Lancet Countdown Policy-Brief für Deutschland 2021

Gesundheitswesen tut fast nichts gegen Klimawandel

ak
Gesellschaft
Deutschland ist schlecht für die gesundheitlichen Herausforderungen des Klimawandels gerüstet. Konkrete Maßnahmen zur Vermeidung klimabedingter Gesundheitsrisiken stehen aus.

Experten von Bundesärztekammer, der Charité Berlin, dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und dem Helmholtz Zentrum München erstellen seit 2019 jährlich einen Klima-Situationsbericht zu Deutschland mit Empfehlungen für die Politik. In diesem Jahr haben sie überprüft, inwieweit Politik und Gesellschaft ihre Empfehlungen aus dem Jahr 2019 umgesetzt haben. Mit dem Ergebnis: Zwar wächst das Bewusstsein für den Ernst bei den Entscheidungsträgern, doch die notwendigen Handlungen bleiben aus.

Dre ökologische Fußabdruckist keinen Deut kleiner

„Eine der vordringlichsten Aufgaben der neuen Bundesregierung muss deshalb sein, gemeinsam mit Ländern und Kommunen die Verantwortlichkeiten zur Vorbeugung klimabedingter Gesundheitsgefahren zu definieren und bestehende gesetzliche Vorgaben zu evaluieren“, sagt Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt.

Gesundheitssektor für fünf Prozent der emissionen verantwortlich

Ein wesentlicher Kritikpunkt des Reviews: Nur wenige Kommunen haben bisher umfassende Hitzeaktionspläne oder sie wurden umgesetzt, ohne dabei Akteure aus dem Gesundheitssektor einzubinden. Außerdem wurden in den vergangenen zwei Jahren kaum Anstrengungen unternommen, den CO2-Fußabdruck im Gesundheitswesen zu senken. Der Gesundheitssektor ist für ungefähr fünf Prozent der deutschen Gesamtemissionen verantwortlich. 

Bereits im Lancet Policy-Brief von 2019 hatten die Experten empfohlen, den Klimawandel als Gesundheitsbedrohung, die gesundheitlichen Chancen durch Klimaschutzmaßnahmen und das umfassende Gesundheitskonzept Planetary Health (20,21) in die Curricula der Aus-, Fort- und Weiterbildung aller Gesundheitsberufe zu integrieren. Nun kommen sie zu dem Schluss: Zwar sind in der Aus- und Fortbildung von Gesundheitsberufen Prozesse eingeleitet worden, um Klimawandel und Gesundheit beiehungsweise. Planetary Health in die Curricula zu integrieren, aber diese stehen noch am Anfang.

„Es reicht nicht, wenn Einzelne ihr Verhalten ändern. Wir müssen auch die Verhältnisse ändern. Das ist bisher leider an viel zu wenigen Stellen passiert“, kritisiert die Professorin für Klimawandel und Gesundheit an der Charité und Leiterin der Forschungsabteilung Klimaresilienz am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Prof. Sabine Gabrysch.

Dringende Handlungsempfehlungen für die nächsten zwei Jahre

Umsetzung von Hitzeaktionsplänen

  • Eine gesetzliche Verankerung von gesundheitsbezogenem Hitzeschutz ist Voraussetzung, um Hitzeaktionspläne als Aufgabe auf Landes- und kommunaler Ebene zu priorisieren und entsprechende Ausstattung zu gewährleisten.

  • Klärung der Zuständigkeit für gesundheitsbezogenen Hitzeschutz in Landesgesetzen (analog zum Brand- und Hochwasserschutz), um eine klare Entscheidungsstruktur und Koordination sicherzustellen. Die Schlüsselrolle des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und die Verantwortung des Bevölkerungs- und Katastrophenschutzes bei Hitzewellen sind klar zu benennen.

  • Parallel dazu ist es dringend notwendig, gesundheitsbezogenen Hitzeschutz in Bau- sowie in Arbeitsschutzgesetzen entsprechend zu berücksichtigen.

  • Hitzeaktionspläne sollten Handlungsszenarien für außergewöhnlich extreme und komplexe Situationen beinhalten.

  • Zur Überwachung und Registrierung von hitzebedingter Sterblichkeit und Krankheitslast auf Landes- und kommunaler Ebene ist es notwendig, entsprechende Strukturen bereitzustellen und zu stärken.

Reduktion des CO2-Fußabdrucks

  • Durch klare Positionierungen können medizinische Fachgesellschaften, Krankenhausgesellschaften, Bundes- und Landesärztekammern das Verständnis für die Dringlichkeit des Handelns fördern und darauf drängen, vorhandene Ressourcen für Klimaschutzmaßnahmen zu mobilisieren.

  • Zur Umsetzung von Sofortmaßnahmen können bestehende Konzepte zu Klimaneutralität in Gesundheitseinrichtungen herangezogen und entsprechende Stellen geschaffen werden, die die Umsetzung unterstützen.

  • Hilfreich wäre, die Gesundheitseinrichtungen mittels Reporting zu einer Fortschrittskontrolle bei der Reduzierung ihres CO2-Fußabdrucks zu bewegen.

  • Die Bundes- und Landesregierungen sind aufgefordert, entsprechende Fördermittel für Klimaschutzinvestitionen bereitzustellen und die dafür maßgeblichen Bewilligungsprozesse unbürokratisch zu gestalten.

Integration von Planetary Health in Aus- und Weiterbildung

  • Lehrende und Lernende sollten sich für die Integration von Lehrinhalten zu Klimawandel und Gesundheit bzw. Planetary Health in den verpflichtenden Teil von Ausbildungs-, Weiter-bildungs- und Prüfungsordnungen aller Gesundheitsberufe einsetzen, um eine an zukünftige Herausforderungen orientierte Lehre zu gewährleisten.

  • Bei Neueinstellungen von Personal zur Curriculums-Entwicklung, Qualitätssicherung und Lehre könnte auf Planetary Health-Vorwissen geachtet und ggf. nachgeschult werden. Dafür sind ausreichend Lehrmaterialien und finanzielle Ausstattung notwendig.

  • Eine durchgehend hohe Qualität der Lehre einschließlich der Vermittlung anwendungsbezogener und transformativer Elemente sollte flächendeckend sichergestellt und regelmäßig überprüft werden. Dafür ist es notwendig, Anreize zur Qualitätsverbesserung zu schaffen als auch Verantwortlichkeiten für die Fortschrittsüberprüfung in und zwischen den Aus- und Fortbildungseinrichtungen zu klären.

The Lancet Countdown

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