Seroprävalenz-Studie

Tirschenreuth: 80 Prozent aller Infektionen blieben unentdeckt

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Gesellschaft
Der oberpfälzische Landkreis Tirschenreuth war in der ersten Welle der größte Corona-Hotspot Deutschlands. Eine Studie zeigt jetzt: 80 Prozent aller Infektionen wurden durch die damalige Teststrategie nicht erfasst.

Das Team um Prof. Dr. Ralf Wagner vom Universitätsklinikum Regensburg und Prof. Dr. Klaus Überla vom Universitätsklinikum Erlangen hat Zwischenergebnisse der Studie „Prospektive COVID-19-Kohorte Tirschenreuth“ bekanntgegeben. Die Wissenschaftler hatten in einer Zufalls-Stichprobe den Anteil der Infizierten in der Bevölkerung in Tirschenreuth ermittelt.

Mehr als 9 von 10 der Infizierten hatten Antikörper

Von den ca. 6.600 per Zufallsprinzip eingeladenen Bürgern ab 14 Jahre hatten sich zwei Drittel zur Teilnahme bereit erklärt. Die Seroprävalenz-Studie umfasste eine Blutabnahme, die Bestimmung von SARS-CoV-2 spezifischen Antikörpern sowie die Auswertung eines umfassenden Fragebogens zu Alter, Geschlecht, Wohnsituation, Beruf und Lebensstil-Faktoren.

Die Auswertung ergab, dass 8,6 Prozent der Tirschenreuther Bevölkerung im Juni 2020 Antikörper gegen das SARS-CoV-2 aufwiesen und daher eine Infektion durchlaufen hatten. Von den Personen mit registrierter Infektion bis Juni 2020 zeigten 94 Prozent Antikörper in mindestens einem der Antikörpertests.

Die Dunkelziffer bei den 14- bis 20-Jährigen betrug 92 Prozent

Allerdings waren 80 Prozent aller Infektionen durch die damalige Teststrategie nicht erfasst worden. Am höchsten war die Dunkelziffer in der Gruppe der 14- bis 20-Jährigen mit 92 Prozent unerkannter Infektionen. Sie nahm mit zunehmendem Alter ab bis zu 41 Prozent bei den über 85-Jährigen.

Während weniger als 0,5 Prozent der Tirschenreuther unter 60 und nur 1 Prozent der 60- bis 69-Jährigen nach einer SARS-CoV-2-Infektion verstarben, stieg die Quote  in der Altersgruppe der 70- bis 74- und der 75- bis 79-Jährigen auf 4 beziehungsweise 10 Prozent an und nahm in den höheren Altersgruppen weiter zu.

45 Prozent der Todesfälle entfielen auf Bewohner von Heimen

Dabei entfielen 45 Prozent der Todesfälle auf Bewohner von Senioren- und Pflegeheimen. Über alle Altersgruppen sind demgemäß zwischen Februar und Juni 2020 im Landkreis Tirschenreuth 2,5 Prozent der mit SARS-CoV-2-Infizierten an oder mit der Infektion verstorb

Medizinisches Personal hatte ein etwa zweifach höheres Risiko hatte, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren, als andere Berufsgruppen. Personen, die im Supermarkt arbeiteten, zeigten keine erhöhte Infektionshäufigkeit. Die Studiendaten deuten auch darauf hin, dass Raucher gegenüber Ex-Rauchern oder Nichtrauchern ein etwa dreifach geringeres Risiko aufweisen, Antikörper gegen SARS-CoV-2 zu entwickeln.

Ralf Wagner, Klaus Überla, Estimates and determinants of SARS-CoV-2 seroprevalence and infection fatality ratio using latent class analysis: the population-based Tirschenreuth study in the hardest-hit German county in spring 2020, doi: doi.org/10.1101/2021.03.29.21254343

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