlich. Aber nur als Vehikel, nicht als Selbstzweck. Denn es geht um gute Politik für die Zahnmedizin und nicht um eine bestimmte Anzahl von Frauen.

Kammer oder KZV: In welchem der beiden Körperschaften können weibliche Vorstände besser Fuß fassen – und warum?

Die Frage ist einfach zu beantworten, weil dies strukturelle Gründe hat. In vielen KZV-Vorständen ist ein Vorsitz mit Hauptamtlichkeit verbunden, somit ist eine Praxistätigkeit nur eingeschränkt oder gar nicht möglich. Ich denke, für viele junge Kolleginnen kommt dies aufgrund ihrer beruflichen Situation nicht infrage. Aber Ausschussarbeit oder ein Sitz in der Versammlung ist in beiden Körperschaften für Frauen sehr gut möglich.

Wie beurteilen Sie die Aktivitäten der AG Frauenförderung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und der Koordinierungskonferenz der Bundeszahnärztekammer?

Toll, dass es beide Ausschüsse gibt. Gerne unterstützen wir zukünftig.

Ein wichtiges Anliegen von Dentista ist auch die Nachwuchsgewinnung: Wie wollen Sie junge Frauen – und auch junge Männer – motivieren?

Wir haben hier einen Ansatz von Kolleginnen für Kolleginnen gewählt. Unsere Vizepräsidentin Dr. Juliane von Hoyningen-Huene wird sich zukünftig um dieses Thema kümmern. Wir stellen tolle Konzepte von Existenzgründerinnen vor und diese teilen Erfahrungen und Netzwerke. Zu viel möchte ich noch nicht erzählen, aber in den nächsten Monaten werden wir einige Sachen vorstellen. Ebenfalls sind wir mit der Politik und den Amtsträgern in verschiedenen Regionen in Kontakt, um strukturelle Hemmnisse für Niederlassungen in ländlichen Regionen zu reduzieren oder abzubauen.

Das Gespräch führte Gabriele Prchala.Das gesamte Interview mit Dr. Otto finden Sie auf zm-online.de oder über denLink.

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