Die Sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie geht ins Feld

5.000 Menschen auf den Zahn gefühlt

Den Deutschen wird nach acht Jahren wieder gründlich in den Mund geschaut: Anfang Oktober startet die Sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS 6) – ein zahnärztliches Großprojekt mit über 5.000 Probanden an bundesweit 90 Untersuchungsstandorten. Was sind die häufigsten oralen Erkrankungen, wie hat sich die Mundgesundheit in den vergangenen 20 Jahren entwickelt? Darauf will das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) Antworten finden.

Die DMS 6 ist die größte repräsentative Analyse zur oralen Gesundheit und zur zahnmedizinischen Versorgung in Deutschland. Sie zeigt, ob die bereits umgesetzten versorgungspolitischen Strategien greifen oder ob ein Nachsteuern notwendig ist. Ihre Ergebnisse tragen wesentlich zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes bei. 

Untersucht werden jetzt die damals ZwölfJährigen

Im Unterschied zu ihren Vorgängerstudien ist die DMS 6 als kombiniert querschnittliche und längsschnittliche, multizentrische und bundesweit repräsentative sozio-epidemiologische Studie angelegt. Ziel ist es, den aktuellen Zahnstatus der Mundgesundheit durch eine klinische Untersuchung zu erheben und gleichzeitig Informationen zum Mundgesundheitsverhalten durch eine sozialwissenschaftliche Befragung zu sammeln. Durch die erstmalig erneute Untersuchung von Probanden aus der Vorgängerstudie DMS V von 2016 wird es möglich sein, individuelle Krankheitsverläufe und Erkrankungsinzidenzen aufzuzeigen. 

Pilotstudie zur KFO

Die Feldarbeiten zum kieferorthopädischen Modul „Zahn- und Kieferfehlstellungen bei Kindern in Deutschland“ der DMS 6 sind bereits abgeschlossen. Die Ergebnisse werden am 22. September 2022 vom IDZ-Direktor Prof. Dr. A. Rainer Jordan, MSc., auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie (DGKFO) vorgestellt und am 23. September im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin der Öffentlichkeit präsentiert.

Die DMS 6 hat drei Schwerpunkte:

  • Zwei Querschnitts-Fragestellungen: 1. Wie hoch sind die aktuellen Prävalenzen oraler Erkrankungen? Hier sollen die gängigsten und schwerwiegendsten oralen Erkrankungen erfasst werden. 2. Welche Assoziationen zwischen der Mundgesundheit und weiteren Probandenmerkmalen gibt es? Hier wird etwa der soziale Status erhoben.

  • Eine Trend-Fragestellung: Wie ist die Entwicklung der Mundgesundheit in Deutschland von 1989 bis 2023? Hier ist es wichtig, auf eine hinreichende Kompatibilität mit den vorangegangenen Mundgesundheitsstudien zu achten.

  • Zwei Längsschnitt-Fragestellungen: 1. Wie verändern sich orale Erkrankungen im Lebensverlauf? Hier werden Krankheitsverläufe im Vergleich untersucht. 2. Welche Probandenmerkmale beeinflussen die Entwicklung oraler (Neu-)Erkrankungen? Hier sollen gesundheitspolitische Faktoren identifiziert werden, die zur Verbesserung oder Verschlechterung von Erkrankungen führen können.

Die DMS 6 wird in Modulen durchgeführt (siehe Schaubild oben), um eine Längsschnittanalyse im Zeitverlauf zu ermöglichen. Das heißt: In der DMS 6 werden die heute 20-Jährigen untersucht, die zum Zeitpunkt der DMS V 12 Jahre alt waren. Außerdem werden die 43- bis 52-Jährigen untersucht, die zum Zeitpunkt der DMS V 35- bis 44-jährig waren. Und es werden 73- bis 82-Jährige untersucht, die damals 65- bis 74-jährig waren. 

