Blutungsereignisse bei antikoagulierten Patienten vermeiden
In Deutschland nehmen etwa 1 Million Menschen gerinnungshemmende Medikamente ein.
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Bei Patienten mit Blutungsneigung muss der Zahnarzt stets den Spagat schaffen, denn es gilt, sowohl thrombembolische Ereignisse durch die Weiterführung der Medikation zu vermeiden als auch das Blutungsrisiko so gering wie möglich zu halten.
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Im Wesentlichen kommen in der antikoagulativen Therapie vier Wirkstoffgruppen zum Einsatz.
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Vitamin-K-Antagonisten (Phenprocoumon, Warfarin)
Heparine
Thrombozytenaggregationshemmung (Acetylsalicylsäure, Clopidogrel)
Direkte orale Antikoagulanzien (Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban)
Blutungsanamnese2
Risiko des Eingriffs einschätzen:Diehttps://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/083-018l_S3_Zahn%C3%A4rztliche-Chirurgie-Antikoagulation-Thrombozytenaggregationshemmung_2018-05-abgelaufen.pdf - external-link-new-windowunterscheidet hinsichtlich der Einschätzung des Blutungsrisikos zwischen typischen Eingriffen wie z. B. Zahnextraktionen, kleinen Weichgewebseingriffen und Implantationen, sowie Eingriffen mit erhöhtem Blutungsrisiko. Also solche, bei denen nicht komprimiert werden kann, z. B. im Mundbodenbereich, im Sinus maxillaris und im retromaxillären Raum sowie infizierte Wunden und Abszesse.
Genaue Medikation abfragen:Wann wurde die letzte Tablette welches genauen Wirkstoffs in welcher Dosierung eingenommen? Liegt eine Nierenfunktionsstörung vor?
Bei Vitamin-K-Antagonisten beachten:tagesaktueller INR-Wert (international normalized ratio) bei maximal 3 bis 3,5. Ein Wert > 4 stellt ein inakzeptabel hohes Risiko dar.
Strategie für die Wundversorgung festlegen:Komprimierung, Nahtversorgung oder Verbolzung, Verbandsplatten vorfertigen etc.
Lokalanästhesie
Bei etwa jeder 10. Leitungsanästhesie und jeder 25. Terminalanästhesie kommt es zu einem Gefäßkontakt.
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Da Hämatombildungen bei Patienten mit hämorrhagischen Diathesen lebensgefährliche Folgen haben können, sollte …
… eine minimalinvasive Injektionstechnik gewählt werden:2,3,4
Statt invasiveren Leitungsanästhesien (z. B. des N. alveolaris inferior) eher Infiltrations- oder intraligamentäre Anästhesie (ILA) wählen
ILA wann immer möglich bevorzugen:
Bei korrekter Durchführung keine Hämatombildung, da keine Gefäße im Des-modontalspalt liegen
Auch bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Risikopatienten indiziert → geringe Menge an Anästhetikum, Blutungsneigung im Operationsgebiet wird verringert
2.
…auf den Vasokonstriktor geachtet werden:
Bei adrenalinhaltigen Anästhetika kann es zu einem „Rebound“ kommen, wenn die Wirkung des Adrenalins nachlässt.2
Möglichst geringe Konzentration wählen; bei Hochrisikopatienten oder Kontra-indikationen auch Lokalanästhetika ohne Vasokonstriktor nutzen (z. B. Ultracain D ohne Adrenalin)4,5
Blutungsprävention und -stillung2
Durch die Anwendung weiterer schonender Operations- und Extraktionstechniken sowie lokale Maßnahmen zur Blutstillung lassen sich intra- und postoperative Blutungen ebenfalls reduzieren, u.a.:
Kompression mit Tupfer
dichter Nahtverschluss
Bei der Alveole Granulationsgewebe entfernen (häufige postoperative Blutungen)
Ggf. Kollagen oder Gelatine einlegen
Ggf. Fibrin- oder Histoacrylkleber einsetzen
Patienten unter Vitamin-K-Antagonisten oder Thromozytenaggregationshemmern: Je nach Blutungsrisiko 2- bis 7-tägige Mundspülung (4xd) mit 5%iger Tranexamsäure erwägen
Postoperative Medikation2,6
Einige zahnärztlich verschriebene Arzneimittel beeinflussen die Blutungsgefahr:
quartalsweise im Dental Scientifichttps://dental.sanofi.de/dental-scientific-news - external-link-new-window
Hinweis: Das im Text beschriebene Vorgehen dient der Orientierung, maßgeblich sind jedoch immer die individuelle Anamnese und die Therapieentscheidung durch die behandelnde Ärztin/den behan-delnden Arzt. Die aktuellen Fachinformationen und Leitlinien sind zu beachten.
