Studentenbude im Seniorenheim

ck/dpa
Gesellschaft
In Hannover haben einige Studenten die Wohnungsnot für sich auf besondere Weise gelöst. Im Altenheim Eilenriedestift wohnen sie mit Senioren unter einem Dach. Von der WG profitieren beide Generationen.

Auf laute WG-Feten verzichtet Abusar Ahmadi gerne. Während seine Kommilitonen in ihren Studentenbuden feiern, lebt der Medizinstudent aus Hannover in eher ruhiger Umgebung. "Meine Nachbarn sind höflich, machen keinen Lärm und liegen auch nicht besoffen vor der Tür", sagt Ahmadi. "Nur manchmal drehen sie den Fernseher lauter, weil sie nicht mehr so gut hören." 

Unter einem Dach mit hunderten Senioren

Der 27-Jährige wohnt in einem Altenheim, unter einem Dach mit hunderten Senioren. "Und ich danke Gott, dass es geklappt hat", sagt er. Wegen doppelter Abiturjahrgänge und des Wegfalls von Zivil- und Wehrdienst strömen Erstsemester bundesweit an die Unis wie nie zuvor. Auch in Hannover ist bezahlbarer Wohnraum Mangelware: Rund 38.000 Studenten stehen hier genau 2.318 Wohnheimplätze zur Verfügung.

"Die Wartezeit kann bis zu einem Jahr betragen", sagt die Abteilungsleiterin Wohnen des Studentenwerks, Ingrid Kielhorn. Eine Handvoll Studenten hat im Altenheim Eilenriedestift eine Bleibe gefunden. Seit Herbst 2011 leben in den vier grauen Betonbauten im Osten Hannovers 16 angehende Akademiker Tür an Tür mit 400 Rentnern.

Mit Bad, Balkon und Kochnische

Ahmadi ist einer davon, seit zwei Semestern lebt er hier auf 28 Quadratmetern. Bad, Balkon, eine kleine Kochnische - nur 250 Euro zahlt der Medizinstudent für sein Zimmer. Es ist aufgeräumt dort, wer rein will, muss die Schuhe ausziehen. "Das ist nicht mit einem normalen Wohnheim zu vergleichen - keine Toilette auf dem Gang, keine Küche wo jeder seinen Dreck lässt", findet Ahmadi. 

"Die Zimmer waren schnell weg", berichtet Stiftsdirektorin Susanne Hartsuiker. Die Apartments hat das Altenheim vor zwei Jahren in Wohnbörsen im Internet inseriert. Die Wohnungen stehen Studenten aller Fachrichtungen offen. "Mittlerweile läuft viel über Mund-zu-Mund-Propaganda", sagte Hartsuiker.

Die Studenten können im Altenheim leben wie in jedem anderen Wohnheim - Regeln gibt es kaum. Nur während der Mittagsruhe müssen die Jungen auf ihre älteren Nachbarn Rücksicht nehmen. Übernachtungen von Verwandten und Freunden stellen kein Problem dar. Für ein paar Euro dürfen sie in der Mitarbeiterkantine essen, zu Mensa-Preisen. 

Altenheimbewohnerim zweiten Semester

Als Gegenleistung helfen die jungen Leute den älteren Semestern im Alltag aus. Sie lesen den Senioren aus der Zeitung vor, machen Spaziergänge, erledigen Einkäufe. "Ich habe einem älteren Herren letztens eine 10-Kilo-Packung Waschpulver nach Hause getragen", erzählt Marten Heuer, im zweiten Semester Altenheimbewohner. Der 20-jährige Musikstudent stellt gerade mit Studienkollegen ein Blechbläserkonzert für die Rentner auf die Beine. 

Das ehrenamtliche Engagement steht nicht im Mietvertrag, die Studenten sollen sich freiwillig einbringen. Nicht alle engagieren sich so tatkräftig wie Marten Heuer. Manche kapseln sich in ihren Apartments ab, andere haben zu wenig Zeit. "Wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen", gibt Stiftsdirektorin Hartsuiker zu. Die Heimleitung will nun eine Pinnwand neben den Speisesälen aufstellen, auf dem die Studenten sich vorstellen können. 

Generationtalk: Ex-Ärztin meets Medizinstudent

Medizinstudent Ahmadi leistet seinen Beitrag: Er übersetzt den Heimbewohnern Arztbriefe und hilft bei medizinischen Fachbegriffen. Immer wieder trifft er sich mit Ursula Riechers. Die 90-Jährige war vor Jahrzehnten auch einmal Ärztin und wohnt seit 15 Jahren im Eilenriedestift. "Es ist toll zu erfahren, wie es damals war", meint Ahmadi. Die Seniorin wiederum lässt sich von einer BWL-Studentin mit ihren E-Mails helfen. "Die schnapp ich mir für den Computer, weil ich kaum noch sehen kann", sagt die 90-Jährige und grinst.

Von Nico Pointner

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