Ziel ist ein möglichst verzerrungsfreies Bild 

Es werden auch neue Alterskohorten aufgenommen: die heute 12-Jährigen, die heute 35- bis 44-Jährigen und die heute 65- bis 74-Jährigen. Geplant ist, dass diese Kohorten in etwa acht Jahren in der Folgestudie DMS 7 weiter begleitet werden. Der Zuschnitt der Altersgruppen folgt den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation und erlaubt damit internationale Vergleiche mit älteren Studien gleichen Zuschnitts.

Ziel ist, ein möglichst verzerrungsfreies Bild der Bevölkerung in den ausgewählten Altersgruppen zu erreichen. Aus jedem Bundesland werden Zufallsstichproben gezogen, dabei werden die gleichen 90 Stichprobengemeinden gewählt wie bei der DMS V. Die Teilnehmenden sollen in einigen Jahren auch für die Nachfolgestudie DMS 7 gewonnen werden.

Die Deutschen Mundgesundheitsstudien

Die Deutschen Mundgesundheitsstudien DMS I bis 6 sind wissenschaftliche Untersuchungen über die Zahn- und Mundgesundheit der Bevölkerung sowie die zahnmedizinische Versorgung in Deutschland. Seit 1989 wird im Abstand von mehreren Jahren die Gesundheit der Zähne und des Mundraums zufällig ausgewählter Patienten von Zahnärztinnen und Zahnärzten systematisch beurteilt.

Die wissenschaftliche Leitung der Studie obliegt dem Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ). Finanziert wird die Erhebung von der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV).

Mehr Infos finden Sie auf der Website des IDZ: www.idz.institute/dms6

Zum Studiendesign gehört ein ausgefeiltes Konzept für die Feldarbeit. Insgesamt vier eigens geschulte Teams werden dazu von September 2022 bis Juni 2023 in den 90 Stichprobengemeinden eingesetzt. Jedes Team besteht aus einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt und einem Interviewenden. Sie sind für die Durchführung der Untersuchung und der Befragung verantwortlich. Hinzu kommt ein Kontakter zur persönlichen Vorabrekrutierung der Studienteilnehmenden.

Je Sechs Tage dauern die Tests pro Standort

Pro Stichprobengemeinde (siehe Grafik oben) wird für sechs Tage ein Zentrum eingerichtet, in dem die Untersuchungen und Befragungen erfolgen können. Dazu werden in der Regel zwei Räume von der jeweiligen Kommune, der Kirchengemeinde oder von Hotels angemietet. Wenn man von einer durchschnittlichen Verweildauer der Probanden von rund 45 Minuten im Untersuchungszentrum ausgeht (davon entfallen 20 bis 30 Minuten auf die zahnärztliche Untersuchung), können rund 68 Termine innerhalb von sechs Tagen in einer Stichprobengemeinde durchgeführt werden. Die für die Studie ausgewählten Probanden können sich vorab über den Ablauf eines Termins per Video im Internet informieren. Die Befragung wird nach dem Infektionsschutzgesetz begleitet. Für die DMS 6 wurde ein eigenes Infektionsschutzkonzept entwickelt. Außerdem gilt ein strenges Datenschutzkonzept.



Und so läuft eine Befragung im Untersuchungszentrum ab: Nach der Begrüßung erfolgt eine persönliche Befragung zu sozialwissenschaftlichen Aspekten mittels Fragebogen (vorab mitgebrachter Bogen plus computergestützte Befragung mit standardisierter Gesprächsführung). Anschließend putzt der Proband seine Zähne an einem abgetrennten Mundhygieneplatz, was per Video aufgezeichnet und später ausgewertet wird. Dann erfolgt die zahnmedizinische Untersuchung: parodontale Befunderhebung (zum Beispiel Sondierungstiefe und Attachmentlevel), Erhebung von Plaque-Status, Prothetik-Versorgung (zum Beispiel Zahnersatz und Implantatversorgung), Karieserfahrung und -versorgung (zum Beispiel DMFT-Index, Füllungen, Wurzelkaries) und Erhebung von Mundschleimhautbefunden. Zum Schluss erhält der Proband eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 20 Euro.