###more### ###title### Pharmazeutische Information und Literatur ###title### ###more###
Pharmazeutische Information
Ultracain
®
D-S.
Ultracain
®
D-S forte.
Ultracain
®
D ohne Adrenalin.
Wirkst.
: Articain-HCl, Adrenalin-HCl.
Zusammens.
: D-S u. U. D-S forte: 1 ml Inj.-Lsg. enth.: Arzneil. wirks. Bestandt. 40 mg Articain-HCl, 6/12 g Epinephrin-HCl. Sonst. Bestandt.: NaCl, Wasser f. Inj.-zw. Ultracain D oh. Adrenalin zus.: Na-hydroxid, Salzsäure 10% z. pH-Einst. D-S/D-S forte zusätzl: Na-metabisulfit. D-S Amp. 1,7 ml zus.: NaOH, Salzsäure 10% z. pH-Einst. Zuber. i. Mehrfachentn.-fl. zus.: Methyl-4-hydroxybenzoat, NaOH, Salzsäure 10% z. pH-Einst.
Anw.-geb.
: D-ohne Infiltrations- u. Leitungsanästhesie i. d. Zahnheilkunde. Eignet sich vor allem für kurze Eingriffe an Pat., d. aufgrund bestimmter Erkrank. (z. B. Herz-Kreislauf-Erkr. od. Allergie geg. d. Hilfsst. Sulfit) kein Adrenalin erhalten dürfen sowie z. Injekt. kleiner Volumina (Anwendung i. d. Frontzahnregion, im Ber. d. Gaumens). D-S: Lokalanästh. bei Routineeingr. d. Zahnheilk. D-S forte: Lokalanästh. b.: Schleimhaut- u. knochenchirurg. Eingr., pulpenchirurg. Eingr., Osteotomie, läng. dau. chirurg. Eingr., perkut. Osteosynth., Zystektomie, mukogingivale Eingr., Wurzelsp.-resekt.
Gegenanz.
: Überempf. ggü Articain u. and. Lokalanästh. v. Säureamidtyp od. e. d. sonst. Bestandt. Ultracain. oh. Adrenalin nicht geeignet f. länger dauernde od. größ. zahnärztl. chirurg. Schw. Störg d. Reizbildgs- od. Reizleitgssyst. am Herzen, akut dekompens. Herzinsuff., schw. Hypotonie. U. D-S u. U. D-S forte zusätzl.: Allergie oder Überempfindlichkeit gegen Sulfit. Wg. Epinephringeh.: Engwinkelglaukom, SD-überfkt, paroxysm. Tachykardie, Myokardinfarkt innerh. d. letzten 3-6 Mo., Koronararterien-Bypass innerh. d. letzten 3 Mo., gleichz. Einn. v. nicht-kardioselekt. Betablockern, Phäochromozytom, schw. Hypertonie, gleichz. Einn. v. trizykl. Antidepr. od. MAO-Hemmern (bis 14 Tage nach Ende der MAO-Behandlung), Anästh. i. Endstrombereich. Intravenöse/intravasale Inj. ist kontraindiz. Zusätzl. f. Mehrf.-entn.-fl.: Parabenallergie.
Warnhinw. u. Vorsichtsmaßn.
: Eingr. b. Pat. m. Cholinesterasemangel ver-läng./verstärkte Wirkg mögl. Von Inj. i. entzünd./infiz. Geb. wird abgeraten. Enth. Natrium (<1mmol/23 mg). Besond. Vors. b. Störg. d. Blutgerinnung, schw. Nieren- od. Leberfkt-störung, gleichz. Behandl. m. halogenierten Inhalationsanästhetika, anamnest. bek. Epilepsie, kardiovask. Erkr., Angina pect., Arteriosklerose, zerebr. DBS, Schlaganfall in Anamnese, chron. Bronchitis, Lungenemphysem, Diab. mell, schw. Angststörg. Dos. so niedrig wie mögl. halten. Injekt. sorgf. i. 2 Ebenen aspirieren, um intravasale Injekt. z. vermeiden. Solange keine Nahrung aufnehmen, bis Wirkung abgeklungen ist. Betreuer kl. Kdr. auf Risiko v. Weichteilverletzung durch Selbstbiss hinweisen! Additive Wirkg. am kardiovaks. System u. ZNS bei Komb. verschiedener Lokalanästhetika. Reaktionsvermögen!
