Bericht der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege (DAJ)

„Ansätze wie die Gruppenprophylaxe sind jetzt von höchster Bedeutung“

In der Hochphase der Pandemie lag die zahnmedizinische Gruppenprophylaxe in Kitas und Schulen nahezu brach: Betretungsverbote für Externe und der Einsatz des Zahnärztlichen Dienstes in der Pandemie-Bekämpfung erschwerten die Arbeit. Hier erklärt die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege (DAJ), was gut lief, welche Hürden es bei der Wiederaufnahme gab und warum ein mundgesunder Kita-Alltag mit täglichem Zähneputzen gerade jetzt so wichtig wäre.

Frühjahr 2022: Die flächendeckende Gruppenprophylaxe nimmt wieder Fahrt auf – und startet allen Widerständen zum Trotz nicht bei Null. Denn sehr viele der regionalen Arbeitskreise haben es geschafft, die Beziehungen zu ihren Partnereinrichtungen kontinuierlich zu pflegen und Angebote für die Kinder „auf Abstand“ bereitzustellen, berichtet DAJ-Geschäftsführerin Bettina Berg. Dabei kamen Päckchen mit Spiel- und Bastelideen zum Thema Mundgesundheit ebenso zum Einsatz wie YouTube-Filme und sogenannte „Gartenzaun-Angebote“, bei denen die AkteurInnen der Gruppenprophylaxe die Kinder mit ihrer Handpuppe im Freien besuchten und so die Erinnerung ans Zähneputzen auffrischten.

Dass jetzt wieder deutlich mehr passieren muss, ist allen klar. „Ansätze wie die Gruppenprophylaxe sind nach zwei Jahren Pandemie, in denen die Kindergesundheit in nahezu allen Bereichen nachweislich gelitten und die Ungleichheit zugenommen hat, von höchster Bedeutung“, betont der DAJ-Vorsitzende Prof. Dietmar Oesterreich. Denn die Gruppenprophylaxe leidet – auch wenn die Besuche in den Einrichtungen jetzt wieder regulär angeboten werden können – weiterhin unter der Pandemiefolge, dass in vielen Kindertagesstätten Personalmangel herrscht.

Der Personalmangel in Kitas bleibt ein Problem

Manche trieb die ungeheure Belastung in den Burn-out, andere wechselten die Branche, selbst Leitungen kündigen häufig, berichtet die DAJ. Eine Entspannung der Situation ist nicht abzusehen, weil es auf mehrere Jahre hin einen ungedeckten Bedarf an ausgebildeten Fachkräften geben wird.

Das alles führt dazu, dass manche Kitas darum kämpfen, ihren Betrieb noch aufrechterhalten zu können, vielerorts gelingt das nur noch mit eingeschränkten Betreuungszeiten und ähnlichen Notmaßnahmen. Ergebnis: Alle Landesarbeitsgemeinschaften (LAGen) berichten von Einrichtungen, die in der Hochphase der Pandemie zum Teil aus Angst vor Ansteckung das Zähneputzen eingestellt haben und nun nicht wieder aufnehmen. Der Grund: Das Personal nimmt die Wiedereinführung nun als Zusatzaufgabe wahr, die es nicht bewältigen zu können glaubt. Das führe in der Folge zu Konflikten, so die DAJ, die mit viel Fingerspitzengefühl gelöst werden müssen – weil die Gruppenprophylaxe auf eine gute Zusammenarbeit mit den Einrichtungen angewiesen ist.

Gleichzeitig wird immer klarer, wie stark die Kindergesundheit in Deutschland während der Pandemie gelitten hat. Schuleingangsuntersuchungen zeigten eine Zunahme von Adipositas, eine verschlechterte Motorik und ein verschlechtertes Sprachvermögen, während die andauernde Ausnahmesituation zu einem höheren Zucker- und Medienkonsum geführt hat.

„Jetzt ist die Politik gefragt, massiv in frühkindliche Bildung und Betreuung zu investieren“, sagt Oesterreich. „Denn nur personell kompetent und ausreichend aufgestellte Einrichtungen sind in der Lage, einen gesundheitsförderlichen Alltag für Kinder zu gestalten und sie anzuleiten, wie sie für ihre Gesundheit sorgen können. Dazu gehört unbedingt das tägliche Zähneputzen.“

Ein Lichtblick war der Mitte Juni 2021 formulierte Appell der Gesundheitsministerkonferenz an die Jugend- und Familienminister sowie an die Kultusminister der Länder, das tägliche Zähneputzen mit fluoridierter Zahnpasta in Kitas und Grundschulen „soweit wie möglich sicherzustellen“.


