FVDZ-Hauptversammlung in Bonn

„Wir sind nicht Notnagel für eine verkorkste Gesundheitspolitik!“

Wie sieht eine nachhaltige und zukunftsgerichtete Zahnheilkunde aus? Darüber diskutierten Spitzenvertreter von Standespolitik und Wissenschaft zum Auftakt der Hauptversammlung des Freien Verbandes in Bonn. Sie sparten nicht mit harscher Kritik an der Politik – im Zentrum der Debatten stand das inzwischen verabschiedete GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG).

Zwischen Vorsorgen und Versorgen – Wie sieht eine nachhaltige und gute Zahnheilkunde in der Zukunft aus?“ Zum Auftakt der Hauptversammlung diskutierten Vertreter des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte (FVDZ) mit Spitzenvertretern der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) und dem Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) über Perspektiven der Berufsausübung. 

Es droht eine Ära der Kostendämpfung

„Wir sind nicht mehr bereit, der Notnagel für eine verkorkste Gesundheitspolitik zu sein“, brachte es der FVDZ-Bundesvorsitzende Harald Schrader auf den Punkt. Sowohl der Fachkräftemangel und die Digitalisierungswelle als auch die fehlende Unterstützung der Politik in der Corona-Pandemie stellten die Zahnärzteschaft derzeit vor enorme Herausforderungen, die sie nicht allein stemmen könnten, sagte Schrader. Vor allem das am 20. Oktober verabschiedete GKV-Finanzstabilisierungsgesetz von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sorgte für Beunruhigung: Die Politik lege damit die Axt an die Pfeiler, die das System der ambulanten Versorgung bisher tragen. Den tatsächlichen Wert der freiberuflichen Tätigkeit werde man vermutlich erst erkennen, wenn es keine freiberuflichen Praxen mehr gebe. Schrader verwies auf weitere Probleme für die Praxen wie Inflation und Energiekrise. „Wenn der Strom nicht bezahlt wird, werden die Lichter in den Praxen ausgehen.“


Die Kritik des KZBV-Vorsitzenden Dr. Wolfgang Eßer am GKV-FinStG fiel heftig aus: „Jetzt hier Leistungen zu beschneiden – und noch dazu als Regierung, die sich im Koalitionsvertrag ‚Nachhaltigkeit‘ und ‚Prävention‘ auf die Fahnen geschrieben hat – ist mit Blick auf die mittel- und langfristige Stabilität der GKV-Finanzen völlig sinnfrei und mit Blick auf die Mund- und Allgemeingesundheit unverantwortlich“, sagte er. 

Begrenztes Geld bedeutet begrenzte Leistungen

Eßer: „Bei aller freiberuflichen Gemeinwohlorientierung der Heilberufe wird ein Grundsatz unverändert Gültigkeit behalten: Für begrenztes Geld wird es auch nur begrenzte Leistungen geben können!“

BZÄK-Präsident Prof. Dr. Christoph Benz, betonte die große Bedeutung des Generalisten: „Es gibt nur eine Zahnheilkunde, die es zu bewahren gilt.“ Er ging auf zwei Hauptprobleme ein, die die Zahnärzteschaft in den Praxen vor große Herausforderungen stellten. Zum einen sei dies das Personalproblem. Dazu gebe es im Rahmen des generellen Fachkräftemangels in Deutschland keine schnelle Lösung. Das zweite sei die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ). „Wir brauchen eine neue GOZ mit ständiger Anpassung“, forderte er: „Bei diesem Thema ist der Minister leider ein Totalausfall.“ Allerdings gebe es gute Kontakte aus der BZÄK zu Mitarbeitern des Bundesministeriums und der Gesundheitsministerien auf Länderebene. Diese seien bereits erfolgreich genutzt worden.

Über Nachhaltigkeit in der zahnmedizinischen Ausbildung sprach DGZMK-Präsident Prof. Dr. Roland Frankenberger. Er berichtete, dass an den Universitäten der wissenschaftliche Nachwuchs fehle und die Budgets immer geringer würden. „Da muss definitiv etwas passieren“, betonte Frankenberger. „Eine gute Ausbildung kostet Geld, das muss von der Politik auch bezahlt werden.“ 

Die Beschlüsse

In einer Resolution lehnte die Versammlung den Entwurf zum GKV-FinStG strikt ab. Die Regelungen bedeuteten einen Rückfall in die strikte Budgetierung. Sie würden zwangsläufig erhebliche Leistungskürzungen für die Versicherten nach sich ziehen, heißt es im Resolutionstext. Das werde langfristig erhebliche Folgen für die zahnärztliche Patientenversorgung haben – und die im vergangenen Jahr in die Versorgung gebrachte neue, präventive Parodontitistherapie umgehend wieder ausbremsen. Und zwar zulasten der Mund- und Allgemeingesundheit der Bevölkerung.

Sollte diese strikte Budgetierung von Punktwerten und Gesamtvergütungen im Gesetz umgesetzt werden, sprachen sich die Delegierten dafür aus, ein zeitlich eskalierendes Protestkonzept vorzubereiten.

Zudem forderten die Delegierten, dass auch in der Zahnheilkunde die verwendeten Mittel und Ressourcen vernünftig und zielgerichtet eingesetzt werden müssten. Sie verlangten einen schonenden Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen. Dazu gehörten insbesondere die Konzentration auf die heilberufliche Tätigkeit von Zahnärztinnen und Zahnärzten und ihrer Mitarbeitenden, der ökologische und ökonomische Einsatz materieller Ressourcen sowie die Gestaltung zukunftsfähiger politischer Rahmenbedingungen.

Weiterer Diskussionspunkt: die GOZ. In einem Beschluss forderten die Delegierten die BZÄK und die Landeszahnärztekammern auf zu prüfen, ob im Rahmen der verfassungsgemäßen Kompetenz als Selbstverwaltungsträger eine teuerungsbedingte Anpassung des GOZ-Punktwerts auf 11,38156 Cent vorzunehmen ist. Fortfolgend solle eine weitere Anpassung anhand des Verbrauchspreisindex geprüft und gegebenenfalls jeweils zum ersten eines Quartals vorgenommen werden.

Die Beschlüsse im Wortlaut: https://www.fvdz.de/politik/
hauptversammlung/hv-beschluesse

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