Wie geht es jetzt weiter?
Heftig und mit Nachdruck hatten KZBV und BZÄK kritisiert, dass mit der jetzt gültigen Verordnung die massiven negativen Auswirkungen der Corona-Krise für die vertragszahnärztliche Versorgung in Deutschland nur sehr unzureichend abgefedert werden. Sie trage nicht zur Sicherstellung einer flächendeckenden zahnärztlichen Versorgung bei. Die Regelung sieht – im Gegensatz zum ursprünglichen Entwurf – nur noch vorübergehend gewährte Liquiditätshilfen zur Überbrückung der finanziellen Auswirkungen der Pandemie auf die Zahnarztpraxen vor. Diese müssen in den beiden Folgejahren vollständig zurückgezahlt werden (vgl. auch den ausführlichen Bericht mit Stellungnahmen von KZBV und BZÄK in zm 10/2020, S. 14 ff.) Das ist jetzt geregelt:
Zur Überbrückung der finanziellen Auswirkungen der infolge der COVID-19-Epidemie verminderten Inanspruchnahme zahnärztlicher Leistungen wird die Gesamtvergütung vertragszahnärztlicher Leistungen abweichend von den bisherigen Regelungen im SGB V für das Jahr 2020 auf 90 Prozent der gezahlten Gesamtvergütung der vertragszahnärztlichen Leistungen des Jahres 2019 als Abschlagszahlung festgesetzt, sofern nicht die jeweilige Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen bis zum 2. Juni 2020 dem schriftlich widerspricht. Die Krankenkassen haben die aufgrund dieser Verordnung anzupassenden Abschlagszahlungen an die jeweilige KZV zu entrichten.
Übersteigt die von den Krankenkassen an eine KZV gezahlte Gesamtvergütung die im Jahr 2020 erbrachten vertragszahnärztlichen Leistungen, so hat die KZV die dadurch entstandene Überzahlung gegenüber den Krankenkassen in den Jahren 2021 und 2022 vollständig auszugleichen.
Die KZVen können in den Jahren 2020 bis 2022 im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen in den Honorarverteilungsmaßstäben (HVM) abweichende Regelungen vorsehen, um die Versorgung unter Berücksichtigung der Pandemie-Auswirkungen auf die vertragszahnärztliche Tätigkeit sicherzustellen.
Soweit die vertragszahnärztliche Versorgung mit den oben genannten Abschlagszahlungen nicht sichergestellt werden kann, können KZVen mit ihren Vertragspartnern auf Landesebene für das Jahr 2020 einvernehmlich Abschlagszahlungen bezogen auf den in den Festzuschussbeträgen nach § 55 des SGB V enthaltenen Anteil für zahnärztliche Leistungen vereinbaren. Übersteigt die von den Krankenkassen an eine KZV geleistete Abschlagszahlung die im Jahr 2020 tatsächlich erbrachten zahnärztlichen Leistungen, so hat die KZV die dadurch entstandene Überzahlung gegenüber den Krankenkassen im Jahr 2021 vollständig auszugleichen.
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) überprüft bis zum 15. Oktober 2020 die Auswirkungen der Regelungen auf die wirtschaftliche Situation der Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzte.
Das bedeutet, dass Zahnärzte – anders als beispielsweise die Ärzte – die Unterstützung des Bundes nur als zinsloses Darlehen erhalten und dieses über die folgenden zwei Jahre vollständig zurückzahlen müssen. Die KZBV hatte schon sehr frühzeitig zum Krankenhausentlastungsgesetz einen konkreten Regelungsvorschlag eingebracht, der eine Lastenteilung zwischen Krankenkassen und Zahnärzteschaft hinsichtlich der pandemiebedingten Einbrüche bei der Leistungsinanspruchnahme und den damit verbundenen finanziellen Folgen für die Zahnarztpraxen vorsah. Danach hätten sich die Krankenkassen mit 50 Prozent an dem Betrag beteiligen müssen, der in 2020 überzahlt worden wäre. Zunächst gab es auch aus dem zuständigen, von Minister Jens Spahn (CDU) geführten BMG klare positive Signale, dass man zumindest eine 30/70-prozentige Risikoteilung zum Gegenstand einer Verordnung machen würde. Diese Regelung war auf Druck und durch das Veto des SPD-geführten Bundesfinanzministeriums hinfällig geworden. Deshalb gibt es jetzt für die Zahnärzte keinen Schutzschirm, sondern nur noch eine Liquiditätshilfe verbunden mit einer 100-prozentigen Rückzahlungsverpflichtung.