Passiert sei allerdings de facto noch nichts, beklagt der Verein – ohne dass die Politik diese Situation wahrzunehmen scheine. Mit zwei Schreiben im März und im Juni dieses Jahres versuchte der Vorstand der DAJ deshalb, Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach dafür zu gewinnen, das tägliche Zähneputzen in Kindergärten und Schulen höher zu priorisieren und darüber hinaus „die technischen Voraussetzungen für einen flächendeckenden Ausbau der Gesundheitsberichterstattung zur Mundgesundheit in Deutschland zu schaffen“, damit für die Zukunft eine kontinuierliche Datenbasis sichergestellt werden kann.

Die Hoffnung ist, dass ein Teil der im Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) unter anderem für Digitalisierung bereitgestellten Mittel – immerhin rund 4 Milliarden Euro – auch zu einer verbesserten Ausstattung des Zahnärztlichen Dienstes führt. Die DAJ schloss sich zudem der Empfehlung des ExpertInnenrates der Bundesregierung zu COVID-19 an, langfristig Fördermittel für die Führung eines kontinuierlichen bundesweiten Gesundheits- und Maßnahmen-Monitorings unter Einbezug von Zahn- und Mundgesundheitsdaten bereitzustellen. Seitdem hofft sie auf ein positives Signal des Bundesgesundheitsministers.

Die Unterstützung aus dem BMG fehlt

Bislang vergeblich. Es gab nicht einmal ein Antwortschreiben des Ministeriums, während die erste Runde der Fördermittelvergabe dem Vernehmen nach bereits abgeschlossen ist.

Auch darum sei der Fokus des diesjährigen Tags der Zahngesundheit „Gesund beginnt im Mund – in Kita & Schule“ so wichtig, betont die DAJ. Es gehe schließlich nicht nur um ein-, zwei-, dreimalige Impulse für eine bessere Mundhygiene, sondern darum, eine qualitativ hochwertige und erfolgreiche Gruppenprophylaxe sicherzustellen. Und für diese brauche es starke Partnereinrichtungen, die dann als Orte der Gesundheitsbildung für Kinder wirksam werden können.

„Mehr denn je müssen Bildungs- und Gesundheitspolitik jetzt gemeinsam die nötigen Voraussetzungen schaffen“, fordert Oesterreich, „damit Kinder in Deutschland – nicht nur auf den Mund bezogen – gesund aufwachsen und für ihre eigene Gesunderhaltung Sorge tragen lernen!“ Die aufsuchende Gruppenprophylaxe sei zudem eine wesentliche Maßnahme zur Herstellung gesundheitlicher Chancengleichheit.

Rückmeldungen aus den zahnärztlichen Praxen zeigten, dass die Inanspruchnahme der zahnärztlichen Vorsorge bei den Kindern und Jugendlichen abgenommen hat und die Auswirkungen nach einer längeren Phase der Abwesenheit deutlich sichtbar werden, erläutert der Vorsitzende. Dies sei ein deutliches Alarmsignal für die Mundgesundheit der Kleinkinder. Erfreulich sind hingegen die internationalen Entwicklungen: Sowohl die Weltgesundheitsorganisation WHO als auch die Weltzahnärzteorganisation FDI weisen auf die Bedeutung der Mundgesundheit als ein wesentliches globales Gesundheitsziel hin und betonen die Notwendigkeit weiterer präventiver Aktivitäten in den Ländern.


Aktuell steht die Gruppenprophylaxe in Deutschland vor zahlreichen Herausforderungen. Die DAJ erwartet von der Politik darum ein klares Signal für die Unterstützung von Gesundheitsförderung und Prävention, die Pandemie-bedingt einen wesentlich größeren Raum einnehmen muss. Oesterreich: „Wir sind der festen Überzeugung, dass Veränderung im Verhalten sowie in den Verhältnissen, bei denen die Gruppenprophylaxe eine zentrale Rolle einnimmt, die Erfolge bei der Mundgesundheit sichert.“

 Der QR-Code führt zum 2021 erschienenen Themenblatt „Mundgesund aufwachsen – in Pandemiezeiten wichtiger denn je!“, das viele Praxisbeispiele sowie Links zu Materialien und weiterführenden Informationen enthält.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.