Gesundheit in West und Ost

Mehr Impfungen hüben, mehr Antibiotika drüben

ks/pm
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Kathrin Schlüßler
Gesellschaft
30 Jahre nach dem Fall der Mauer zeigen sich keine Unterschiede mehr in der Qualität der Gesundheitsversorgung zwischen Ost und West. Nur einzelne Erkrankungen und das Gesundheitsverhalten der Menschen variieren.

Das Robert Koch-Institut (RKI) und das Statistische Bundesamt kommen in ihrem kürzlich veröffentlichten Journal of Health Monitoring zu dem Schluss, dass sich in Sachen Gesundheit die Unterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern nahezu angeglichen haben.

Vor allem hinsichtlich der Lebenserwartung und des Rückgangs der Herz-Kreislauf-Mortalität sei eine Annäherung erfolgt, die größtenteils durch schnellere postive Entwicklungen im Osten zustande kommt.

Die Unterschiede bei einzelnen Erkrankungen

Bei

Krebserkrankungen

haben Frauen in den neuen Bundesländern niedrigere Inzidenzraten als Frauen in den alten Bundesländern. Bei Männern verhält es sich entgegengesetzt.

Die häufigste Krebserkrankung bei Frauen ist Brustkrebs – sowohl im Westen als auch im Osten. Frauen im Westen erkranken jedoch deutlich häufiger neu an Brustkrebs. Auch die Brustkrebs-assoziierten Sterberaten liegen im Westen um etwa 20 Prozent höher als in Ostdeutschland. Die Verfasser des Health Reports nennen die "Schutzfaktoren" der Frauen im Osten: höhere Geburtenraten, niedrigeres Alter bei der ersten Geburt, seltenere Kinderlosigkeit.

Bei Männern sind Prostatakrebs (23 Prozent) und Lungenkrebs (13,9 Prozent) die häufigsten Krebsarten, bei der sich in der Häufigkeitsverteilung kein Ost-West-Gefälle darstellt. Erkranken Frauen an Lungenkrebs, ist die Sterblichkeitsrate in den alten Bundesländern jedoch schneller gestiegen als in den neuen. Erklärt wird dies damit, dass vor dem Fall der Mauer deutlich mehr Frauen im Westen Raucherinnen waren als im Osten. Die Raucherquoten haben sich ersten in den letzten Jahren angeglichen.

Im Bereich der

psychischen Erkrankungen

sind die Unterschiede laut Bericht "eher gering". So weisen 37 Prozent der Frauen im Osten eine pychische Erkrankung auf und 34 Prozent im Westen. Bei den Männern in Westdeutschland liegt die Prävalenz bei 23 Prozent; in Ostdeutschland bei 20 Prozent.

Der Erhebung zufolge werden Depressionen in den neuen Bundesländern häufiger diagnostiziert. Als mögliche Erklärung nennen die Herausgeber des Health Reports eine geringere Dichte an psychotherapeutischen Einrichtungen im Osten, wodurch weniger Therapieplätze vorhanden sind.

Vor allem in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist die Prävalenz für

Adipositas

mit jeweils über 20 Prozent deutlich höher als im Rest der Republik.

Gesundheitsverhalten variiert in Ost und West auch nach Alter

Beim Gesundheitsverhalten – gemessen am Umgang mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln – lassen sich dagegen weiterhin große Unterschiede erkennen: Im Osten werden relativ betrachtet mehr Grippeimpfstoffdosen, mehr Antidiabetika sowie mehr Verhütungsmittel an Frauen unter 20 Jahren auf Rezept abgegeben. Im Westen dagegen werden mehr Antibiotika und mehr individuelle Rezepturen für gesetzlich Versicherte verordnet.

Auffällig ist auch, dass in der Nachwendegeneration der heute 20- bis 30-Jährigen die Westdeutschen mehr Arzneimittel als die Ostdeutschen einnehmen, während sich dieses Verhältnis bei ihrer Großelterngeneration der 70- bis 80-Jährigen umkehrt. Zu diesen Zahlen kommt das Deutsche Arzneiprüfungsinstitut (DAPI) im Auftrag der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA).

"Demografie und abweichende Krankheitsprofile sind nicht die einzigen Gründe für diesen Unterschied. Hier wirkt auch immer noch die Sozialisation aus unterschiedlichen Gesundheitssystemen nach", erklärt ABDA-Präsident Friedemann Schmidt.

Der Ost-West-Fokus ist "zu kurz gegriffen"

Die Autoren des Journal of Health Monitoring betonen zum Abschluss, dass der Blick auf die Unterschiede zwischen Osten und Westen eine zu grobe Betrachtung darstellt. Vielmehr sei eine kleinräumigere Analyse anzustreben, die sich weniger an der Himmelsrichtung als vielmehr am Gefälle der Gesundheitsversorgung zwischen Stadt und Land orientieren sollte – und das für ganz Deutschland.

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