Abschlagszahlung ist nicht gleich Abschlagszahlung
Zur Frage, ob und wenn ja, wann die KZVen diese Liquiditätshilfe annehmen würden, erklärte der KZBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Wolfgang Eßer, dass die KZVen die Frage nach der Annahme der Liquiditätshilfe nur dann „ermessensfehlerfrei“ beurteilen könnten, wenn einerseits verbindlich klargestellt sei, dass Zahnärzte Anspruch auf Kurzarbeitergeld (KuG) haben, und wenn zweitens verbindlich klargestellt sei, dass die Liquiditätshilfe nicht als Budgetobergrenze wirkt. Beides konnte zwischenzeitlich durch intensive Bemühungen des KZBV-Vorstands in Gesprächen mit dem Bundesarbeitsministerium (BMAS) und dem BMG positiv geklärt werden. Im Hinblick auf die Schutzverordnung wurde durch das BMG im Ergebnis die Rechtsauffassung der KZBV vollumfänglich bestätigt und unmissverständlich festgestellt, dass mit der Festschreibung der Gesamtvergütung in 2020 als Abschlagzahlung bei 90 Prozent des Vorjahresniveaus keine Festlegung im Sinne einer als Budgetierung wirkenden festen Vergütungsobergrenze intendiert ist und die Vergütung von vertragszahnärztlichen Leistungen über die 90 Prozent hinaus daher weiterhin möglich und zulässig ist. Folglich erzielt die Verordnung also auch nur dann ihre Wirkung, wenn die Vergütung für zahnärztliche Leistungen, die in 2020 erbracht worden sind, 90 Prozent der im Jahre 2019 ausgezahlten Gesamtvergütung unterschreitet (siehe Kasten).
Die Verordnung führt somit dazu, dass der Liquiditätszufluss von den Krankenkassen hin zur KZV für das Jahr 2020 nach unten hin abgesichert wird, losgelöst davon, wie stark das Leistungsgeschehen aufgrund der Pandemie in diesem Jahr zurückgehen wird. Damit stünde den KZVen, die sich dafür entschieden haben, die Liquiditätshilfe in Anspruch nehmen zu wollen, auch ein gewisser Vergütungsanteil zur Verfügung, um in Not geratene Praxen stützen zu können.
Wie groß dieses Volumen zur Stützung von Praxen ist, hängt also davon ab, wie stark die tatsächliche Leistungsmenge in 2020 zurückgeht. Normalisiert sich das Leistungsgeschehen in den nächsten Wochen und Monaten wieder, wird der Betrag, der einer KZV in diesem Fall zur Stützung zur Verfügung steht, nicht allzu üppig sein. Kommt es aber beispielhaft zu einem erneuten Einbruch in der Leistungsinanspruchnahme, weil die Infektionszahlen plötzlich wieder stark ansteigen, können in größerem Umfang Liquiditätshilfen seitens der KZVen an coronabedingt notleidende Praxen geleistet werden.
All diese Punkte ziehen die KZVen derzeit in ihre Erwägungen mit ein, um dann bis zum 2. Juni zu entscheiden, ob sie die Liquiditätshilfe in Anspruch nehmen wollen. Ebenso wird die jeweilige Vergütungs- beziehungsweise Vertragssystematik einer KZV maßgeblich die Entscheidung beeinflussen.
