Bayerisches Landessozialgericht zum Eigenanteil notwendiger Zahnbehandlungen

Jobcenter müssen Bürgergeldempfänger zu Wechsel von Selbstbehalts- zum Basistarif raten

Martin Wortmann
Politik
Jobcenter müssen Bürgergeldempfänger mit einem Selbstbehaltstarif der privaten Krankenversicherung so beraten, dass sie in den Basistarif wechseln. Unterbleibt dies, muss das Jobcenter den Eigenanteil notwendiger Zahnbehandlungen bezahlen, wie das Bayerische Landessozialgericht (LSG) in München entschied.

Gleiches gilt danach auch nach einer Beratung bis zum nächstmöglichen Termin eines Wechsels. Mit einem kürzlich veröffentlichten Beschluss hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel die Nichtzulassungsbeschwerde dagegen abgewiesen.

Damit hatte eine Frau aus dem Raum München teilweise Erfolg, die mit einem Selbstbehaltstarif privat krankenversichert war. Bei ihrem Jobcenter reichte sie mehrere Zahnarztrechnungen ein, die ihr Krankenversicherer nicht vollständig erstattet hatte, zudem Heil- und Kostenpläne wegen Zahnbehandlung und Zahnersatz über insgesamt 14.916 Euro, für die die Versicherung voraussichtliche Leistungen in Höhe von nur 4.580 Euro zusicherte. Das Jobcenter lehnte in allen Fällen eine Kostenübernahme ab.

Keine Frage des Selbstbehalts?

Das LSG bestätigte nun zwar, dass sich mit der Einführung des PKV-Basistarifs die Frage des Selbstbehalts im Grundsatz erledigt habe. Allerdings könne von den Leistungsempfängern nicht erwartet werden, dass sie einen entsprechenden Wechsel aus eigener Initiative vornehmen.

Vielmehr müssten die Jobcenter entsprechend beraten und einen Wechsel in den Basistarif empfehlen. Dabei sollen sie auch darauf hinweisen, dass sie die Kosten auch dann übernehmen werden, wenn der Basistarif teurer ist als der bisherige Selbstbehaltstarif.

Solange eine solche Beratung unterblieben ist, müssen nach dem Münchener Urteil Jobcenter die anfallende Selbstbeteiligung als „besonderen Bedarf“ übernehmen, soweit die Behandlung medizinisch notwendig war. Gleiches gilt nach dem Münchener Urteil auch für Zahnersatz, soweit die Beteiligung der Versicherung geringer ausfällt als im Basistarif. Mit der Einschränkung der medizinischen Notwendigkeit muss nach dem Münchener Urteil das Jobcenter zudem auch Kosten übernehmen, die – etwa beim Zahnersatz – auch die gesetzliche Krankenversicherung und die private Basisversicherung nicht bezahlen

Gleiches gilt auch für Zahnersatz

Generell gelten dabei allerdings die Kosten nicht mehr als „unabweisbar“, wenn der Zahnarzt einen Gebührensatz über der jeweils versicherten Höhe abrechnet. Der Versicherten – und damit indirekt auch dem in dem Urteil hier nicht erwähnten Zahnarzt – sei es zumutbar gewesen, eine entsprechende Abrechnung zu vereinbaren. Dies übersteigende Kosten müsse das Jobcenter daher nicht tragen.

Aus den eingereichten Heil- und Kostenplänen könne die Patientin keinen Leistungsanspruch herleiten. Ein solcher könne sich erst aus den Rechnungen ergeben, urteilte das LSG. Diese lägen hier noch nicht vor, weil die Behandlungen noch gar nicht durchgeführt worden seien.

Weil sich das LSG durchweg auf alte BSG-Urteile stützte, hatte es die Revision nicht zugelassen. Die Beschwerde dagegen hat das BSG inzwischen abgewiesen. Die Klägerin habe keine Fragen oder Argumente vorgetragen, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten.

Bayerisches Landessozialgericht
Az.: L 7 AS 76/23
Urteil vom 9. April 2024

Bundessozialgericht
Az.: B 4 AS 48/24 B
Beschluss vom 19. August 2024

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