Meta-epidemiologische Untersuchung

Sind Kohortenstudien genauso gut wie RCTs?

mg/pm
Gesellschaft
Randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) gelten im Vergleich zu Kohortenstudien als wesentlich zuverlässiger. Möglicherweise zu Unrecht, wie eine neue Studie im British Medical Journal zeigt.

Eine suboptimale Ernährung gilt als wichtiger Faktor für die Entstehung von chronischen Krankheiten wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. So geht die internationale Forschungsinitiative Global Burden of Disease davon aus, dass sich rund 15 Prozent der dadurch verlorenen gesunde Lebensjahre und jeder fünfte Todesfall weltweit auf eine nicht optimale Ernährung zurückführen lassen.

Das Wissen über solche Zusammenhänge basiert zu weiten Teilen auf wissenschaftlicher Evidenz aus Kohortenstudien. Studien dieses Typs verfolgen Probandengruppen über einen langen Zeitraum, um mögliche statistische Zusammenhänge zwischen bestimmten Ernährungsgewohnheiten und wichtigen Endpunkten feststellen.

Doch eine statistische Korrelation ist noch kein ursächlicher Zusammenhang. Deshalb ist die Aussagekraft von Kohortenstudien unter Wissenschaftlern umstritten. Als wesentlich zuverlässiger gelten randomisierte kontrollierte Studien (RCTs). In einer typischen RCT werden die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip (randomisiert) in zwei möglichst ähnliche zusammengesetzte Gruppen aufgeteilt, anschließend erhält die eine Hälfte die Intervention, zum Beispiel ein Vitaminpräparat, die andere Hälfte ein Placebo oder eine andere Kontrollbehandlung. Im Idealfall wissen während der Studie weder Behandelnde noch Behandelte, wer zu welcher Gruppe gehört.

RCTs gelten vor allem in der Medizin als wissenschaftlicher Goldstandard. Doch in Disziplinen wie etwa der Ernährungsforschung sind sie oft nur schwer umsetzbar: Um Langzeiteffekten wie einem ernährungsbedingt veränderten Krebsrisiko auf die Spur zu kommen, müssten Studienteilnehmende ihre Ernährung über Jahre hinweg umzustellen. Selbst wenn man sie dazu bringen kann, sind solche Langzeit-RCTs aufwendig und teuer.

Arbeit untersuchte als erste den Grad der Übereinstimmung

„Umso wichtiger ist es zu verstehen, wie sehr sich die Ergebnisse von RCTs und Kohortenstudien wirklich unterscheiden und welche Faktoren dafür eine Rolle spielen. Ebendies ist die große Frage unserer eben erschienenen Arbeit”, sagt Erstautor Lukas Schwingshackl vom Institut für Evidenz in der Medizin am Uniklinikum Freiburg, dem Partnerinstitut von Cochrane Deutschland.

„Mit dieser Meta-epidemiologischen Arbeit betreten wir weitgehend Neuland. Dass die Ergebnisse von Beobachtungsstudien und RCTs zu manchen Fragestellungen nicht übereinstimmen, ist bekannt. Ebenso gibt es Beispiele, in denen beide Studientypen recht ähnliche Ergebnisse zeitigen”, erklärt Schwingshackl. Aber bisher habe noch niemand versucht, systematisch den Grad der Übereinstimmung über viele Themen hinweg zu bestimmen und herauszufinden, welche Faktoren für eine gute oder schlechte Übereinstimmung entscheidend seien.

Für ihre Studie suchten die Forschenden nach systematischen Übersichtsarbeiten, die die Evidenz zu Zusammenhängen zwischen Ernährungsfaktoren und gesundheitlichen Risiken zusammenfassen. Für RCTs nutzten sie dafür wegen ihrer besonders hohen methodischen Standards die systematischen Reviews von Cochrane. Reviews, die die Evidenz aus Kohortenstudien zusammenfassen, fanden sie in der Publikationsdatenbank Medline. Am Ende konnten sie Ergebnisse aus beiden Studientypen zu 97 Fragestellungen systematisch miteinander vergleichen.

Ursache für Abweichungen sind unterschiedliche Fragestellungen

Ergebnis: In der Gesamtbetrachtung stimmen die Ergebnisse aus RCTs und Kohortenstudien weitgehend überein. So zeigen RCTs, welche beispielsweise die gesundheitlichen Effekte einer mediterranen Ernährungsweise untersuchten, ähnlich günstige Ergebnisse wie Kohortenstudien, die dieses Ernährungsmuster untersuchten, schreiben die Autoren.

„Größere Abweichungen zwischen den Ergebnissen beider Studientypen lassen sich zumeist auf Unterschiede in der genauen Fragestellung zurückführen.” Die größten Unterschiede zeigten sich, wenn RCTs den Effekt von Nahrungsergänzungen, beispielsweise Vitamin-D-Präparaten, untersuchen, während die entsprechenden Kohortenstudien den Vitamin-Status im Blut messen.

Die Ergebnisse der Arbeit sind nach Ansicht der Autoren wichtig, um Evidenz aus RCTs und Kohortenstudien künftig angemessen zusammenführen und so weltweit eine bessere Evidenzgrundlage etwa für Ernährungsleitlinien liefern zu können. Allerdings habe die Arbeit auch Limitationen: So gebe es zu vielen Fragestellungen schlicht keine RCTs, sondern nur Daten aus Kohortenstudien, schränken die Autoren ein. Inwieweit die jetzt für Ernährungsstudien gefundene gute Übereinstimmung auch auf solche Fragestellungen übertragen kann, sei offen.

Schwingshackl L

et al. „

Evaluating agreement between bodies of evidence from randomised controlled trials and cohort studies in nutrition research: meta-epidemiological study ”,  BMJ 2021; 374 :n1864

www.bmj.com/content/374/bmj.n1864.full

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