Dabei gibt es Folgendes zu berücksichtigen:
Es sind zwei grundsätzlich verschiedene Typen von Vergütungsverträgen zwischen Krankenkassen und KZVen zu unterscheiden. Die meisten KZVen haben mit den Krankenkassen Einzelleistungsvergütungsverträge vereinbart, im Rahmen derer Punktwerte festgelegt und eine Gesamtvergütungsobergrenze fixiert werden. Die KZVen reichen die abgerechneten Leistungen bei den Krankenkassen ein und diese bezahlen die Leistungen zum vertraglich festgelegten Punktwert, bis zur festgelegten Obergrenze. Übersteigt das Leistungsgeschehen die Vergütungsobergrenze, greift der sogenannte Honorarverteilungsmaßstab (HVM).
Das andere Vertragsmodell setzt auf einer Budgetüberstellung auf. Hier vereinbaren die KZVen mit den Krankenkassen in der Regel fußend auf dem tatsächlichen Leistungsgeschehen des Vorjahres einen Gesamtvergütungsbetrag anhand von Kopfpauschalen. Dieser Betrag steht dann zu 100 Prozent zur Ausschüttung an die Zahnärzte zur Verfügung. Werden weniger Leistungen als im Vorjahr erbracht, können die einzelnen Leistungen mit einem höheren Punktwert vergütet werden. Übersteigt die Leistungsmenge das Geschehen aus dem Vorjahr, sinkt der Punktwert entsprechend.
Somit haben die KZVen mit so genannten „Überstellungsverträgen“ in 2020 zunächst kein Problem hinsichtlich des Geldflusses von Krankenkassenseite hin zur KZV, obwohl derzeit von einem Einbruch der Leistungsmenge auf das ganze Jahr gesehen auszugehen ist. Deshalb werden voraussichtlich gerade die „Übersteller KZVen“ die Liquiditätshilfe nicht in Anspruch nehmen, sondern von der „Opt-out-Regelung“ Gebrauch machen, da sie ja in 2020 von den Krankenkassen 100 Prozent Gesamtvergütung des Vorjahres und nicht nur 90 Prozent bekommen, wie es bei Inanspruchnahme der Liquiditätshilfe der Fall wäre. Soweit KZVen mit Einzelleistungsvergütungsverträgen die Liquiditätshilfe nicht in Anspruch nehmen würden, könnten hier in 2020 Liquiditätsengpässe entstehen, wenn die tatsächlich erbrachten Leistungen im Vergleich zu dem Vorjahreszeitraum durch die Cororna-Pandemie deutlich zurückgehen würden. Für KZVen mit Überstellungsverträgen könnte jedoch dann das Jahr 2021 je nach Vertragssituation problematisch werden hinsichtlich der Anknüpfung an das Leistungsgeschehen des Vorjahres.
Alleine diese kurze und keineswegs vollständige Darstellung zeigt, wie komplex und kompliziert das Vertragsgeschehen im Bereich der Vergütungsverträge gestaltet ist. Viele weitere Aspekte können hier nicht oder nicht umfassend dargestellt werden, müssen aber in ihrer Auswirkung von den KZVen genauestens bedacht und bewertet werden. Schlussendlich müssen sie in Wahrnehmung ihrer Fürsorgepflicht für die Zahnärztinnen und Zahnärzte in ihrem jeweiligen KZV-Bereich dafür Sorge tragen, dass die Auswirkungen der Corona-Krise möglichst gut gemeistert werden können. Auch gilt es, etliche weitere Fragen zum Beispiel im Rahmen der Honorarverteilung an die Zahnärzte zu regeln, Honorarverteilungsmaßstäbe müssen ggf. modifiziert und Satzungen angepasst werden. Aus diesem Grunde werden zurzeit in vielen KZV-Bereichen außerordentliche Vertreterversammlungen einberufen. COVID-19 stellt die Zahnärzteschaft also auch in diesem Bereich vor enorme Herausforderungen, die nur mit viel Weitblick und großer Sachkenntnis gemeistert werden können.