Zahnarzt Bernhard van den Bosch ist Europameister im Wasserball

"Ein blaues Auge ist die absolute Ausnahme"

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Vor gut 45 Jahren kam der begeisterte Schwimmer Bernhard van den Bosch zum ersten Mal mit einem Wasserball in Berührung. Seitdem hat ihn der Zauber des beinharten Mannschaftssports nicht mehr losgelassen. Bis zu fünfmal pro Woche trainiert der Zahnarzt neben der Praxis, um bei internationalen Turnieren in Topform zu sein. Jüngste Krönung dieses Arbeitseifers: der Europameistertitel im September 2022 in Rom. Doch van den Bosch hat noch größere Ziele.

Aktuell hat der Wasserballer das Training „heruntergefahren“, wie er berichtet. Bedeutet: Zweimal pro Woche ist eine Stunde Schwimmen angesagt, hinzu kommt dann noch spezifisches Training etwa mit Torwurfübungen. Für die Kondition fährt der 63-jährige Zahnarzt außerdem noch Rennrad. In der altersgemischten Mannschaft seines Heimatvereins, der Schwimmvereinigung Münster von 1891 e. V. (SV 91), ist der Zahnarzt der Oldie im Team – bei den Wasserballer-Herren 60+ des SV Cannstatt Stammspieler unter seinesgleichen.

2016 fand van den Bosch bei den knapp 500 Kilometern entfernten Stuttgartern eine zweite sportliche Heimat. Denn der Schwimmverein Cannstatt 1898 e. V., so der volle Name, hat nicht nur eine Bundesliga- und eine Bezirksligamannschaft im Wasserball, sondern auch eine international gefürchtete Masterssektion, deren Spieler ab 50 Jahren aufwärts sehr erfolgreich sind. Mit ihnen wurde van den Bosch in seiner Funktion als „Center“ – in etwa mit dem Mittelstürmer beim Fußball vergleichbar – 2018 Vizeeuropameister in Slowenien, 2019 Vizeweltmeister in Südkorea und jetzt – nach zwei Jahren Corona-Pause – Europameister in Rom.

Dabei startete die Mannschaft am 29. August zunächst schlecht ins Turnier. Im ersten Spiel gegen die Niederländer „de Robben“ gelang wenig. Cannstatt verlor klar mit 11:6, kam dann aber immer besser in Form: Gegen das tschechische Team „Old Boys Prague“ stand es am Ende 11:4, gegen die Ungarn („OSC Masters Budapest“) 9:4. Im Halbfinale bezwangen die Deutschen dann die Spanier aus Madrid („Canoe“) mit 5:1 und zogen ins Finale gegen das finnische Team „Simmis“ ein.

Endlich ganz oben auf dem Treppchen

Hier taten sie sich allerdings deutlich schwerer, dem Gegner ihr Spiel aufzuzwingen, so dass es nach Ablauf der regulären Spielzeit von viermal fünf Minuten 2:2 stand. Das bedeutete Penaltyschießen – und im konkreten Fall „einen extremen Nervenkrieg“. Da selbst viele der „sonst zu 100 Prozent sicheren Schützen“ Nerven zeigten und vergaben, waren 16 Fünfmeter nötig, um die Siegermannschaft zu ermitteln. Am Ende stand es 6:5 für die Deutschen und van den Bosch und sein Team waren Europameister.

„Es war für alle überwältigend“, erinnert sich van den Bosch, da das Team bei den vergangenen Europa- und den Weltmeisterschaften „nur“ Zweiter geworden war. „Aber jetzt standen wir oben auf dem Treppchen. Das war unbeschreiblich und emotional!“

Anschließend telefonierte van den Bosch direkt mit seiner Frau und seiner Tochter, die den Fünfmeter-Krimi im Live-Stream verfolgt hatten. Zu Beginn des Turniers waren beide als Fans in Rom dabei, mussten vor dem Finale aber wieder zurück.


Denn während sich van den Bosch in Italien seinen sportlichen Traum erfüllte, stellte Ehefrau Delia mit den zwölf Mitarbeitenden den Praxisbetrieb in Münster sicher. In der 1991 übernommenen Praxis mit vier Behandlungsstühlen legen die van den Boschs den Schwerpunkt neben Prothetik auf Prophylaxe und Parodontitisbehandlung, bieten aber auch Schlaf- und Sportzahnmedizin an.

