Ein Bild und seine Geschichte
Diese Abbildung, zu der es leider keine Bildlegende gibt, offenbart nicht nur detaillierte Einblicke in die modischen Gewohnheiten der damaligen Zeit – man beachte die aufwendige Staffage der Damen, die gepflegten Bärte der Herren und den allgegenwärtigen „Vatermörder“. Es zeugt auch von Frohsinn und einer gewissen Heiterkeit, speziell wenn man auf den Bildrand oben links schaut. Dort halten zwei enthusiastisch wirkende Herren das Schild „Einlage“ hoch, man darf dahinter wohl die noch junge Endo-Fraktion vermuten.
Und auch den Damen auf dem Foto kommt vielleicht eine besondere Rolle zu. Es müssen nicht alle Abgebildeten die Begleitung ihres jeweiligen Gatten gewesen sein, denn ab dem Jahr 1900 war Frauen das Medizinstudium gestattet. Vielleicht sehen wir hier also einige der ersten Zahnärztinnen Deutschlands.
Die Eleganz, mit der sich zwei der Protagonisten leger zu Füßen des in jenem Jahr aus dem Amt geschiedenen Präsidenten platzieren, des Amerikaners Prof. Dr. mult. Willoughby D. Miller (Präsident von 1900 bis 1906, in der Mitte der vorderen Reihe, mit dem Kreissägen-Hut und dem nach vorn weisenden Bart), hat etwas von schierem Sommer-Idyll.
Eine Prise Kokain machte anästhesie überflüssig
Inhaltlich beschäftigte die Jahrestagung sich mit den damals gängigen Narkoseverfahren und der daraus resultierenden Mortalität. Aus heutiger Sicht höchst interessant dürfte dabei die Feststellung sein, dass im Jahr 1905 weniger Narkotika eingesetzt wurden, weil Kokain und Novokain mit Nebennierenextrakt häufiger angewendet wurden und diese Form der Lokalanästhesie die allgemeine Betäubung in hohem Maß überflüssig machte. Außerdem stellte Zahnarzt Kunert Brückenarbeiten nach dem Gussverfahren mit Schraubenbefestigung vor.
Der Centralverein als Vorläufer der heutigen Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde e. V. (DGZMK) gilt mit dem Gründungsjahr 1859 als älteste nationale zahnmedizinische Vereinigung.
Markus Brakel
Pressesprecher der DGZMK
Wer mehr über die Historie des CvDZ erfahren möchte, dem sei die „Geschichte des Centralvereins Deutscher Zahnärzte 1859–1909“ von Julius Pareidt empfohlen, die 1909 im Springer-Verlag erschienen ist.