Ringelblumenblüten statt Fluorid

Verschwörungstheoretiker stehen auf Alternativmedizin

ck/pm
Gesellschaft
Hersteller fluoridfreier Zahnpasten profitieren von Verschwörungstheorien: Deren Anhänger lehnen die Schulmedizin kategorisch ab und bauen stattdessen auf alternative Heilmethoden, sagen Psychologen der Universität Mainz.

Westliche Industrieländer besitzen ein hoch entwickeltes Gesundheitssystem und eine leistungsfähige medizinische Versorgung. Trotzdem wenden sich viele Menschen, gerade auch in Deutschland, komplementären und alternativen Methoden zu, selbst wenn davor ausdrücklich gewarnt wird.

Je stärker die Verschwörungsmentalität, desto größer die Liebe zu alternativen Verfahren

Dies hängt mit einem starken Hang zum Glauben an Verschwörungstheorien zusammen, der sogenannten Verschwörungsmentalität. "Wir haben einen eindeutigen Zusammenhang gefunden", sagt Pia Lamberty von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). "Je stärker die Verschwörungsmentalität einer Person ausgeprägt ist, desto mehr befürwortet diese Person alternative Verfahren und umso mehr lehnt sie konventionelle Heilmethoden wie Impfungen oder Antibiotika ab."

Die "Verschwörungsmentalität" - ein stabiles Persönlichkeitsmerkmal

Eine "Verschwörungsmentalität" gilt unter Psychologen als ein stabiles Persönlichkeitsmerkmal. Menschen mit einer starken Tendenz, an Verschwörungstheorien zu glauben, denken, dass die Welt von verborgenen Mächten beherrscht wird, vermutlich weil sie selbst eine gewisse Machtlosigkeit empfinden. Schon seit längerer Zeit kursieren auffällig viele Verschwörungstheorien im Gesundheitsbereich, wie zum Beispiel über das Impfen.

Lamberty, Imhoff

Lamberty und Prof. Dr. Roland Imhoff vom Psychologischen Institut der JGU befragten für ihre Studie 596 Probanden - 392 in Deutschland und 204 in den USA - über die Nutzung von insgesamt 37 verschiedenen Verfahren von Aromatherapie und Bachblüten über Hypnose und Yoga bis zu Antibiotika und Bluttransfusion.

Hochburg Deutschland

Die Teilnehmer sollten beispielsweise angeben, wie häufig sie die jeweilige Therapie nutzen und wie effektiv sie ihrer Meinung nach ist. "In Deutschland fanden wir einen eindeutigen, unglaublich starken Zusammenhang zwischen Verschwörungsmentalität und Befürwortung alternativer Methoden", berichtet Lamberty. In den USA bestehe ebenfalls eine Korrelation, allerdings nicht so stark ausgeprägt.

Zwei weitere Studien zeigten zudem, dass die psychologische Brücke zwischen einer Verschwörungsmentalität als einer politischen Haltung und der Bevorzugung von Alternativmedizin in einem Misstrauen gegenüber Macht begründet liegt.

"Alles, was mit Macht in Verbindung gebracht wird, wie zum Beispiel die Pharmaindustrie, wird von Verschwörungstheoretikern sehr skeptisch beurteilt", erklärt Lamberty. In einer der Studien sollten die Teilnehmer über die Zulassung eines fiktiven pflanzlichen Medikaments gegen Ängste, Gastritis und leichte Depressionen entscheiden.

Personen mit stark ausgeprägter Verschwörungsmentalität bewerteten das Medikament HTP 530 als positiver und wirksamer, wenn es von einer als machtlos geltenden Patientengruppe entwickelt wurde, als von einem Pharmakonsortium.

Aber: Nicht jeder, der zu alternativen Heilmitteln greift, glaubt auch an Verschwörungstheorien

"Das individuelle Verständnis einer Erkrankung und die Wahl der Behandlung kann also mehr von ideologiegeprägten Persönlichkeitsmerkmalen abhängen als von rationalen Überlegungen", schreiben die beiden Autoren. Eine Verschwörungsmentalität könne beeinflussen, was Patienten für die eigentliche Ursache einer Erkrankung halten, was sie als Anfangssymptom und physiologische Reaktion ansehen und wen oder was sie für ihre Behandlung auswählen.

Die beiden Psychologen machen aber auch deutlich, dass für die Interpretation der Studienergebnisse der Umkehrschluss nicht gilt: Nicht jeder, der zu alternativen Heilmitteln greift, glaube auch an Verschwörungstheorien.

Pia Lamberty, Roland Imhoff, Powerful Pharma and Its Marginalized Alternatives? Effects of Individual Differences in Conspiracy Mentality on Attitudes Toward Medical Approaches, in: Social Psychology, 2018, published online Juli 30, 2018

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