Der Sport spielte bei van den Bosch schon immer eine Rolle im Beruflichen – nicht erst seit er 2019 das Curriculum der deutschen Gesellschaft für Sportzahnmedizin absolvierte und Mannschaftszahnarzt seiner Wasserballer beim SV Cannstatt wurde. Auch bei der Auswahl seiner zahnmedizinischen Kollegen ist van den Bosch mit Sportlern immer gut gefahren, sagt er.

Nach einer Ausbildung und Tätigkeit als Industriekaufmann, dem nachgeholten Vollabitur und dem Zahnmedizinstudium heuerte er 1989 in der Münsteraner Praxis von Dr. Wilhelm Bulk an, mit dem er bis zu dessen altersbedingtem Ausscheiden 15 Jahre erfolgreich zusammenarbeitete. Wichtig zu wissen, findet van den Bosch: Bulk war lange Zeit Rennradfahrer im Nationalkader. 1959 wurde er einmal Deutscher Meister im Tandemrennen. Und auch A. Boris Kapitza, der seit mehr als zwei Jahren bei den van den Boschs als angestellter Zahnarzt arbeitet, ist Sportler: „Triathlet.“

Die Praxisverstärkung ist auch der Versuch, langfristig eine Praxisübergabe zu planen, erklärt van den Bosch. „Ein paar Jahre“ will der Zahnarzt aber noch praktizieren – und parallel den Wasserballbetrieb in den Becken dieser Welt genießen. Es sei einfach „eine tolle Möglichkeit, herumzukommen und spannende Menschen zu treffen“. Als nächstes könnte das im Dezember in Pamplona, Spanien, beim traditionellen Weihnachtsturnier wieder der Fall sein – auf jeden Fall aber im Juli 2023 bei der Schwimmweltmeisterschaft in Japan, bei der auch die Wasserball-Masters ausgetragen werden. Im Frühjahr wird der Zahnarzt darum sein Training wieder intensivieren.

„Für mich ist der Sport Psychohygiene“ 

Neben den sozialen Aspekten lobt er die positiven Effekte für Körper und Geist. Er erlebe den Sport als „unheimlich guten Ausgleich zum Praxisalltag“, gleichzeitig diene das Training der Psychohygiene und der Prävention vor Rückenbeschwerden. „In Phasen, in denen ich unregelmäßiger trainiere, merke ich es sofort“, sagt er. Auch darum trainiert er.



Zum Wasserballspielen kam van den Bosch vor gut 45 Jahren eher durch Zufall. Bis etwa zur Volljährigkeit habe er Leistungsschwimmen betrieben, „war aber nicht so eine Oberkanone“, sagt er. Als dann durch ein Probetraining die Liebe zum Wasserball entbrannte, war er fast schon ein Spätberufener. „Viele beginnen im Alter von zehn bis 13 Jahren“, erklärt van den Bosch, der als junger Mann zeitweise mit dem SV 91 in der Regionalliga spielte. Dort ging es dann auch schon mal etwas ruppiger zu, erinnert sich der Zahnarzt, „war aber alles halb so wild“.
Die schlimmste Verletzung sei mal ein Nasenbeinbruch bei einem Teamkollegen gewesen, erinnert er sich. Und einmal sei er sei auch mit einem Hämatom am Auge morgens in die Praxis gekommen („die absolute Ausnahme“). Ein für Team und Patienten zwar unsichtbares, aber bedeutend größeres Handicap war da schon eine Rippenprellung, die er sich in einem Meisterschaftsspiel „durch einen Tritt in den Rücken“ zugezogen hatte. 

Bei der prellung musste er die Zähne zusammenbeiẞen

Die Zeit in der Regionalligazeit verbindet van den Bosch aber auch mit jeder Menge positiver Erinnerungen. Dank viel Werbung kamen damals 150 bis 200 Zuschauer pro Spiel. „Da war die Halle voll“, sagt er. Dass es bei der Europameisterschaft in Rom nicht viel mehr waren, trägt er mit Fassung. „Wasserball ist halt eine Randsportart“, da macht er sich nichts vor. Trotzdem hat die älteste olympische Mannschaftssportart in all den Jahren für den Zahnarzt nichts von ihrer Begeisterung verloren.
Und wenn er nicht in seiner Münsteraner Praxis oder für die Hilfsorganisation „Kinder des Himalaya“ im tibetanischen Ladakh behandelt, dann trainiert er – oder lehrt die Center-Verteidiger dieser Welt in seiner Altersklasse das Fürchten.

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