Schwangersch. u. Stillz.
: Nur nach streng. Nutzen/Risiko-Abwäg. Ggf. D-S ggü D-S forte bevorzugen.
Nebenw.
: Immunsyst.: Unverträgl.keitsreakt. (ödemat. Schwellg./Entzündg d. Inj.-st., Rötg., Juckreiz, Konjunktivitis, Rhinitis, Gesichtsschwellg, Angio-, Glottisödem m. Globusgef. u. Schluckbeschw., Urtikaria, Atembeschw. bis anaphylakt. Schock. Nerven: Dosisabh. ZNS-Störg w. Unruhe, Nervosität, Benommenh., Koma, Atemstörung (bis –stillstand), Msklzittern u. –zucken (bis generalis. Krämpfe), Schwindel, Parästhesie, Hypästhesie, vorüberg. Sehstörg, U. D-S u. U. D-S forte zusätzl.: Kopfschm. Herz u. Gefäße: Blutddruckabfall, Bradykardie, Herzversagen, Schock (u. U. le-bensbedrohl.), sehr selten Tachykardie, Herzrhythmusstörg, Blutdruckanstieg. GIT: Übelk., Erbrechen. Zusätzl. U. D-S u. U. D-S forte: Allg. Erkr.: sehr selten: b. versehentl. intravas. Inj. ischämische Zonen i. Inj.-ber. bis z. Nekrose. Aufgr. d. Sulfitgeh. b. Asthmatik. sehr selten Überempf.-reakt. m. Erbrechen, Durchf., keuch. Atmg, ak. Asthmaanfall, Bewusstseinsstörg, Schock. Überempf.-reakt. auf Methyl-4-hydroxybenzoat (auch Spätreakt.), selten Bron-chospasmen.
Verschreibungspflichtig
.
Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, 65296 Frankfurt am Main.
Stand: Ultracain D-S/D-S forte: Dezember 2018. Ultracain D ohne Adrenalin: April 2017 (SADE.AREP.19.03.0635)
Literatur
1
Kuramatsu JB et al., Anticoagulant reversal, blood pressure levels, and anticoagulant resumption in patients with anticoagulation-related intracerebral hemorrhage. JAMA, 2015;313(8):824–36.
2
Kämmerer PW, Al-Nawas B, AWMF online (Hrsg.), S3-Leitlinie (Langversion): Zahnärztliche Chirurgie unter oraler Antikoagulation/Thrombozytenaggregationshemmung, August 2017.
(Letzter Zugriff 18.08.2020).
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Bender W, Taubenheim L, Lokalanästhesie bei Hämophilie-Patienten, DENT IMPLANTOL (20)1 2016, S. 36–39. Online Abrufbar unter:
(Letzter Zugriff: 18.08.2020).
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Daubländer M, Kämmerer PW, Liebaug F, Ein praxisnaher Leitfaden: Differenzierte Lokalanästhesie, 2016. Online abrufbar unter:
https://www.dentalmagazin.de/praxiszahnmedizin/vermischts/differenzierte-lokalanaesthesie/
(Letzter Zugriff: 18.08.2020).
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Sanofi, Fachinformation Ultracain
®
D ohne Adrenalin, April 2017, online abrufbar unter:
(Letzter Zugriff: 18.08.2020).
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BZÄK, KZBV, Arzneimittelkommission Zahnärzte – Informationen über zahnärztliche Arzneimittel (IZA), 2020. Online abrufbar unter:
https://www.bzaek.de/fileadmin/PDFs/iza_pdf/IZA.pdf
(Letzter Zugriff:
18.08.2020).
In Deutschland erhalten etwa 1 Million Menschen gerinnungshemmende Medikamente. Auch bei zahnmedizinischen Eingriffen können peri- oder postoperative Blutungen schwere Komplikationen hervorrufen. Ein Überblick.