Ergebnisse des RESTART-19-Projekts

So sind Großveranstaltungen machbar

mg/pm
Gesellschaft
Für die Veranstaltungs-, Kultur- und Sportbranche in Deutschland kommen die Ergebnisse von „RESTART-19“ zu spät. Das Forschungsprojekt der Universitätsmedizin Halle (Saale) zeigt, dass Großveranstaltungen mit guter Belüftung, Essen am Platz und mehrere Eingänge epidemiologisch vergleichsweise unbedenklich sind.

Ein Teil dieses Projekte war das Konzert von Sänger Tim Bendzko am 22. August von in der Quarterback Immobilien Arena Leipzig. Bei diesem wurden mit Kontakt-Tracern, kleinen technischen Geräten, die den Teilnehmenden ausgehändigt wurden, die wissenschaftlichen Daten gesammelt. Diese Daten sind im Anschluss nun mehrere Wochen ausgewertet, modelliert, berechnet und überprüft worden. Zusätzlich wurden Luftströmungssimulationen durchgeführt.

Fast genau zwei Monate später, am 29. Oktober 2020, präsentierten die Forschenden nun erste Ergebnisse sowie die daraus abgeleiteten wissenschaftlich fundierten Empfehlungen vorab. Die wissenschaftliche Publikation soll in Kürze erfolgen. Das sind die wichtigsten Ergebnisse auf einen Blick:

  • Die Gesamtzahl der mehrere Minuten langen, kritischen Kontakte ist bei der Veranstaltung nicht sehr hoch und kann durch Hygiene-Konzepte erheblich reduziert werden.

  • Insbesondere während des Einlasses und der Pausen finden viele Kontakte statt. Daher muss darauf der Fokus bei der Planung liegen.

  • Schlechte Belüftung kann die Zahl der dem Ansteckungsrisiko ausgesetzten Menschen deutlich erhöhen.

  • Rund 90 Prozent der Teilnehmer finden es nicht schlimm, eine Maske zu tragen und sind bereit, dies weiterhin zu tun, um wieder Veranstaltungen erleben zu können, zeigt eine Umfrage nach dem Konzert-Experiment.

  • Bei Einhaltung von Hygiene-Konzepten sind die zusätzlichen Auswirkungen auf die Pandemie insgesamt gering bis sehr gering.

„Die Ergebnisse decken sich mit unseren Thesen insoweit, als dass wir vermutet haben, dass die Kontakte, die bei einer Veranstaltung erfolgen, nicht alle Teilnehmenden umfassen. Deshalb könnten Veranstaltungen unter bestimmten Bedingungen auch in der Pandemie-Situation stattfinden. Die wichtigste Erkenntnis war für uns, wie groß die Auswirkungen einer guten Belüftungstechnik sind. Diese ist für das Ansteckungsrisiko eine entscheidende Schlüsselkomponente“, sagt Studienleiter Dr. Stefan Moritz von der Universitätsmedizin Halle an der Saale.

So wirken sich Lüftungsvarianten auf die Aerosolversteilung aus

Diese Erkenntnisse sind der Strömungssimulation zu verdanken. „Wir haben zusammen mit einem Ingenieurbüro die gesamte Quarterback Immobilien Arena als Computermodell nachgebaut und in kleine Würfel geteilt. Danach haben wir simuliert, wie sich verschiedene Lüftungsvarianten auf die Aerosolversteilung ausgewirkt haben“, erklärt Moritz.

Um die Folgen der Übertragung auf die Ausbreitung der Epidemie in der Bevölkerung insgesamt zu untersuchen, habe man daraus dann ein detailliertes epidemiologisches Simulationsmodel entwickelt, erläutert Prof. Dr. Rafael Mikolajczyk vom Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik der Medizinischen Fakultät der Universität Halle.

Anhand ihrer Erkenntnisse leiten die Forschenden folgende Empfehlungen ab:

  • Veranstaltungshäuser benötigen eine Belüftungstechnik, die eine gute Belüftung und einen regelmäßigen Raumluftaustausch mit frischer Luft ermöglicht. Sinnvoll ist die Erstellung eines Bewertungssystems für eine adäquate Raumlufttechnik.

  • So lange die Pandemie anhält, müssen Hygiene-Konzepte weiterhin angewendet werden: Maskenpflicht in der Halle, Hygiene-Stewards zur Einhaltung der Standards.

  • Der Bestuhlungsplan und somit die Gästezahl sollten an die Inzidenz angepasst werden.

  • Als Zugang zu den Veranstaltungsorten sollten mehrere Eingänge vorhanden sein, um Besucherströme zu lenken, Wartezonen ins Freie verlagert werden.

  • Während der Veranstaltung sollte an den Sitzplätzen gegessen werden, um Gedränge und lange Kontakte an Imbiss-Ständen zu vermeiden.

Man habe mit dem Projekt gute Daten generiert, mit denen politische Entscheidungen auf wissenschaftlicher Basis gefällt werden könnten, bilanzieren die Wissenschaftler. „Die Corona-Pandemie verschärft sich aktuell in ganz Deutschland. Vor diesem Hintergrund ist ‚RESTART-19‘ umso wertvoller“, sagt Sachsen-​Anhalts Wissenschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann. „Gerade die Veranstaltungsbranche braucht Erkenntnisse und Konzepte, mit denen sich Konzerte, Festivals oder Messen trotz Corona verantwortungsvoll organisieren lassen.“

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