Verzahnt in Göttingen

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Gesellschaft
Weil Alterszahnmedizin an der Uni kein Thema war, initiierte Zahnärztin Anna-Lena Hillebrecht in Göttingen das Projekt "VerZahnt in der Region": Studenten informieren Senioren über Mundgesundheit im Alter - und schulen sich dabei auch selbst.

zm-online: Frau Hillebrecht, warum haben Sie „VerZahnt in der Region“ gegründet?

Anna-Lena Hillebrecht:Ich empfand die studentische Ausbildung auf dem Gebiet der Alterszahnmedizin als unzureichend und nicht der demografischen Realität entsprechend. Im Rahmen eines studentischen Ideenwettbewerbes der Georg-August-Universität Göttingen habe ich 2012 - zu diesem Zeitpunkt noch als Studentin - eine Projektidee entwickelt, bei der es darum gehen sollte, Zahnmedizinstudierende möglichst früh an den Umgang mit älteren Patienten heranzuführen. Hierbei sollte der Kontakt zu älteren Patienten mit ihren speziellen Bedürfnissen im Vordergrund stehen.

Im Oktober 2014 begann ich meine Tätigkeit als Assistenzzahnärztin in der Poliklinik für Präventive Zahnmedizin, Parodontologie und Kariologie. Den Zustand, den ich als Studentin bemängelte, konnte ich nun Dank der Unterstützung meiner Chefin Prof. Dr. Annette Wiegand dem aktuellen Bedarf anpassen. Gemeinsam mit ihr und mit meinem Kollegen Torsten Wassmann aus der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik begannen wir, interdisziplinär die Projektidee umsetzen.

"Die meisten Studenten leben weit weg von ihren Groß- oder Urgroßeltern!"

Und wie sieht Ihr Konzept aus?

Die meisten Zahnmedizinstudenten leben weit entfernt von ihren eigenen Groß- oder Urgroßeltern. Es gibt wenig Schnittpunkte zwischen Senioren und Studierenden. Auch in der recht kleinen und gemütlichen Universitätsstadt Göttingen ist das so. Der Alltag von Alten oder Kranken ist den Studierenden daher oft unbekannt.

Mit Beginn der Patientenbehandlung werden die Studenten erstmals mit diesen sehr fremden, emotional  bewegenden Realitäten konfrontiert. Durch das Projekt haben Studierende die Möglichkeit sich schon zu einem frühen Zeitpunkt des Studiums mit dieser wachsenden Patientenklientel - nämlich den Senioren - zu beschäftigen. Ziel ist , die Studenten für die Erfassung der Lebenssituationen und den damit verbundenen zahnmedizinischen Bedürfnissen sowie Erwartungshaltungen der zukünftigen Patienten zu sensibilisieren.

Mit der Vernetzung der Universität Göttingen - vertreten durch die Ideenförderung der Georg- August-Universität, den Polikliniken für Präventive Zahnmedizin und  Zahnärztliche Prothetik der UMG - mit der „Gesundheitsregion Göttingen“ (als Zusammenschluss aller regionalen, medizinischen Fachdisziplinen) und ambulanten sowie stationären Senioreneinrichtungen (zunächst der Diakonie Göttingen), wurden zunächst Rahmenbedingungen zur Entwicklung eines praktikablen, zahnmedizinischen Prophylaxe-/Aufklärungskonzepts geschaffen, durch das sich die zahnmedizinische Betreuung und damit auch die Zahn-und Mundgesundheit der Senioren verbessern sollen.

Gleichzeitig werden die Studierenden bezüglich des Themas Alterszahnmedizin informiert und motiviert. Dies geschieht interdisziplinär, in extracurricularen und semesterübergreifenden Veranstaltungen.

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"Studenten sollte man mit der Alterszahnmedizin vertraut machen!"

Was haben die Zahnmedizinstudenten von der Teilnahme?

Studierende verschiedener Fachsemester erarbeiteten gemeinsam mit drei Lehrenden eine Präsentation zu dem Thema: „Zahn- und Mundgesundheit im höheren Lebensalter“. Die Studenten lernen komplexe Sachverhalte zu veranschaulichen und zu vermitteln. Im Rahmen eines Informationsabends präsentierten die Studierenden ihren konzipierten Vortrag.

Bei einem leckeren (zahngesunden) Abendbrot wurde die Zeit zum persönlichen Austausch zwischen Studierenden, Pflegenden und Senioren genutzt. Es wurden Wünsche, Anforderungen und Bedürfnisse von Senioren und Pflegekräfte an die zukünftigen Zahnärzte thematisiert.

Der Behandlungsbedarf im Bereich der Alterszahnmedizin steigt. Des Weiteren fordert die Verschiebung der Alterskurve spezielle Interventions- und Behandlungskonzepte, die von der jungen Generation an Zahnmedizinern in Zukunft getragen, beziehungsweise umgesetzt werden müssen.

Daher sollte man die Studenten während des Studiums mit dem Fachgebiet der Alterszahnmedizin vertraut machen und sie in die Entwicklung von Prophylaxe- und Behandlungsstrategien miteinbeziehen, um dem wachsenden altersspezifischem, zahnmedizinischem Betreuungsbedarf auch zukünftig gerecht werden zu können.

"Aus der 12-Uhr-Position heraus geht es schon viel einfacher!"

Welche Reaktionen erhalten Sie von den Zuhörern?

Die Resonanz der Pilotveranstaltung war durchweg positiv. Das Pflegepersonal wünschte sich konkret mehr  Schulungen und auch mehr praktische Tipps, wie man Pflegebedürftigen die Zähne putzt. Dann haben wir gezeigt, dass dies aus der 12-Uhr-Position heraus schon viel einfacher geht.

Gefragt wurde auch, wie lange und womit konkret geputzt werden soll. Oder wie man dementen Patienten begegnet, die sich komplett dagegen sperren. Dazu kommen oft Fragen, wie man Zahnersatz lagern soll. Viele kannten den studentischen Behandlungskurs nicht und zeigten sich sehr interessiert an der studentischen Ausbildung am Göttinger Klinikum.

In welchem Turnus werden Sie 2016 Veranstaltungen durchführen?

Für Anfang 2016 ist geplant, die verschiedenen Senioreneinrichtungen in Göttingen anzuschreiben und den Bedarf an zahnmedizinischen Prophylaxeschulungen für die Senioren, aber auch für das Pflegepersonal, zu eruieren. Künftig werden wir wieder gemeinsam mit den Studierenden Vorträge - diesmal speziell auch zum Thema zahnmedizinische Prophylaxe in der Pflege - vorbereiten, um sie dann in den Pflegeeinrichtungen präsentieren zu können. 

Ziel ist ein generationeninkludierendes, auf Prophylaxe ausgerichtetes Programm zur Verbesserung der Zahn- und Mundgesundheit für Menschen im höheren Lebensalter und zur Sensibilisierung der Zahnmedizinstudierenden für die besonderen Aspekte der Alterszahnmedizin im Sinne der Reziprozität - also zum Wohle und Nutzen aller Beteiligter.

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Anna-Lena Hillebrecht  ist Zahnärztin der Poliklinik für Präventive Zahnmedizin, Parodontologie und Kariologie der Universitätsmedizin Göttingen.

Die Fragen stellte Sara Friedrich.

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