Englands Patientenversorgung kränkelt

Arndt Striegler
Gesellschaft
Die Krankenpflege droht in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise in Großbritannien immer mehr zum gesundheitspolitischen Stiefkind zu geraten. Patienten-, Pfleger- und Ärzteverbände sind alarmiert.

Eine aktuelle Studie sorgte im Königreich kürzlich für einen Aufschrei im Gesundheitswesen. Die Autoren schrieben: Je weniger Zeit die Pflegekräfte in staatlichen britischen Kliniken für ihre Patienten haben, desto häufiger unterlaufen offenbar Pflegefehler und desto schlechter ist die Patientenversorgung. Die Ergebnisse sind laut Experten durchaus auch auf andere Länder wie Deutschland übertragbar.

Wie Mitarbeiter der National Nursing Research Unit (NNRU) in London herausfanden, gibt es offenbar einen direkten Zusammenhang zwischen Personal- und Zeitmangel auf den Stationen und Pflegefehlern beziehungsweise mangelhafter Pflegequalität. Befragt wurden mehr als 2900 Pflegekräfte in 46 Krankenhäusern des staatlichen britischen Gesundheitsdienstes (National Health Service, NHS). Die Ergebnisse erschrecken.

Kein Zeit mehr, um mit den Patienten zu reden

86 Prozent der Pfleger gaben zu, daß eine oder mehrere Pflegeaktivitäten „mangels Zeit“ während der jüngsten Schicht unverrichtet blieb. Fehlt den Pflegern die Zeit, so bleiben vor allem „reden und trösten“, „aufklären“ sowie „aufstellen und updaten von Pflegeplänen“auf der Strecke. Mit anderen Worten: wenn die Zeit fehlt, werden Krankenhauspatienten regelmäßig  nicht ordentlich versorgt.

Die NNRU-Experten stellen fest, daß es in staatlichen britischen Kliniken mittlerweile zur Tagesordnung gehört, bestimmte Pflegeleistungen nicht mehr zu erbringen, da es an Pflegern fehlt. „Das ist ein Teufelskreis. Je weniger Pflegekräfte auf den Stationen, desto  größer der Zeitdruck und desto schlechter werden die Patienten versorgt“, sagte ein Sprecher der britischen Krankenpflegergewerkschaft (Royal College of Nursing, RCN). „Das ist besorgniserregend und hat sicherlich auch etwas mit den Butgetkürzungen im Gesundheitsdienst zu tun.“

Soll die häusliche Pflege helfen, die Kosten zu senken?

Das Gesundheitsministerium bestreitet das. In den vergangenen Jahren sei „viel getan“ worden, um die Krankenpflege im Königreich zu verbessern, hieß es. Das Ministerium wies darauf hin, daß trotz Wirtschaftskrise die Gesundheits-Ausgaben in Großbritannien in den vergangenen Jahren „vor Kürzungen geschützt“ worden seien. Anekdotische Hinweise deuten laut RCN freilich auf das Gegenteil. Die Gewerkschaft spricht von einem nationalen „Pflegennotstand“ und verlangt vom Ministerium Abhilfe.

Interessant: Gesundheitsminister Jeremy Hunt sagte in jüngster Zeit mehrfach öffentlich, häusliche Pflege solle zukünftig stärker in den Vordergrund rücken und vom Gesetzgeber mehr als bislang „auch finanziell gefördert“ werden. Gesundheitspolitische Beobachter wiesen darauf hin, daß Hunts jüngste Äußerungen darauf hindeuteten, daß die Regierung Cameron die häusliche Pflege von Patienten stärker als bislang priorisieren wolle. Patienten- und Pflegerverbände sind skeptisch. Sie vermuten, daß dahinter der Versuch der Regierung Cameron stecke, die stationären Gesundheitskosten zu senken.

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