Krankheit der Aussätzigen

ck/dpa
Gesellschaft
Lepra gilt in Europa als ausgerottet. Weltweit ist der Erreger aber keineswegs besiegt. Im Mittelalter löste der furchterregende Anblick der Aussätzigen große Angst aus. Ein Besuch in Deutschlands einzigem Lepramuseum.

Mit ihrem Verschwinden aus Europa hat die Infektionskrankheit Lepra in den Köpfen vieler im Westen aufgehört, eine Bedrohung zu sein. In armen Regionen lebt der Erreger jedoch weiter. Und mit ihm Stigma und Isolation, die schon im Mittelalter mit der Diagnose verbunden waren.

Ein Eindruck davon, wie die Krankheit aus den Betroffenen Ausgeschlossene machte, vermittelt sich am Stadtrand von Münster. In Deutschlands einzigem Lepramuseum zeigt Museumsführerin Petra Jahnke die zusammengetragenen Exponate, mit denen der kleine Verein die Krankheit im Bewusstsein halten will. 

Eine zur Kralle deformierte Hand

Da sind etwa medizinische Präparate: eine zur Kralle deformierte Hand. Ein Fuß, von Wunden zerfressen. Der Erreger befalle die Nerven und töte sie ab, erläutert die Biologielehrerin. "Infektionen werden wegen der Taubheit nicht bemerkt und entzünden sich immer weiter." Entgegen landläufiger Vorurteile seien lepratypische Behinderungen, wie verstümmelte Gliedmaßen, kein Symptom, sondern eine Spätfolge nicht behandelter Entzündungen.  

Zu den Ausstellungsstücken gehören auch lebensgroße Modelle zweier Aussätziger, gekleidet in ihrer Zwangskluft: Ein langes Gewand verhüllte ihre versehrten Körper. Weiße Binden um Hände und Füße sollten vor Berührungen schützen. Mit einer Holzklapper sollten die Gesunden gewarnt werden, die Straßenseite zu wechseln. Nicht die Angst vor Ansteckung schreckte damals die Menschen, der furchterregende Anblick löste Angst aus: "Mangels medizinischer Erklärungen ging man davon aus, dass sie von Gott für unmoralisches Verhalten gestraft worden waren", sagt die Museumsführerin.  

Ein Fuß, von Wunden zerfressen

"Damals wusste man sich nicht anders zu helfen, als sie in Leprosorien unterzubringen", erklärt Jahnke. Mehr als 1.000 solcher Leprosen-Häuser gab es auf dem jetzigen Gebiet der Bundesrepublik. So diskriminierend Verbannung und Stigmatisierung aus heutiger Sicht schienen, so alternativlos sei die Separierung damals gewesen. Immerhin, betont sie, seien die Menschen dank großer Spendenbereitschaft und eigener Seelsorge gut versorgt gewesen. "Die Leprosorien waren, wenn man so will, die ersten Sozialeinrichtungen." 

Vermutlich wegen besserer Lebensbedingungen ebbte Lepra im 17. Jahrhundert in Europa ab. Mit der Entdeckung des Erregers lernte man 1873 erst den Feind, später dank Antibiotika auch wirksame Gegenmittel kennen. Dennoch erkranken weltweit immer noch weit mehr als 200.000 Menschen jährlich. Zu großes Unwissen und mangelnde Prävention seien die Gründe, vermuten Experten.  

Die Holzklapper sollte die Gesunden warnen

"Lepra ließe sich leicht besiegen, wenn wir mehr darüber wüssten. Es ist längst eine vermeidbare Krankheit", sagt Jürgen Hövekenmeier, Sprecher der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW). So sei zu wenig bekannt über die Übertragungswege. Es gibt keine Impfung oder Schnelltests. Lepra hat eine lange Inkubationszeit, zudem sei ein Großteil der Weltbevölkerung resistent. "Warum das so ist, ist wissenschaftlich überhaupt nicht geklärt. Wahrscheinlich tragen viele Menschen den Erreger weiter, ohne jemals zu erkranken, können aber andere anstecken."  

Lepra: heute eine vermeidbare Krankheit

Abscheu und Angst vor Ansteckung, machen auch heute noch Aussätzige aus allen, die Spätfolgen davontragen. Vier Millionen Menschen litten, wenn auch längst geheilt, an Behinderungen durch Lepra, schätzt die DAHW. "Sie haben keine Chance mehr auf Arbeit. Niemand will mit ihnen leben, weil sie noch als krank und ansteckend gelten", schildert Hövekenmeier.

"Im Mittelalter waren sie ausgestoßen, aber die christliche Gesellschaft hat mit Leprosorien und Spenden Verantwortung übernommen. Heute sind Leprakranke nur noch ausgestoßen." 

von Florentine Dame, dpa

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