Die Datenerhebung und das Datenmanagement erfolgen durch das Feldinstitut CernerEnviza, München. Die Auswertung der Zahnputzaufnahmen übernimmt das Institut für Medizinische Psychologie der Justus-Liebig-Universität Gießen. 

Veröffentlicht wird in zwei Wellen

Die Studienergebnisse sollen in zwei Wellen veröffentlicht werden. 2024 soll es eine erste Berichterstattung vornehmlich zu den querschnittlichen Studienergebnissen geben. Im Jahr 2025 soll dann eine zweite Berichterstattung zu den longitudinalen Studienergebnissen folgen. Die Berichterstattung ist in Form von wissenschaftlichen Fachartikeln geplant, und zwar auf Deutsch und auf Englisch in den Zeitschriften „Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift“ und „Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift International“. Insgesamt werden rund 25 Fachaufsätze angestrebt. Zeitgleich sollen auch zwei Kurzberichte für die Öffentlichkeit verfasst werden.

Interview mit Prof. A. Rainer Jordan

„Wir liefern verlässliche Daten mit zahnärtzlicher Expertise“

Was ist das Ziel der Studie DMS 6?

Prof. A. Rainer Jordan: Die Studie ist sehr groß angelegt und verfolgt gleich mehrere Ziele. Das wichtigste dabei ist, aktuelle Zahlen aus der Bevölkerung über die Verbreitung von zahnmedizinischen Erkrankungen zu gewinnen. Daneben sind aber auch Krankheitsverläufe und Zusammenhänge zwischen diesen Erkrankungen und anderen Personenmerkmalen von Interesse.

Was unterscheidet die neue Studie von den DMS I bis V?

Auch hier gibt es mehrere Unterschiede. Wesentlich ist wohl die Tatsache, dass wir mit der DMS 6 erstmals Personen zum zweiten Mal untersuchen werden. So können wir schauen, inwiefern es zwischen der DMS V, als diese Personen zum ersten Mal teilnahmen, und der DMS 6 zu Veränderungen beim Gesundheitszustand kam. Diese Messwiederholung ist für die Erforschung von Krankheitsverläufen notwendig. Außerdem haben sich seit der DMS V so manche Dinge geändert, etwa die neue Klassifikation der Volkskrankheit Parodontitis, worauf wir ebenfalls reagiert haben.

Was sind die Herausforderungen bei der Durchführung?

Durch die verschiedenen Neuerungen ist die DMS 6 aufwendiger in der Planung und Durchführung geworden: Die Parodontitis wird merklich ausführlicher untersucht; wir laden deutlich mehr Menschen zur Teilnahme ein, weil wir uns jetzt mehr Altersgruppen anschauen wollen; auch die sozialwissenschaftlichen Themen gehen mehr in die Tiefe. Für all das haben wir die Unterstützung von zahnmedizinischen und sozialwissenschaftlichen Expertinnen und Experten sowie verschiedener Dienstleister. Aber dass am Ende alles rund läuft, dass alle Personen und Prozesse hinreichend koordiniert sind, das ist einfach insgesamt mehr geworden als früher.

Welche Bedeutung werden die Ergebnisse der Studie für den Berufsstand, die Gesundheitspolitik und die Öffentlichkeit haben?

Wir erhoffen uns, allen dreien behilflich zu sein: Der Berufsstand hat ja schon ein rein inhaltliches Interesse an derartigen Studienergebnissen. Für die gesundheitspolitische Diskussion werden wir verlässliche Daten mit zahnärztlicher Expertise liefern, auf deren Grundlage wichtige Entscheidungen getroffen werden können. Und am Ende wollen wir die Öffentlichkeit über den Stand unserer Erkenntnisse informieren; aber vor allem sollte die Öffentlichkeit von den Schlussfolgerungen profitieren, die der Berufsstand und die Gesundheitspolitik aus den Ergebnissen ziehen werden.

Das Gespräch führte Gabriele Prchala.

Prof. Dr. A. Rainer Jordan ist Wissenschaftlicher Direktor des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) in Köln und Studienleiter der DMS 6.

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