Editorial

Düstere Aussichten

Nicht selten klaffen die persönliche Wahrnehmung einer Situation und die zugrunde liegenden Fakten deutlich auseinander. Da spielen eine Menge psychologischer Elemente ebenso hinein wie die eigenen Charakterzüge. Bekanntermaßen sieht der eine ein halb volles Glas, der andere ein halb leeres. Aktuell scheint aber beides recht deutlich zusammenzugehen. Kommen wir zunächst zur persönlichen Einschätzung.

So hat die Stiftung Gesundheit kürzlich die aktuelle Ausgabe des Medizinklimaindex (MKI) veröffentlicht. Ihre aktuelle wirtschaftliche Lage betrachten demnach knapp drei Viertel der befragten Zahnärztinnen und Zahnärzte als gut oder befriedigend. Etwas über ein Viertel schätzt seine Lage als schlecht ein. Damit beurteilt die Zahnärzteschaft die eigene wirtschaftliche Lage erkennbar besser als Fachärztinnen und Fachärzte dies tun. Bei ihnen schätzen mehr als ein Drittel die Lage als schlecht ein. Nach der wirtschaftlichen Erwartung für die kommenden sechs Monate gefragt, blicken alle gleich pessimistisch in die Zukunft. Über zwei Drittel erwarten in einem halben Jahr eine schlechtere wirtschaftliche Situation als derzeit. Optimismus sieht anders aus. Deutlich weniger besorgt sind nur die Psychologischen Psychotherapeutinnen und -therapeuten. Über die Gründe mag man spekulieren.

Diese persönlichen Einschätzungen werden auf der anderen – objektiven – Seite etwa unterfüttert durch die Preisanstiege bei den Verbrauchsmaterialien. Laut Praxisdienst sind Desinfektionsmittel im dritten Quartal noch einmal um 1,22 Prozent teurer geworden, OP-Bedarf und Einmalinstrumente um 1,33 Prozent, Laborbedarf um 0,59 Prozent. Klingt erst einmal nicht viel, doch es handelt sich um Quartalsanstiege.

Eine Aussage von Praxisdienst lautet zudem: Aktuell würden die Lieferanten einen großen Teil der Teuerungen noch übernehmen, diese aber in den kommenden Monaten nach und nach an die Abnehmer weitergeben. Der große Hammer kommt also noch. Und hierbei handelt es sich natürlich nur um einen Teil der Preisspirale. Die steigenden Energiepreise, deren Entwicklung derzeit überhaupt noch nicht vollends absehbar ist – außer dass sie weiter steil nach oben gehen –, kommen noch hinzu. Vor diesem Hintergrund überrascht es fast, dass „nur“ zwei Drittel eine schlechtere wirtschaftliche Lage erwarten.

Apropos Energie: Preisexplosionen sind das eine. Aber was, wenn der Strom mal ganz ausbleiben sollte? In Berlin werden aktuell Pläne durchgespielt, wonach es bei einer Überlastung des Stromnetzes im Herbst und im Winter „zu temporären, lokal begrenzten Stromabschaltungen“ kommen könnte. Die Senatsverwaltung für Energie spricht von Abschaltungen über mehrere Stunden hinweg – aber vorab angekündigt und jeweils nur für bestimmte Postleitzahlbereiche.

Wenn das so gut klappt wie die Durchführung von Wahlen in Berlin ... na, dann gute Nacht, Marie. Die Berliner Kliniken müssen Notstromaggregate haben, Arzt- und Zahnarztpraxen dürften darüber in den seltensten Fällen verfügen. Selbst eine Einschätzung der Praxen als kritische Infrastruktur dürfte dann wenig bringen, weil eine gezielte Versorgung in betroffenen Gebieten technisch kaum möglich sein dürfte. Anderswo in der Republik werden derzeit ähnliche Szenarien durchgespielt. Es könnte also passieren, dass Sie Ihre Patientinnen und Patienten nach Hause schicken müssen, weil es im wahrsten Sinne zappenduster ist. Aber das sind nach Aussage der Behörden derzeit nur „Worst Case“-Szenarien.

Also wollen wir hoffen, dass durchgehend behandelt werden kann und wir wieder andere Zeiten mit besseren Aussichten bekommen. 

Ich wünsche trotzdem viel Spaß bei der Lektüre.

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