Das Geheimnis der Gänsehaut

eb/dpa
Gesellschaft
Jeder kennt sie, jeder hat sie ab und zu, und meistens verbindet er sie mit besonders emotionalen Erlebnissen - die Gänsehaut. Wissenschaftler aus Kiel wollen per Kamera herausfinden, warum man sie bekommt.

Ein tolles Lied, eine Liebesszene im Film, ein packendes Fußballspiel - das sind Eindrücke, die gerne als Gänsehautmomente tituliert werden. Doch warum bekommen wir Menschen in emotionalen Situationen eigentlich Gänsehaut und was passiert dann mit uns? Den Kieler Emotionsforscher und Professor für Allgemeine Psychologie Christian Kaernbach und sein Team treiben solche Fragen um, und auch die Suche nach möglichst genauen Messmethoden. 

Denn die sind Mangelware: Gänsehauttests funktionierten in 99 Prozent der Fälle so, dass eine Testperson einen Knopf drücken soll, wenn sie selbst meint, dass sie Gänsehaut habe, sagt der studierte Physiker und Mediziner Kaernbach. "Davon wollte ich weg." In seiner Zeit an der Uni Graz startete er ein Projekt, mit dem die  Intensität der Gänsehaut objektiv gemessen und ausgewertet werden kann. Die Forschung treibt Kaernbach jetzt in seinem Gänsehautlabor in Kiel voran. 

Labor mit Schaukelstuhl und Kerzen

Auf den ersten Blick wirkt das Labor gar nicht wie ein solches. Die Decke ist abgehängt, ein bequemer Schaukelstuhl steht in der Ecke, Kerzen können für stimmungsvolles Licht sorgen. "Wir versuchen das Möglichste zu tun, damit sich die Probanden wohlfühlen", sagt Kaernbach. Denn: Zum Zulassen von Gänsehaut gehöre auch, sich gehen zu lassen, die Kontrolle abzugeben. 

Auf den zweiten Blick ist es in dem Raum dann aber doch nicht so gemütlich. Die Testpersonen werden verkabelt, unter anderem wird der Hautleitwert gemessen. Und dann kommt auch die Gänsehautkamera - die Goosecam - zum Einsatz. Sie nimmt Gänsehaut unter Schräglicht auf, so dass die dreidimensionale Struktur sichtbar wird. Mit einer speziell dafür entwickelten Software wird die genaue Intensität der Gänsehaut gemessen und wann sie ausgelöst wird. Daten sammeln, heißt die Devise. 

Höchste Erregung oder das Gefühl sozialer Kälte?

Aber warum bekommen wir Gänsehaut, wenn wir bestimmte Musik hören oder über ein bewegendes Ereignis auch nur reden? "Da sind wir eigentlich noch gar nicht so weit", räumt Kaernbach ein. Es gebe verschiedene Theorien, die durchaus schlüssig klingen, aber nicht alle Fragen ausräumen. Bei einer, der sogenannten Peak-Arousal-These, stellen sich die Härchen im Nacken oder den Armen bei höchster Erregung auf. Das Problem: Sie passt nicht zu allen Basisemotionen.

Nach der zweiten hören sich bestimmte Frequenzen, Tonfolgen wie Schreie von Tierkindern an, die ihre Mutter verloren haben. Diese Laute verstärken das Trennungsgefühl, das Gefühl von sozialer Kälte, so die Überlegung. Die Reaktion auch auf nur empfundene Kälte könnte also zur Gänsehaut führen. 

Ganz viel passiert im Kopf

Allein die Akustik könne es aber auch nicht sein, sagt der Gänsehautforscher, "ganz viel spielt sich im Kopf ab". Mit seinen Mitarbeitern und mithilfe der Goosecam sammelt Kaernbach jetzt weiter Daten. Und hofft, eines Tages erklären zu können, warum emotionale Momente Gänsehaut auslösen. Denn das ist für ihn eines der spannendsten Themen der Emotionspsychologie.

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